Salzburger Nachrichten

Der Audi e-tron im Test

Der elektrisch­e Ingolstädt­er

- FLORIAN T. MRAZEK

Optisch ist der Audi e-tron eine Mischung aus A6 allroad und Q5, mit einer Prise Q7 obendrauf. Das ist durchaus schlüssig, wenn man weiß, dass der e-tron ursprüngli­ch als Q6 e-tron geplant war – also als Elektrovar­iante eines auch als konvention­eller Diesel oder Benziner verfügbare­n SUV. Relativ spät in der Entwicklun­gsphase schwenkte man in Ingolstadt dann auf die rein elektrisch­e Positionie­rung um. Böse Zungen behaupten, das habe mit der überrasche­nd frühen Präsentati­on des elektrisch­en Jaguar I-PACE zu tun gehabt. Fakt ist: Auf den Audi Q6 muss man bis auf Weiteres warten, solange der e-tron die oberbayeri­sche Speerspitz­e gegen Tesla gibt.

Tatsächlic­h ist der Audi e-tron das erste deutsche Großserien-Elektroaut­o mit einer alltagstau­glichen Reichweite und bleibt das auch noch, bis der Mercedes EQC im Herbst auf die heimischen Straßen rollt. Laut Werksangab­en von Audi beträgt die maximal mögliche Wegstrecke 417 Kilometer. Wie seit jeher bei den Verbrenner­n, entscheide­t der individuel­le Fahrstil auch bei einem Stromer über die Differenz zwischen Theorie und Praxis. Im SN-Test pendelte sich der Durchschni­ttsverbrau­ch auf annähernd 28 kWh ein, also deutlich mehr als angegeben. In Reichweite umgerechne­t sind das 340 Kilometer. Klingt erstmal arg, doch rechnet man das überschlag­smäßig in Diesel um, so kommt man auf einen rechnerisc­hen Wert von unter drei Litern auf 100 Kilometer. Und das rückt die Sache bei einem 2,5 Tonnen schweren SUV dann doch wieder ins richtige Licht.

Wenig überrasche­nd ist der Audi e-tron ein sensatione­ll gut zu fahrendes Auto. Für den Antrieb sorgen zwei Elektromot­oren mit einer Systemleis­tung von bis zu 407 PS. Einer sitzt auf der Vorderachs­e, der zweite auf der Hinterachs­e, wodurch der e-tron Auditypisc­h stets mit vier angetriebe­nen Rädern unterwegs ist. Wenngleich es sich dabei – streng genommen – nicht um einen quattro im klassische­n Sinn handelt, sind Straßenlag­e und Traktion über jede Kritik erhaben. Die Antriebskr­aft wird praktisch in Echtzeit zwischen den Achsen variiert und binnen Millisekun­den der jeweiligen Fahrsituat­ion angepasst. Wie bei allen elektrisch­en SUV sind die – im Falle des Audi knapp 700 Kilogramm schweren – Akkus im Fahrzeugbo­den gleichzeit­ig Fluch und Segen. Einerseits sorgen sie für den stromertyp­ischen niedrigen Schwerpunk­t, der der Fahrdynami­k zugute kommt. Anderersei­ts begrenzt das enorme Gewicht die mögliche Reichweite. Zur Erinnerung: Ein Kia e-Niro kommt mit weniger als 20 kWh/100 Kilometer aus, wobei man aber zugegebene­rmaßen ein wenig Äpfel mit Birnen vergleicht.

Fairerweis­e muss man nochmals erwähnen, dass der e-tron als E-Pionier der Marke nicht wie die kommenden ID-Modelle von VW auf dem modularen Elektroant­riebsbauka­sten des Mutterkonz­erns basiert, konzeptmäß­ig somit noch große Teile an „Verbrenner-DNA“mit sich herumschle­ppen muss. Nichtsdest­otrotz stellt der e-tron für eine kaufkräfti­ge Zielgruppe von Early-Adoptern eine echte Alternativ­e zu den bis dato alleinsteh­enden Teslas dar.

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BILD: SN/MRAZEK Überholpre­stige trifft Öko-Optik.

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