Im Hochsteuerland geht nichts weiter
Steuereinnahmen sprudeln, Schuldenmachen kostet nichts. Ökonomen warnen die nächste Regierung vor den Verlockungen billigen Geldes.
WIEN. Knapp zwei Wochen vor der vorgezogenen Nationalratswahl haben zwei heimische Denkfabriken, Agenda Austria und EcoAustria, Tipps für die nächste Regierung vorgelegt. Die wichtigste Forderung fällt dabei ähnlich aus: die Einkommen steuerlich entlasten und das (viele) Geld, das der Staat ohnehin ausgibt, besser einsetzen.
Die Agenda Austria bedient sich, gewohnt provokativ, für ihre Empfehlungen des alten Wahlkampfslogans der SPÖ aus der Zeit von Bruno Kreisky: Leistung, Aufstieg, Sicherheit. „Jeder soll die Möglichkeit haben, mit Leistung Wohlstand und Sicherheit zu schaffen“, sagt Agenda-Chef Franz Schellhorn. Dazu brauche es aber große Reformen und eine Ausgabenbremse, damit die Ausgaben weniger stark steigen. Das Nullzinsumfeld verlocke die Politik aber dazu, einfach Geld gratis aus Frankfurt abzuholen und nichts zu tun, statt den Spielraum zu nutzen.
In erster Linie müssten Löhne und Einkommen um rund neun Mrd. Euro entlastet werden – bei insgesamt 104 Mrd. Euro Steuern und Abgaben, die heute an der Arbeit hängen, fordern die AgendaExperten. Damit würde die Belastung zumindest auf den europäischen Durchschnitt sinken. „Arbeit muss sich wieder lohnen“, sagt Schellhorn. Derzeit bleibt den Beschäftigten nur in vier anderen Länder netto noch weniger als den Österreichern. Zur Gegenfinanzierung sollte die Regierung die Zinsersparnisse nutzen (trotz gestiegener Staatsverschuldung) sowie eine Pensionsreform. Derzeit müssen aus dem Budget 20 Mrd. Euro im Jahr in das Pensionssystem zugeschossen werden – „und das ist erst der Anfang“, sagt Schellhorn. Agenda Austria fordert eine automatische Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters um zwei Monate pro Jahr bis 67 Jahre und bei Frauen um drei Monate – danach nur um die gestiegene Lebenserwartung. Österreich sei mittlerweile nach Polen das Land mit dem niedrigsten Pensionsalter für Frauen in Europa.
Weitere Empfehlungen an die nächste Koalition betreffen das intransparente Schulsystem und den Mangel an Risikokapital sowie die stärkere Selbstfinanzierung von Ländern und Gemeinden. Statt weiter zu versuchen, die Bundesländer abzuschaffen, sollten „Macht und Verantwortung zusammenrücken“. Aktuell finanzieren Länder und Gemeinden vier Prozent der Ausgaben aus eigenen Einnahmen, Ziel sollten 10 bis 15 Prozent sein, während gleichzeitig Lohn- und Einkommensteuer sinken.
Auch EcoAustria kritisiert in der jüngsten Vorwahlanalyse die hohe Abgabenbelastung der Arbeitnehmer und Unternehmen. „Jeder Österreicher zahlt kaufkraftbereinigt 16.170 Euro Abgaben pro Jahr“, konstatiert Institutsleiter Tobias Thomas. Das seien 1120 Euro mehr als in Deutschland und rund 4000 Euro mehr als im Durchschnitt der EU.
Für eine Entlastung sollte die Effizienz der öffentlichen Verwaltung gesteigert werden, fordern die Experten. Der Personal- und Sachaufwand liege in Österreich mit 822 Euro pro Jahr und Einwohner deutlich höher als etwa in Dänemark (557 Euro) oder den Niederlanden (483 Euro). Zugleich schneiden die beiden Länder im Index der Weltbank bei der Qualität der Verwaltung besser ab. Bei der Bildung erreiche Österreich ebenfalls trotz Ausgaben von 9373 Euro pro Jahr und Schüler geringere Ergebnisse im PISA-Test als etwa die Niederlande mit 8273 Euro.
„Derzeit gibt es keinen Druck.“