Der Audi e-tron im Test
Der elektrische Ingolstädter
Optisch ist der Audi e-tron eine Mischung aus A6 allroad und Q5, mit einer Prise Q7 obendrauf. Das ist durchaus schlüssig, wenn man weiß, dass der e-tron ursprünglich als Q6 e-tron geplant war – also als Elektrovariante eines auch als konventioneller Diesel oder Benziner verfügbaren SUV. Relativ spät in der Entwicklungsphase schwenkte man in Ingolstadt dann auf die rein elektrische Positionierung um. Böse Zungen behaupten, das habe mit der überraschend frühen Präsentation des elektrischen Jaguar I-PACE zu tun gehabt. Fakt ist: Auf den Audi Q6 muss man bis auf Weiteres warten, solange der e-tron die oberbayerische Speerspitze gegen Tesla gibt.
Tatsächlich ist der Audi e-tron das erste deutsche Großserien-Elektroauto mit einer alltagstauglichen Reichweite und bleibt das auch noch, bis der Mercedes EQC im Herbst auf die heimischen Straßen rollt. Laut Werksangaben von Audi beträgt die maximal mögliche Wegstrecke 417 Kilometer. Wie seit jeher bei den Verbrennern, entscheidet der individuelle Fahrstil auch bei einem Stromer über die Differenz zwischen Theorie und Praxis. Im SN-Test pendelte sich der Durchschnittsverbrauch auf annähernd 28 kWh ein, also deutlich mehr als angegeben. In Reichweite umgerechnet sind das 340 Kilometer. Klingt erstmal arg, doch rechnet man das überschlagsmäßig in Diesel um, so kommt man auf einen rechnerischen Wert von unter drei Litern auf 100 Kilometer. Und das rückt die Sache bei einem 2,5 Tonnen schweren SUV dann doch wieder ins richtige Licht.
Wenig überraschend ist der Audi e-tron ein sensationell gut zu fahrendes Auto. Für den Antrieb sorgen zwei Elektromotoren mit einer Systemleistung von bis zu 407 PS. Einer sitzt auf der Vorderachse, der zweite auf der Hinterachse, wodurch der e-tron Auditypisch stets mit vier angetriebenen Rädern unterwegs ist. Wenngleich es sich dabei – streng genommen – nicht um einen quattro im klassischen Sinn handelt, sind Straßenlage und Traktion über jede Kritik erhaben. Die Antriebskraft wird praktisch in Echtzeit zwischen den Achsen variiert und binnen Millisekunden der jeweiligen Fahrsituation angepasst. Wie bei allen elektrischen SUV sind die – im Falle des Audi knapp 700 Kilogramm schweren – Akkus im Fahrzeugboden gleichzeitig Fluch und Segen. Einerseits sorgen sie für den stromertypischen niedrigen Schwerpunkt, der der Fahrdynamik zugute kommt. Andererseits begrenzt das enorme Gewicht die mögliche Reichweite. Zur Erinnerung: Ein Kia e-Niro kommt mit weniger als 20 kWh/100 Kilometer aus, wobei man aber zugegebenermaßen ein wenig Äpfel mit Birnen vergleicht.
Fairerweise muss man nochmals erwähnen, dass der e-tron als E-Pionier der Marke nicht wie die kommenden ID-Modelle von VW auf dem modularen Elektroantriebsbaukasten des Mutterkonzerns basiert, konzeptmäßig somit noch große Teile an „Verbrenner-DNA“mit sich herumschleppen muss. Nichtsdestotrotz stellt der e-tron für eine kaufkräftige Zielgruppe von Early-Adoptern eine echte Alternative zu den bis dato alleinstehenden Teslas dar.