Wirtschaft
Zehn Jahre Glühbirnenverbot
Was wurde eigentlich aus der guten alten Glühbirne? Zehn Jahre ist es jetzt her, dass sie abgeschafft wurde – gleichsam per EU-Dekret. Gut möglich, dass Sie noch welche im Haushalt haben. Aber allzu groß ist die Chance nicht. Es sei denn, Sie hätten schon vor Jahren einen großen Vorrat angelegt.
Wer heute noch Glühbirnen kaufen will, muss genau suchen. Eines der wenigen Elektrogeschäfte, die noch Restbestände abverkaufen, ist das von Paul Markuzy in der Döblinger Hauptstraße in Wien. „Wir haben noch unterschiedliche Lichtstärken und Modelle“, sagt der Händler auf Anfrage. Es gebe noch eine beträchtliche Auswahl an klassischen Glühbirnen in Normal-, Kerzenoder Tropfenform. Aber die Bestände gingen langsam zur Neige, Nachbestellungen seien nicht mehr möglich. „60er-Birnen hab ich gar nicht mehr“, warnt Markuzy. Die 60Watt-Birne war das mit Abstand meistverwendete Modell. Ja, es gebe noch Nachfrage, aber sie werde weniger. Hauptsächlich ältere Menschen fragten „alte Birnen“nach.
Vor zehn Jahren war das ganz anders. Im September 2009, als mit dem Verkaufsverbot der 100-Watt-Birne der Anfang vom Ende eingeleitet wurde, kam es zu regelrechten Hamsterkäufen, Menschen stapelten Abstellräume und Kellerabteile mit Glühbirnen voll. Manche Elektrohändler heizten die Kauflust an, indem sie ganze Paletten mit Birnen vor die Geschäfte stellten.
Befeuert wurde der Kaufrausch durch die Emotionen, die damals im Spiel waren. Es war ein gewaltiger Aufreger, als am 1. September 2009 die erste Phase des Produktionsund Verkaufsverbots für Glühbirnen in Kraft trat. Zuvor hatte die EU-Kommission die „Ökodesign-Richtlinie 2005/32/EG“erlassen. Sie sollte Energieverbrauch und CO2-Ausstoß reduzieren. Die Umstellung auf andere Lichtquellen – zunächst Energiespar
und Halogenlampen und zunehmend auch LED („Licht emittierende Diode“) – sollte den Kohlendioxidausstoß um mehr als 20 Millionen Tonnen senken. Zudem sollten sich die Menschen viel Geld ersparen, allein für Deutschland wurde eine jährliche Stromersparnis von zwei Milliarden Euro errechnet. Trotzdem brachen damals Stürme der Empörung los. Manche sahen darin eine unzulässige Bevormundung, einen Eingriff in die Privatsphäre oder eine Verschwörung der Lichtindustrie. Und manchen gilt das Glühbirnenverbot bis heute als Paradebeispiel für eine überbordende Regulierungswut der EU-Behörden – und wird oft in einem Atemzug genannt mit Vorschriften über Gurkenkrümmung, die Form von Traktorsitzen oder den Bräunungsgrad von Pommes frites.
Dabei gibt es einleuchtende Argumente gegen die Glühbirne. Nur knapp fünf Prozent der zugeführten Energie sorgen dabei für Licht, der überwiegende Teil produziert Wärme, gleichsam als unerwünschte Hauptwirkung, die immer wieder Brände auslöste. Energieeffizienz, Kosten und auch mögliche Gefahren waren die wichtigsten Argumente für das Aus der Glühbirne. Zuletzt setzte sich eine ungewohnte Allianz aus EU-Politik, Lampenindustrie, Handel und Umweltschützern dafür ein.
Das Licht der Glühbirne erlosch nicht schlagartig, sondern phasenweise. Den Anfang machte im September 2009 das Herstellungsund Verkaufsverbot für matte Birnen, die größten Stromfresser mit 100 Watt und mehr sowie sämtliche Birnen der niedrigsten Energieklassen F und G. Jedes Jahr wurden weitere Lichtstärken verboten.
Der Abschied fiel nicht leicht, viele entdeckten damals ihre Liebe zur Glühbirne. Ein bis dahin kaum beachteter Alltagsgegenstand wurde auf einmal zu einem Symbol – und seine Abschaffung zu einem Stein des Anstoßes. Von manchen sei das als ein Autonomieverlust erlebt worden, der seinerseits wieder ein Gefühl der Überregulierung ausgelöst habe, sagt dazu der Wiener Wirtschaftspsychologe Erich Kirchler.
Der Motivforscher und Berater Gerhard Keim weist auf eine unbewusste tiefere Bedeutung der Glühbirne hin: „Da ist ja tatsächlich Feuer drin, ein archaisches Element“, das in seinem gläsernen Gefängnis über den Lichtschalter einfach und sicher zu steuern sei. Zugleich stehe die Birne für eine Technik, die gut nachvollziehbar und verständlich sei, „ein Kind ist in der Lage zu erklären, was da passiert“. Die Glühbirne ist ein starkes Symbol und eine Ikone, die auch in modernen Medien wie Smartphones oder auf Power-Point-Präsentationen einen Geistesblitz oder eine gute Idee kennzeichnet, ein Zeichen, das intuitiv jeder versteht.
Tatsächlich hatten die Alternativen zur Glühbirne auch Nachteile. Die Energiesparlampe enthielt Quecksilber, war unförmig und brauchte lang, um voll zu leuchten. Die Halogenlampe wurde wenig später ebenfalls verboten. Und die als Lichtform der Zukunft gepriesene LED war teuer, sie kostete ein Vielfaches der Glühbirne.
Mittlerweile hat sich die Aufregung gelegt, die Alternative LED ist akzeptiert. „Der Kunde hat sich damit angefreundet“, sagt Wolfgang Krejcik, Obmann des Bundesgremiums Elektro- und Einrichtungsfachhandel in der Wirtschaftskammer Österreich. Sehr ähnlich formuliert es Jürgen Waldorf, Geschäftsführer des deutschen Fachverbands Licht. „Ich kenne keinen, der die herkömmliche Glühlampe heute vermisst.“
Vielleicht tragen dazu auch Daten des EU-Statistikamts Eurostat bei, das die Vorteile des Lampentauschs noch einmal durchgerechnet hat. Im EU-Durchschnitt bedeutet der Tausch von der klassischen Birne zu LED eine jährliche Einsparung im Stromverbrauch von 10,21 Euro pro Lampe. Die Kosten variieren je nach Strompreis im Land. Spitzenreiter ist Dänemark mit 15,25 Euro, Schlusslicht Bulgarien mit 4,78 Euro Ersparnis. Österreich liegt mit 9,75 Euro dazwischen, leicht unter EU-Durchschnitt.
Die Menschen haben sich umgewöhnt. Die Lichtstärke wird nicht mehr in Watt angegeben – der Maßeinheit für die elektrische Leistung –, sondern in Lumen. Der Preis für LED-Leuchten ist auf wenige Euro gesunken, bei einer bisher nicht gekannten Breite und Vielfalt. Im Handel sind zehn Meter Regallänge mit unterschiedlichsten Modellen und Lichtfarben keine Seltenheit. Wohl kein Zufall ist die Tatsache, dass unter den modernen LED-Lampen ausgerechnet diejenigen am meisten gefragt sind, die der Glühbirne in Form und Lichtfarbe gleichen.
Eine Liebesbeziehung zu LED-Lampen haben nur wenige entwickelt. Auch die Elektrohändler nicht. Die wesentlich längere Lebensdauer von LED von 20 Jahren und mehr „ist für den Handel nicht lustig“, sagt Interessenvertreter Krejcik. Elektrohändler Paul Markuzy hofft weiter darauf, noch seine lagernden 2000 Stück Glühbirnen zu verkaufen. An einer neuen Lieferung – über welchen Kanal auch immer – hat er aber kein Interesse mehr.
Da ist gezähmtes Feuer drin, ein archaisches Element. Gerhard Keim Motivforscher und Berater