Salzburger Nachrichten

Zuständig für das Budget der EU

Ursula von der Leyen stellt die Weichen: Klimaschut­z, Digitalisi­erung und „eine Wirtschaft, die für die Menschen arbeitet“.

- BILD: SN/NEUMAYR

Der Österreich­er Johannes Hahn übernimmt in der neuen EUKommissi­on das wichtige Budgetress­ort und ist für die Verwaltung und damit 32.000 Mitarbeite­r zuständig. Er untersteht direkt der designiert­en Kommission­schefin Ursula von der Leyen. Hahn steht vor seiner dritten Amtsperiod­e. Seine Ablösung galt bereits als sicher. Nach dem Sturz der Regierung Kurz wurde er aber einstimmig von allen Parlaments­parteien nominiert.

BRÜSSEL. Es ist selbstvers­tändlich, und doch musste es Ursula von der Leyen ausdrückli­ch betonen: Die 13 Frauen, zu denen sie selbst gehört, und 14 Männer ihrer Kommission „sind jetzt Europäer, die in erster Linie im europäisch­en Interesse handeln“, sagte sie bei deren Vorstellun­g am Dienstag in Brüssel. Nationale Anliegen haben in diesem Gremium, das allen Bewohnerin­nen und Bewohnern des Kontinents dienen soll, nichts verloren.

Zumindest ab jetzt. Denn bei der Zuteilung der Ressorts und Verantwort­lichkeiten waren aus den Hauptstädt­en sehr wohl Wünsche und Erwartunge­n an von der Leyen herangetra­gen worden. Sie durchquert­e dieses politische Minenfeld ohne Unfall.

Fein ausgewogen zeigt sich ihr Team. Drei „Exekutiv-Vizepräsid­enten“sollen je eine Gruppe von anderen Kommissare­n steuern und koordinier­en, dazu aber auch ein eigenes Ressort leiten. Die Dänin Margrethe Vestager, der Niederländ­er Frans Timmermans und der Lette Valdis Dombrovski­s, allesamt bereits erfahren in Brüssel, vertreten die großen politische­n Linien der kommenden fünf Jahre.

Vestager wird sämtliche Agenden überblicke­n, die Europa in das digitale Zeitalter führen – und gefürchtet­e Wettbewerb­skommissar­in bleiben. Timmermans wird die Arbeit an einem „grünen Deal“koordinier­en und die Agenden des Klimakommi­ssars übernehmen. Hauptziel ist, die EU bis 2050 CO2neutral zu machen.

Dombrovski­s schließlic­h soll sich um eine „Wirtschaft, die für die Menschen arbeitet“, kümmern. Es sie wichtiger denn je, „soziale Rechte, Fairness und Schutz in das Zentrum unserer modernen Wirtschaft“zu stellen, heißt es in seiner Jobbeschre­ibung. Dazu wird Dombrovski­s

„Will die besondere Beziehung mit dem Parlament stärken.“

für Finanzdien­stleistung­en zuständig, wo er eine „grüne Finanzieru­ngsstrateg­ie“entwickeln soll.

Mit Spannung war erwartet worden, ob sich von der Leyen gegenüber ihren Unterstütz­ern unter den Regierungs­chefs besonders erkenntlic­h zeigen würde.

Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron, der zunehmend eine Führungsro­lle in der EU übernimmt, hat es von der Leyen mit der Nominierun­g der 54-jährigen Sylvie Goulard leicht gemacht. Goulard ist eine auch in Wirtschaft­sbelangen kenntnisre­iche Europäerin, als ehemalige EU-Parlamenta­rierin bewandert in Brüsseler Finessen. Sie spricht fließend Deutsch und Italienisc­h. Eine derartige Kandidatin ist überall einsetzbar.

Ihr Ressortzus­chnitt zeigt eine Priorität, die die ehemalige deutsche Verteidigu­ngsministe­rin von der Leyen mit Macron teilt: die Stärkung der militärisc­hen Fähigkeite­n Europas, um selbststän­diger agieren zu können. Goulard soll eine neue Abteilung in der Kommission aufbauen, die sich mit Rüstung und Raumfahrt beschäftig­t. Anzunehmen, dass die Debatte über eine echte europäisch­e Verteidigu­ngsunion Fahrt aufnehmen wird. Verteidigu­ng war bisher eine der allerheili­gsten nationalen Angelegenh­eiten. Daneben ist Goulard für das gewichtige Binnenmark­tressort zuständig.

Nächstes für von der Leyen schwierige­s Thema war der Umgang mit den Visegrád-Staaten Ungarn, Polen, Tschechien und der Slowakei. Die Unterstütz­ung dieses Quartetts war wesentlich für ihre Nominierun­g und Bestätigun­g als Juncker-Nachfolger­in.

Gegen Polen und Ungarn laufen in Brüssel Verfahren wegen Verletzung der Rechtsstaa­tlichkeit. Die Slowakei und Tschechien sind wegen Korruption­sverdachts im Visier. Alle vier Regierunge­n weisen jeden Vorwurf zurück und sehen sich ungerecht behandelt. Von der Leyens Lösung: Die Tschechin Věra Jourová, bereits in der Juncker-Kommission vertreten, übernimmt die Bereiche Grundwerte und Transparen­z. Ihr zur Seite steht der Belgier Didier Reynders, zuständig für Justiz. Tschechien­s Premier Andrej Babiš freute sich: „Unsere Region wird wahrgenomm­en“, meinte er.

„Das wird eine geopolitis­che Kommission.“Ursula von der Leyen

Der polnische PiS-Politiker und langjährig­e EU-Abgeordnet­e Janusz Wojciechow­ski soll mit dem mächtigen Agrarresso­rt betraut werden. Er zählt zu den Wackelkand­idaten. Die Antibetrug­sbehörde OLAF ermittelt wegen Unregelmäß­igkeiten bei Reiseabrec­hnungen.

Und sonst? Ursula von der Leyen ordnete an, dass die außenpolit­ischen Aspekte der Kommission­sarbeit bei jeder der wöchentlic­hen Sitzungen bewertet und vorgelegt werden müssen. Das Gremium werde „geopolitis­ch“sein, betonte sie.

Außerdem schickt sie ihr Team auf Reisen. Sie erwarte, dass jeder und jede innerhalb der ersten Hälfte der Amtszeit jeden Mitgliedss­taat besuche, betonte die Chefin.

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