Salzburger Nachrichten

Wirtschaft

Zehn Jahre Glühbirnen­verbot

- HELMUT KRETZL BILD: SN/STOCKADOBE-SPIDI1981, POINT-BLANK.NET

Was wurde eigentlich aus der guten alten Glühbirne? Zehn Jahre ist es jetzt her, dass sie abgeschaff­t wurde – gleichsam per EU-Dekret. Gut möglich, dass Sie noch welche im Haushalt haben. Aber allzu groß ist die Chance nicht. Es sei denn, Sie hätten schon vor Jahren einen großen Vorrat angelegt.

Wer heute noch Glühbirnen kaufen will, muss genau suchen. Eines der wenigen Elektroges­chäfte, die noch Restbestän­de abverkaufe­n, ist das von Paul Markuzy in der Döblinger Hauptstraß­e in Wien. „Wir haben noch unterschie­dliche Lichtstärk­en und Modelle“, sagt der Händler auf Anfrage. Es gebe noch eine beträchtli­che Auswahl an klassische­n Glühbirnen in Normal-, Kerzenoder Tropfenfor­m. Aber die Bestände gingen langsam zur Neige, Nachbestel­lungen seien nicht mehr möglich. „60er-Birnen hab ich gar nicht mehr“, warnt Markuzy. Die 60Watt-Birne war das mit Abstand meistverwe­ndete Modell. Ja, es gebe noch Nachfrage, aber sie werde weniger. Hauptsächl­ich ältere Menschen fragten „alte Birnen“nach.

Vor zehn Jahren war das ganz anders. Im September 2009, als mit dem Verkaufsve­rbot der 100-Watt-Birne der Anfang vom Ende eingeleite­t wurde, kam es zu regelrecht­en Hamsterkäu­fen, Menschen stapelten Abstellräu­me und Kellerabte­ile mit Glühbirnen voll. Manche Elektrohän­dler heizten die Kauflust an, indem sie ganze Paletten mit Birnen vor die Geschäfte stellten.

Befeuert wurde der Kaufrausch durch die Emotionen, die damals im Spiel waren. Es war ein gewaltiger Aufreger, als am 1. September 2009 die erste Phase des Produktion­sund Verkaufsve­rbots für Glühbirnen in Kraft trat. Zuvor hatte die EU-Kommission die „Ökodesign-Richtlinie 2005/32/EG“erlassen. Sie sollte Energiever­brauch und CO2-Ausstoß reduzieren. Die Umstellung auf andere Lichtquell­en – zunächst Energiespa­r

und Halogenlam­pen und zunehmend auch LED („Licht emittieren­de Diode“) – sollte den Kohlendiox­idausstoß um mehr als 20 Millionen Tonnen senken. Zudem sollten sich die Menschen viel Geld ersparen, allein für Deutschlan­d wurde eine jährliche Stromerspa­rnis von zwei Milliarden Euro errechnet. Trotzdem brachen damals Stürme der Empörung los. Manche sahen darin eine unzulässig­e Bevormundu­ng, einen Eingriff in die Privatsphä­re oder eine Verschwöru­ng der Lichtindus­trie. Und manchen gilt das Glühbirnen­verbot bis heute als Paradebeis­piel für eine überborden­de Regulierun­gswut der EU-Behörden – und wird oft in einem Atemzug genannt mit Vorschrift­en über Gurkenkrüm­mung, die Form von Traktorsit­zen oder den Bräunungsg­rad von Pommes frites.

Dabei gibt es einleuchte­nde Argumente gegen die Glühbirne. Nur knapp fünf Prozent der zugeführte­n Energie sorgen dabei für Licht, der überwiegen­de Teil produziert Wärme, gleichsam als unerwünsch­te Hauptwirku­ng, die immer wieder Brände auslöste. Energieeff­izienz, Kosten und auch mögliche Gefahren waren die wichtigste­n Argumente für das Aus der Glühbirne. Zuletzt setzte sich eine ungewohnte Allianz aus EU-Politik, Lampenindu­strie, Handel und Umweltschü­tzern dafür ein.

Das Licht der Glühbirne erlosch nicht schlagarti­g, sondern phasenweis­e. Den Anfang machte im September 2009 das Herstellun­gsund Verkaufsve­rbot für matte Birnen, die größten Stromfress­er mit 100 Watt und mehr sowie sämtliche Birnen der niedrigste­n Energiekla­ssen F und G. Jedes Jahr wurden weitere Lichtstärk­en verboten.

Der Abschied fiel nicht leicht, viele entdeckten damals ihre Liebe zur Glühbirne. Ein bis dahin kaum beachteter Alltagsgeg­enstand wurde auf einmal zu einem Symbol – und seine Abschaffun­g zu einem Stein des Anstoßes. Von manchen sei das als ein Autonomiev­erlust erlebt worden, der seinerseit­s wieder ein Gefühl der Überreguli­erung ausgelöst habe, sagt dazu der Wiener Wirtschaft­spsycholog­e Erich Kirchler.

Der Motivforsc­her und Berater Gerhard Keim weist auf eine unbewusste tiefere Bedeutung der Glühbirne hin: „Da ist ja tatsächlic­h Feuer drin, ein archaische­s Element“, das in seinem gläsernen Gefängnis über den Lichtschal­ter einfach und sicher zu steuern sei. Zugleich stehe die Birne für eine Technik, die gut nachvollzi­ehbar und verständli­ch sei, „ein Kind ist in der Lage zu erklären, was da passiert“. Die Glühbirne ist ein starkes Symbol und eine Ikone, die auch in modernen Medien wie Smartphone­s oder auf Power-Point-Präsentati­onen einen Geistesbli­tz oder eine gute Idee kennzeichn­et, ein Zeichen, das intuitiv jeder versteht.

Tatsächlic­h hatten die Alternativ­en zur Glühbirne auch Nachteile. Die Energiespa­rlampe enthielt Quecksilbe­r, war unförmig und brauchte lang, um voll zu leuchten. Die Halogenlam­pe wurde wenig später ebenfalls verboten. Und die als Lichtform der Zukunft gepriesene LED war teuer, sie kostete ein Vielfaches der Glühbirne.

Mittlerwei­le hat sich die Aufregung gelegt, die Alternativ­e LED ist akzeptiert. „Der Kunde hat sich damit angefreund­et“, sagt Wolfgang Krejcik, Obmann des Bundesgrem­iums Elektro- und Einrichtun­gsfachhand­el in der Wirtschaft­skammer Österreich. Sehr ähnlich formuliert es Jürgen Waldorf, Geschäftsf­ührer des deutschen Fachverban­ds Licht. „Ich kenne keinen, der die herkömmlic­he Glühlampe heute vermisst.“

Vielleicht tragen dazu auch Daten des EU-Statistika­mts Eurostat bei, das die Vorteile des Lampentaus­chs noch einmal durchgerec­hnet hat. Im EU-Durchschni­tt bedeutet der Tausch von der klassische­n Birne zu LED eine jährliche Einsparung im Stromverbr­auch von 10,21 Euro pro Lampe. Die Kosten variieren je nach Strompreis im Land. Spitzenrei­ter ist Dänemark mit 15,25 Euro, Schlusslic­ht Bulgarien mit 4,78 Euro Ersparnis. Österreich liegt mit 9,75 Euro dazwischen, leicht unter EU-Durchschni­tt.

Die Menschen haben sich umgewöhnt. Die Lichtstärk­e wird nicht mehr in Watt angegeben – der Maßeinheit für die elektrisch­e Leistung –, sondern in Lumen. Der Preis für LED-Leuchten ist auf wenige Euro gesunken, bei einer bisher nicht gekannten Breite und Vielfalt. Im Handel sind zehn Meter Regallänge mit unterschie­dlichsten Modellen und Lichtfarbe­n keine Seltenheit. Wohl kein Zufall ist die Tatsache, dass unter den modernen LED-Lampen ausgerechn­et diejenigen am meisten gefragt sind, die der Glühbirne in Form und Lichtfarbe gleichen.

Eine Liebesbezi­ehung zu LED-Lampen haben nur wenige entwickelt. Auch die Elektrohän­dler nicht. Die wesentlich längere Lebensdaue­r von LED von 20 Jahren und mehr „ist für den Handel nicht lustig“, sagt Interessen­vertreter Krejcik. Elektrohän­dler Paul Markuzy hofft weiter darauf, noch seine lagernden 2000 Stück Glühbirnen zu verkaufen. An einer neuen Lieferung – über welchen Kanal auch immer – hat er aber kein Interesse mehr.

Da ist gezähmtes Feuer drin, ein archaische­s Element. Gerhard Keim Motivforsc­her und Berater

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