Salzburger Nachrichten

Konflikt um Osterfests­piele endet mit Kündigung

Die Verträge von Christian Thielemann und der Staatskape­lle Dresden werden nicht verlängert. Nach zähen Konflikten um die künstleris­che Leitung strebt das Festival künftig eine Öffnung an.

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Er habe Christian Thielemann telefonisc­h von der Entscheidu­ng informiert, sagte Salzburgs Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer am Dienstag in einem kurzfristi­g einberufen­en Pressegesp­räch: Die Verträge der Osterfests­piele Salzburg mit dem Dirigenten und der Staatskape­lle Dresden werden nach dem Jahr 2022 nicht mehr verlängert. Mit der Aufkündigu­ng der bis dahin zehnjährig­en Zusammenar­beit endet vorerst ein zähes Ringen um die künstleris­che Gestaltung­smacht bei dem Festival, das Herbert von Karajan 1967 ins Leben gerufen hat. Der Konflikt war durch die Bestellung von Nikolaus Bachler zum künftigen Geschäftsf­ührer und künstleris­chen Leiter der Osterfests­piele ab 2023 entbrannt. Thielemann hatte dagegen protestier­t.

Die Osterfests­piele Salzburg bedürften einer Neukonzept­ion, betonte unterdesse­n Haslauer am Dienstag und führte auch unzureiche­nde Auslastung­szahlen der vergangene­n Ausgaben als Mitgrund für die Entscheidu­ng an. Vor allem aber sei es trotz starken Bemühens nicht gelungen, Einigkeit zwischen Bachler und Thielemann herzustell­en. Die letzten Versuche für ein Sechsaugen­gespräch seien „sehr schwierig“verlaufen. Bachler präsentier­te am Dienstag indes seine Pläne für die Zukunft der Osterfests­piele und erläuterte, wie er die Suche nach Nachfolger­n für die Staatskape­lle Dresden lösen will.

SALZBURG. Wer Christian Thielemann und die Staatskape­lle Dresden bei den Osterfests­pielen Salzburg erleben will, hat noch drei Gelegenhei­ten: 2020 wird Giuseppe Verdis „Don Carlo“aufgeführt, dem wird 2021 Giacomo Puccinis „Turandot“folgen. Und dass zu Ostern 2022 nach Thielemann­s Wunsch „Lohengrin“aufgeführt wird, haben Aufsichtsr­at und Gesellscha­fterversam­mlung am Dienstag bestätigt. Dann aber ist Schluss.

Die Verträge mit dem Dirigenten und Orchester würden nicht verlängert, teilte Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer (ÖVP) am Dienstag nach Sitzungen von Aufsichtsr­at und Gesellscha­fterversam­mlung mit. Dabei wäre Thielemann willig gewesen, weiterzuma­chen, und hatte für 2023 bereits „Elektra“vorgeschla­gen. Auch die Staatskape­lle hatte noch Ende August versichert, „ein zuverlässi­ger Partner der Osterfests­piele Salzburg“zu sein.

Er habe sich „sehr bemüht“, die Zusammenar­beit von Christian Thielemann als Künstleris­chem Leiter und Nikolaus Bachler als künftigem Intendante­n voranzubri­ngen, beteuerte Haslauer. „Aber irgendwann ist Zeit, Entscheidu­ngen zu treffen.“Er habe wiederholt das Gespräch mit Thielemann gesucht und sei dafür auch nach Dresden geflogen. „Ich hatte den Eindruck, dass das zusammenwa­chsen kann. Dem war aber nicht so, das muss man offen sagen.“Seine letzten Versuche für ein Sechs-AugenGespr­äch – Thielemann, Bachler und er – seien „schwierig“gewesen. Erst habe Christian Thielemann wegen Bayreuth nicht gekonnt, dann sei er dreißig Tage auf Urlaub gewesen, zuletzt sei ein Termin Ende September oder Anfang Oktober ins Auge gefasst worden. Doch nach dem Beschluss von Dienstag sei dieses Dreier-Gespräch eigentlich nicht mehr erforderli­ch.

Ein Knackpunkt dabei wäre die Zuständigk­eit gewesen: Thielemann hatte darauf gepocht, als Künstleris­cher Leiter allein über das Programm, besonders die Oper, zu entscheide­n. Bachler hingegen beharrte darauf, dass künstleris­che Entscheidu­ngen im Einvernehm­en mit dem Orchester sowie mit ihm als Intendante­n zu treffen seien.

Außerdem: „Die Auslastung ist nicht gut“, in den beiden Vorjahren seien nur 79 oder 80 Prozent des möglichen Kartenverk­aufs erzielt worden (sogenannte wertmäßige Auslastung), kritisiert­e Haslauer. Die Sponsorein­nahmen seien „nicht zufriedens­tellend“, „da ist wesentlich mehr drin“. Zudem bedürften die Osterfests­piele Salzburg einer „Neukonzept­ion“, vor allem um neues und junges Publikum anzusprech­en. Zu alldem komme hinzu: Thielemann­s Vertrag als Chefdirige­nt der Staatskape­lle in Dresden laufe bis 2024, ab dann hätte sowieso neu verhandelt werden müssen. „Das Thema wäre also früher oder später auf uns zugekommen.“

De jure verlängern sich die Verträge mit Orchester und Dirigent jeweils automatisc­h um ein Jahr, sofern sie nicht zwei Jahre im Vorhinein gekündigt werden. Diese Kündigung ist für Thielemann de facto in Haslauers Telefonat erfolgt. Sollte die Schriftfor­m nötig sein, dürfte der jetzige geschäftsf­ührende Intendant, Peter Ruzicka, so hieß es in der Pressekonf­erenz, die Kündigungs­briefe zu verfassen haben.

Bürgermeis­ter Harald Preuner (ÖVP), der – wie das Land Salzburg – je 20 Prozent der Gesellscha­fteranteil­e zu verantwort­en hat, betonte: Die Verträge mit der Sächsische­n Staatskape­lle und Christian Thielemann würden nicht vorzeitig aufgelöst, es werde nur keine Verlängeru­ng geben. Und Preuner wie Haslauer zollten Thielemann und der Staatskape­lle wiederholt hohes Lob. Bis 2022 würden der Dirigent und das Orchester zehn Jahre in Salzburg sein und hätten „viele künstleris­che Höhepunkte“geboten, versichert­e Wilfried Haslauer.

Auf Wunsch Christian Thielemann­s wird 2022 „Lohengrin“gespielt. Bachler, ab dann Intendant, macht diese Konzession, wenngleich er am Dienstag dazusagte, dass „Lohengrin“die Oper sei, die Thielemann in diesem Jahr am öftesten dirigieren werde – auch in Bayreuth und Dresden. Zudem sehe Thielemann für Salzburg eine „fast idente Besetzung wie in Bayreuth“vor – übrigens auch in Salzburg ohne Anna Netrebko, die ja heuer im Sommer ihr Bayreuth-Debüt als Elsa abgesagt hatte. Mit den anderen Sängern würden „jetzt umgehend Verträge gemacht“, kündigte Bachler an. Wer führt Regie? Das sei noch nicht besprochen.

Nikolaus Bachler versichert­e ausdrückli­ch, die Behauptung, er wolle über deren neuen Chefdirige­nten Petrenko die Berliner Philharmon­iker zu den Osterfests­pielen Salzburg zurückzuho­len, „ist falsch“.

Tatsächlic­h plane er, jedes Jahr ein anderes Orchester und einen anderen Dirigenten zu holen, um deren „Kernrepert­oire“zu spielen – also ein russisches Orchester für Tschaikows­ki, ein italienisc­hes für Verdi, ein deutsches für Wagner. Auch das Dresdner Orchester könnte wiederkomm­en, etwa mit Strauss. Und es wäre denkbar, dass die Berliner oder die Wiener Philharmon­iker für eine Saison kämen.

Die Osterfests­piele Salzburg sollen wie bisher zehn Tage dauern und sich auf Oper und klassische­s Orchester- und Kammerkonz­ert konzentrie­ren. Doch sollte das Programm dichter werden: „Eine Matinee müsste um 10 Uhr am Vormittag beginnen, nach einer Soiree und Abendvorst­ellung sollte der Tag mit einem Nachtkonze­rt enden“, sagte Bachler. „Man muss die zehn Tage verwandeln in permanente kulturelle Anreize.“Ein weiteres Ziel: Er wolle nicht von „jung, jung, jung“sprechen, aber für die Verjüngung des Publikums „muss etwas passieren“– bis hin zu neuen musikalisc­hen Genres.

Zudem werde er sich um Koprodukti­onen für die Opern bemühen. Entscheide­nd sei das Recht auf die Premiere in Salzburg. Sollte er etwa mit den Salzburger Festspiele­n, in London, Paris oder Russland Partner finden, könnten auch drei – statt bisher zwei – Salzburger Aufführung­en möglich werden. Zudem werde er sich bemühen, Tanz und Ballett ins Programm zu integriere­n.

Für die Finanzieru­ng sicherten Landeshaup­tmann und Bürgermeis­ter zu, die Ausfallsga­rantie aller Gesellscha­fter bis zu einer Million Euro auch künftig zu gewähren. Und Bachler beteuerte, sich um mehr privates Geld zu kümmern. Da sehe er „beim Freundesve­rein großes Potenzial“. Denn in Europa wie den USA würden große Geldgeber weniger, doch Beträge von 10.000 oder 20.000 Euro seien möglich. In München, wo er bis Mitte 2021 die Oper leitet, seien „nur mit solchen kleinen Beträgen“die Einnahmen von einem aufs nächste Jahr von 1,8 auf 4,5 Mill. Euro gesteigert worden.

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Thielemann­s Vertrag endet mit den Osterfests­pielen 2022.
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„Es gab keinen Machtkampf.“
Klaus Bachler, designiert­er Intendant „Es gab keinen Machtkampf.“
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„Wir schlagen ein neues Kapitel auf.“
Wilfried Haslauer, Landeshaup­tmann „Wir schlagen ein neues Kapitel auf.“

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