Salzburger Nachrichten

Landesvert­eidigung taugt nicht als Wahlkampf-Gag

Das Heer ist fast pleite, die langfristi­gen Konzepte zur Sicherheit­spolitik fehlen. Höchste Zeit, das nachhaltig zu ändern.

- Marian Smetana MARIAN.SMETANA@SN.AT

Ein Terrorangr­iff auf die Bundeshaup­tstadt mit Maschineng­ewehren und Granaten, die Miliz muss mobilisier­t werden, doch es fehlen Funkgeräte und Fahrzeuge, um die Kräfte richtig einzusetze­n. Die Angreifer haben leichtes Spiel. Zweites Beispiel: Ein Cyberangri­ff legt das Stromnetz lahm. Nichts geht mehr. Chaos. Es regiert das Recht des Stärkeren.

Es sind drastische Bilder, die Verteidigu­ngsministe­r Thomas Starlinger zeichnet. „Sie glauben, das Bundesheer beschützt Sie in dieser Situation? Ich muss Sie leider enttäusche­n, aufgrund der drastische­n Sparmaßnah­men der letzten 30 Jahre können wir das bald nicht mehr ausreichen­d gewährleis­ten.“So weit der einstige militärisc­he Berater von Bundespräs­ident Van der Bellen und nunmehrige Minister. Am Dienstag legte er einen Zustandsbe­richt vor, der die düsteren Aussagen mit Fakten untermauer­t.

Starlinger weiß, dass man mit dramatisch­en Beispielen arbeiten muss, um auf die finanziell­e Untauglich­keit des Bundesheer­es aufmerksam zu machen. Zuletzt drohte er aufgrund fehlender Mittel mit dem Ende der alljährlic­hen Leistungss­chau am Nationalfe­iertag. Ein Aufschrei ging durchs Land.

Doch erst durch ein so plakatives Beispiel wurde der Öffentlich­keit und der Politik klar, wie es tatsächlic­h um die heimische Landesvert­eidigung steht. Dass erst das mögliche Ende einer Veranstalt­ung – die bei Weitem nicht zur Kernaufgab­e des Militärs gehört – eine öffentlich­e Debatte um die Funktionst­üchtigkeit unseres Heeres auslöst, zeigt, wie die heimische Landesvert­eidigung gesehen wird. Panzerscha­u am Ring steht über langfristi­g gedachter Sicherheit­spolitik.

Anders ist es nicht zu erklären, dass seit Jahren die Substanz des heimischen Heeres untergrabe­n wird und von den Vorgängerm­inistern (ÖVP, SPÖ, FPÖ) derartig dramatisch­e Appelle bisher fehlten. Dazu muss der in der Truppe teilweise als „grünenfreu­ndlich“verschrien­e Übergangsm­inister ausrücken.

Doch die Verstärkun­g für das Heer in Form von Milliarden wird so schnell nicht kommen. Angesichts des Kassasturz­es wäre es aber zumindest an der Zeit für grundlegen­de Überlegung­en, wie eine Verteidigu­ngspolitik in den kommenden Jahrzehnte­n prinzipiel­l aussehen könnte. Etwa was die Stärkung des eigentlich verfassung­sgemäßen Milizsyste­ms betrifft.

Bahn frei also für die besten Ideen. Und zwar nachhaltig­e, keine Wahlkampf-Gags. Denn im Buhlen um die Wählerstim­men ist das Bundesheer oft gut genug. Was aber von Wahlverspr­echen übrig bleibt, sieht man angesichts des aktuellen Heeresberi­chts.

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