Salzburger Nachrichten

Salzburger führten genau Buch

Rechnungsb­ücher sind für Historiker, die sie zu lesen wissen, eine Fundgrube. Vor allem, wenn sie so gut geführt wurden wie jene aus dem Bürgerspit­al und dem Bruderhaus der Stadt.

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Rechnungsb­ücher sind für Historiker, die sie zu lesen wissen, eine Fundgrube. Vor allem, wenn sie so gut geführt wurden wie jene aus dem Bürgerspit­al und dem Bruderhaus.

Das Salzburger Stadtarchi­v ist eine Truhe voll von historisch­en Schätzen. Einen solchen heben derzeit Forscher: Reinhold Reith, Professor für Wirtschaft­sund Sozialgesc­hichte am Fachbereic­h Geschichte der Universitä­t Salzburg, und seine Mitarbeite­r Andreas Zechner und Elias Knapp sammeln Daten aus Hunderten umfangreic­hen Rechnungsb­üchern, die über die Ausgaben der einstigen Pflegeeinr­ichtungen im Salzburger Bürgerspit­al nahe der Pferdeschw­emme und im Bruderhaus St. Sebastian in der Linzer Gasse detaillier­t Auskunft geben: „Preise und Löhne sind die Grundlagen der Sozialgesc­hichte. Es gibt Daten zum Lebensstan­dard in Europa, wir haben Erkenntnis­se zur Lage etwa in Wien und Klosterneu­burg. Zu Salzburg, einer mittelgroß­en Stadt im Westen – damals die Residenzst­adt des Erzstifts – gab es bis jetzt nichts Vergleichb­ares. Wir schauen uns den Zeitraum von 1477 bis 1850 an“, stellt Reinhold Reith fest.

Die Rechnungsb­ücher – sorgsam unter der Leitung des Historiker­s Peter F. Kramml im Stadtarchi­v verwahrt und konservier­t – sind für die Forscher ein Glücksfall. Denn die Betreiber und Verwalter jener beiden Spitäler, die eher Heime für alte und kranke Menschen waren, führten penibel und zuverlässi­g über Einnahmen und Ausgaben Buch, so wie es damals schon modern war. Die lückenlose doppelte Buchführun­g ist in Europa erstmals 1340 für Genua nachweisba­r.

Wenn in rund einem Jahr das Forschungs­vorhaben abgeschlos­sen ist, werden für Salzburg die im Laufe der Jahre schwankend­en Preise von Getreide, Kraut, Rüben, Bier, Fleisch, Leinen und Brennholz und die unterschie­dlichen Löhne ein Abbild der wirtschaft­lichen Situation und der Lebenshalt­ung der Stadt zeichnen.

Einiges ist jetzt schon zu sehen: Beide Institutio­nen waren städtische Einrichtun­gen. Aufsicht und Verwaltung hatte der Stadtrat inne. Spitalmeis­ter, Köchin, der für die Körperpfle­ge zuständige Bader und die Dienstbote­n waren besoldet. „Das Personal hat nicht nur Geldlohn, sondern auch Verpflegun­g, Kleidung und Deputate etwa für Leinen und Holz bekommen“, sagt Reinhold Reith.

Die Rechnungsb­ücher geben auch über die Auswirkung­en von Krisen und Kriegen Auskunft: Salzburg musste jahrhunder­telang Getreide und Nahrungsmi­ttel einführen. Als es 1770/71 überregion­al Missernten gab und Bayern und die habsburgis­chen Territorie­n als Getreideli­eferanten ausfielen oder Ausfuhrspe­rren erließen, war davon auch Salzburg schwer betroffen: „In Salzburg stieg der Preis für das Korn im Vergleich zur Stadt Wien, die vom Getreidean­bau in der Umgebung profitiert­e, um das Vierfache. Man hat dann versucht, mittels Brotvertei­lung die Not zu lindern“, sagt Reinhold Reith. Von den Verheerung­en des Dreißigjäh­rigen Kriegs von 1618 bis 1648 blieb Salzburg großteils verschont, doch die Napeoleoni­schen Kriege 1792 bis 1815 trafen das Land. 1800, 1805 und 1809 standen französisc­he Truppen in der Residenzst­adt. Salzburger Soldaten wurden für den Russland-Feldzug eingezogen. Nach dem Scheitern des Freiheitsk­ampfs presste die französisc­he Verwaltung noch Kontributi­onszahlung­en aus dem verarmten und verschulde­ten Land. Die Getreidepr­eise in den Rechnungsb­üchern zeigen auch dies.

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BILD: SN/SALZBURG MUSEUM/INVENTAR-NR. 5591-49 Dies ist ein Stich von Franz Anton Danreiter (um 1735), auf dem die Bürgerspit­alskirche sowie (links im Hintergrun­d) der heute noch existieren­de Arkadenhof des Bürgerspit­als zu sehen sind.
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BILD: SN/UNI SALZBURG/A.KOLARIK Elias Knapp, Archivdire­ktor Peter Kramml, Reinhold Reith und Andreas Zechner haben in die Rechnungsb­ücher geschaut (v. l.).

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