Berlin ringt um Klimaschutz
Wie Deutschland die Treibhausgasemissionen senken will. Die Liste der Übereinstimmungen zwischen CDU/CSU und SPD ist lang.
Wird es Zeit für ein neues Auto oder zumindest einen neuen Kühlschrank? Müsste das Dach neu gemacht werden? Zieht es durchs Kellerfenster? Macht es die alte Ölheizung nicht mehr lang? Wer solche Fragen mit Ja beantwortet, steht zurzeit im Fokus der Großen Koalition in Berlin – und darf sich wohl bald über dicke Zuschüsse oder zumindest Rabatte bei der nächsten Steuererklärung freuen.
Deutschlands Treibhausgasausstoß soll sinken, und der Bund will mit vielen Milliarden Euro die Bürger dazu bringen, mitzumachen. Auf etwa 40 Milliarden Euro bis 2023 könnten sich die Förderprogramme und Steuernachlässe summieren, die das Klimakabinett am Freitag vorstellen soll. Aber was, wenn die Leute nicht mitziehen? Darauf gibt es bisher noch keine Antwort, über die CDU, CSU und SPD sich einig sind.
Dabei ist die Liste der Übereinstimmungen schon lang: höhere Prämie für Elektroautos, Ausbau von Ladesäulen und öffentlichem Nahverkehr, Abwrackprämie für alte Ölheizungen, bessere Förderung der Sanierung von Häusern, die Pkw-Steuer stärker nach dem CO2-Ausstoß der Autos richten, Mehrwertsteuer runter für Bahntickets, Ticketsteuer für Flüge hoch, über einen CO2-Preis Benzin und Diesel, Heizöl und Erdgas verteuern. Manches wird billiger, manches teurer. Anreize und Steuern können wirken. Müssen aber nicht.
Die Kaufprämie für E-Autos etwa hat Deutschland nicht einmal in die Nähe des Ziels von einer Million Elektro-Pkw bis 2020 gebracht. Über 20 Jahre Ökosteuer schrieb das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): „finanzund sozialpolitisch top, umweltpolitisch ein Flop“.
Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) sagte es so: „Niemand wird sich wegen dieser Beschlüsse morgen früh ein neues Auto kaufen. Niemand wird in zwei Wochen eine Entscheidung für eine neue Heizung in seinem Haus treffen.“Was tun? Neben all der Förderung brauche es auch „Ordnungsrecht“– so die Botschaft der SPD.
Umweltministerin Svenja Schulze will ab 2030 den Einbau neuer Ölheizungen verbieten. Sie bekam umgehend Gegenwind von CDUChefin Annegret Kramp-Karrenbauer: Ihre Partei setze auf eine Abwrackprämie. CDU-Umweltexperte Andreas Jung, der das Konzept seiner Partei für den Klimaschutz maßgeblich erarbeitet hat, sagt: „Wir brauchen klimafreundliche Technologien, wir wollen nicht immer mehr Verbote. Wir glauben nicht, dass Verzicht die Antwort ist.“Umweltverbände halten davon wenig. „Die Union gefällt sich darin, Geld nach dem Prinzip Hoffnung auszuschütten: Irgendwer wird schon Klimaschutz machen“, sagt etwa Ernst-Christoph Stolper vom Bund Naturschutz. Aber auch die Sozialdemokraten wollen nicht als Verbotspartei dastehen, betonen, dass erst gefördert wird, dann gefordert, und dass es sozial gerecht zugehen soll. Als Beispiel nennt Umweltministerin Schulze Mülldeponien: Acht Jahre sollen Kommunen dabei unterstützt werden, sicherzustellen, dass das Treibhausgas Methan nicht mehr austritt. „Aber danach ist es verboten.“
Was Schulze auch will: ein Klimaschutzgesetz, das Verantwortungen, Kontrollen und Sofortprogramme klar vorschreibt, wenn es beim CO2-Sparen hakt. Gegen den Entwurf gab es heftigen Widerstand bei CDU/CSU: „Öko-Planwirtschaft“, so lautet die Kritik.
Schulze kontert: Dass Schönrechnen nicht helfe, damit habe man schon Erfahrung. Was sie meint: Vor fünf Jahren hat sich die damalige schwarz-rote Koalition für ein „Aktionsprogramm Klimaschutz 2020“gefeiert, das den Weg vorzeichnen sollte zu 40 Prozent weniger Treibhausgasen bis 2020 – im Vergleich zu 1990. Auch damals ging es viel um Förderprogramme, nur wenig um Verbindlichkeit.
Es hat nicht funktioniert. Die Koalition konzentriert sich jetzt auf das 55-Prozent-Ziel für 2030.