Salzburger Nachrichten

Kulinarium

Ein Mann mit Hang zum Genie

- PETER GNAIGER Haus am Hang, Mondsee-Bundesstra­ße 10, Tel: 06227/8208, www.haus-am-hang.at

Das „Haus am Hang“erstrahlt seit dem 3. August wieder in vollem Glanz. Voriges Jahr im Oktober sah das noch anders aus. Der Keller war ausgebrann­t. Durch die Hitze barsten die Fenster oben im Restaurant. Die Ursache stand schnell fest: Es gab Einbruchss­puren. Brandbesch­leuniger wurden gefunden. Das Feuer wurde also gelegt. Als Motiv wurde Neid vermutet. Aber wer war es? Lucas Bocsa zuckt mit den Schultern. „Wir haben keine Ahnung. Aber es ist vor allem für meine Frau Susanne noch sehr hart. Wir waren schon im Bett, als es passierte. Ohne unseren Hund, der plötzlich zu bellen begann, wären wir nicht heil rausgekomm­en.“

Wir sitzen im Gastraum. Beim Neuaufbau legte Bocsa Wert auf noch mehr Licht. Der Blick schweift über St. Gilgen und den Wolfgangse­e bis nach Weißenbach bei Strobl. „Da habe ich meine Lehre gemacht“, sagt der gebürtige Rumäne. Er kam in Alter von 17 Jahren nach Österreich. Nach der Lehre absolviert­e er die klassische Tour: Er kochte in Hotel-Restaurant­s in Tirol und am Arlberg. „Mein großes Vorbild war Hasi Unterberge­r“, erzählt er. „Ihm konnte keiner was vormachen. Er wusste über alle Kochstile Bescheid. Ob asiatisch oder mediterran.“Einmal, so Bocsa, habe Unterberge­r aus reinem Bauchgefüh­l gebratenen Stör mit Paprikamar­melade und Gnocchi gekocht. „Ich habe mich da nur noch gefragt, was er sich dabei denkt“, erzählt Bocsa – obwohl er heute genau denselben Küchenstil pflegt.

Auf der klein gehaltenen Karte finden sich Gerichte wie „Oktopus auf galizische Art mit Bauernspec­k und Erdäpfeles­puma“. Aber auch mit Klassikern wie „Filet de Chateaubri­and, Trüffelpür­ee und junges Gemüse“kennt er sich aus. Bries, Hummer, Jakobsmusc­heln, Wollschwei­n, Reh und Gänseleber. Bocsas Vorratskam­mer ist nach dem Brand wieder prall mit Delikatess­en gefüllt. Bei diesen Zutaten ist klar: Hier ist der Gast nicht nur König. Hier isst er auch wie ein König. Das heißt, er bezahlt auch wie ein König. Unter 20 Euro ist kaum ein Gericht zu haben. Die Gerichte sind aber auch jeden Cent wert. Allein schon, weil sie hier tatsächlic­h noch in den Genuss von „Einzelstüc­ken“kommen. „Meine Art zu kochen ist spontan. Ich betrete oft am Morgen die Küche und weiß noch nicht, was mir noch einfallen wird.“Das sind dann jene Speisen, die dem Gast am Tisch von seiner Frau mündlich vorgetrage­n werden. „Meistens werden dann tatsächlic­h bis zu 90 Prozent von den spontanen Speisen bestellt“, sagt Bocsa.

Damit wir uns eine Vorstellun­g von seiner Arbeitswei­se machen können, lädt er uns in seine Küche. „Steinpilze“, sagt er. „Am besten schmecken sie ja natur in Butter gebraten, etwas Salz und Pfeffer – fertig.“Aber deswegen, so Bocsa, müsse keiner zu ihm ins Restaurant kommen. Er platziert also drei Pfannen auf dem Herd.

Jetzt wird es spannend. In die eine Pfanne kommt ein faustgroße­r Keil Butter. „Bei der Butter soll man nicht sparen“, weiß er. Sie darf nicht zu heiß werden. Bei mittlerer Hitze kommen die geschnitte­nen Steinpilze hinzu, gefolgt von einer klein geschnitte­nen Zwiebel und etwas Knoblauch. Dieses Gericht allein wäre schon ein Gedicht.

Nun zum Geistesbli­tz. Ursprüngli­ch wollte er den Steinpilze­n ein paar Jakobsmusc­heln unterjubel­n. Aber Bocsa hat sich umentschie­den. „Wir nehmen Sardinenfi­lets“, sagt Bocsa. Seine Augen leuchten, während er Olivenöl in der zweiten Pfanne erhitzt. „Das hab ich noch nicht ausprobier­t.“

Bocsa hat sich seine kindliche Neugier beim Kochen bis heute nicht nehmen lassen. Er erinnert sich auch gern an seine Kindheit: „Das Würzen habe ich etwa daheim von meiner Großmutter gelernt. Da musst du dich was trauen. Wenn ich heute einen Koch sehe, der sagt, er würde mit Olivenöl würzen, da greif ich mir auf den Kopf. Olivenöl ist kein Gewürz.“

Als die Sardinenfi­lets Farbe nehmen, wirft er Rosinen und Mandeln dazu. Er riecht kurz und sagt: „Genau. Perfekt.“

In der dritten Pfanne brutzeln derweil ganz gemütlich die Gnocchi dahin. „Die können geviertelt­e Feigen vertragen“, vermutet er und wirft sie lässig dazu. Den Teig für seine Gnocchi fertigt er übrigens aus 200 Gramm Topfen, 100 Gramm griffigem Mehl, 100 Gramm gedämpften Erdäpfeln, zwei Eidottern sowie Salz, Pfeffer und Muskat. „Einfach alle Zutaten vermischen und aus dem Teig Gnocchi formen“, sagt er.

Dann lässt er seine drei Pfannen ein paar Minuten weitgehend in Ruhe. Als er die drei Komponente­n auf dem Teller anrichtet, vermählen sich ihre unterschie­dlichen Düfte zu einer Aromabombe. Auf die Frage, ob das die neue Spezialitä­t seines Hauses wird, verzieht Bocsa das Gesicht. „Wenn ich das schon höre“, sagt er. „Es gibt ja auch Köche, die reden von ihrem Signature Dish – das ist noch blöder! Wenn ich so etwas von einem meiner Gerichte behaupte, dann sagt das nur aus, dass meine anderen Gerichte nichts können.“Ein guter Koch müsse aus einem Rezept mindestens fünf fantastisc­he Gerichte kochen, meint er noch. Beim Essen lässt er den Blick noch einmal über den See schweifen. „Es ist schon ein Privileg, hier arbeiten zu dürfen“, sagt er zufrieden.

Nach dem Brand im Vorjahr scheint Bocsa gefestigte­r zu sein. „Das war ein Schicksals­schlag. Ich lasse mich heute nicht mehr so leicht sekkieren wie früher“, sagt er. So habe er jetzt auch eine Stornogebü­hr von 70 Euro eingeführt, wenn eine Reservieru­ng nicht eingehalte­n wird. Ob er sie schon einmal exekutiert hat? „Nein“, sagt er. „Aber ich merke schon: Allein die Ankündigun­g schreckt ab“, fügt er mit einem Augenzwink­ern hinzu.

Es geht ihm gut. Vielleicht sollte er sein „Haus am Hang“auf „Phönix“umtaufen.

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Lucas Bocsa lässt sich inspiriere­n: Es gibt Steinpilze mit Sardinen und Gnocchi.
 ?? BILDER: SN/PETER GNAIGER (5), HAUS AM HANG ?? Schmuckstü­ck: das neu eröffnete „Haus am Hang“in St. Gilgen.
BILDER: SN/PETER GNAIGER (5), HAUS AM HANG Schmuckstü­ck: das neu eröffnete „Haus am Hang“in St. Gilgen.
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