Wie Ministerien und Länder werben
Die Stadt Wien gibt rund 105 Mal mehr für Werbung aus als das Land Salzburg: Wieso Kampagnen von öffentlichen Stellen vor allem ein ostösterreichisches Phänomen sind. Und wie es ein Ex-Kanzler geschafft hat, den Trend auszulösen.
SALZBURG. Zwei Kampagnen würden gerade vorbereitet, schildert Franz Wieser, Sprecher des Landes Salzburg. In einer gehe es um Pflegeberufe. „Es gibt so viele verschiedene Facetten von Pflegeberufen, dass man mit klassischer Pressearbeit nicht mehr ausreichend aufklären könnte.“Deshalb würden in regional verbreiteten Medien Inserate geschaltet, die zur „Information der Bevölkerung“beitragen sollen.
Medienkampagnen öffentlicher Institutionen gehören in Österreich zum Alltag. Nicht nur die Länder schalten in TV, Radio, Print und online, sondern ebenso die Ministerien, Gemeinden oder ihre Tochterfirmen. Allein im zweiten Quartal 2019 gaben öffentliche Stellen und Betriebe 49,3 Millionen für Werbung aus. Dies belegen die vergangene Woche veröffentlichten Medientransparenzdaten. Zu den 49 Millionen kommt noch die Summe an Anzeigenpaketen, die weniger als 5000 Euro gekostet haben. Diese müssen nicht gemeldet werden.
Die Inserate seien ein „österreichisches Spezifikum“, schildert Kommunikationswissenschafter Josef Trappel. Diese gebe es in kaum einer anderen Demokratie, auch nicht in Deutschland oder der Schweiz. Die Schaltungen könnten in zwei Gattungen unterteilt werden. Zum einen in jene, die vorrangig informieren sollen, wie bei sich anbahnenden Naturkatastrophen. Zum anderen in Imagekampagnen. Etwa solche, die zeigen sollen, „wie schön Wien ist“– und meist auch indirekt Werbung für einen Politiker oder eine Partei machen. Dieser Zugang sei von Werner Faymann (SPÖ) erfunden worden, als dieser von 1994 bis 2007 Wiener Baustadtrat war. „Als Faymann Kanzler wurde, hat sich die Praxis bundesweit etabliert“, ergänzt Trappel.
Der Wiener Ursprung sei mit ein Grund dafür, wieso in der Hauptstadt ungleich stärker Inserate verteilt werden: Die Stadt Wien gab im zweiten Quartal 2019 um rund 1,1 Millionen Euro mehr für öffentliche Werbung aus als alle anderen Bundesländer zusammen. Ebenso auffällig: 2,4 Millionen flossen im vergangenen Quartal an Google und Facebook – und somit mehr als an die meisten heimischen Medienhäuser. Zudem landete Salzburg im Vergleich der Bundesländer mit Abstand auf dem letzten Platz. Die kleineren Länder Burgenland und Vorarlberg gaben fünf bzw. sieben Mal mehr aus. „Wir sind traditionell sparsam, was Werbung betrifft“, schildert Franz Wieser. Das belegen auch die Jahresauswertungen 2017 und 2018: Salzburg lag jeweils auf dem letzten Platz (mit vier Mal geringeren Ausgaben als der Vorletzte, das Land Tirol).
Um die Bevölkerung zu erreichen, setze man zum einen auf Informationsarbeit der Gemeinden, sagt Wieser. Zum anderen forciere man die „klassische Pressearbeit“. Aber müssen 550.000 Salzburger 14 Mal weniger stark informiert werden als 290.000 Burgenländer (bezogen auf die Jahresdaten 2018)? „Für uns ist der Maßstab, wie stark die Infos bei den Bürgern ankommen.“Würden öffentliche Aktionen gut wahrgenommen, habe man den passenden Zugang gewählt. Und dass das oft ohne Inserate funktioniere, sei „auch ein Kompliment für Medien wie Bürger“.
Doch wie soll man die Inserate grundsätzlich einordnen? Für Armin Mühlböck, Politikwissenschafter an der Uni Salzburg, ist den Anzeigen „ihre Informationsfunktion nicht abzusprechen“. Sogar Imagekampagnen für die Polizei, das Bundesheer oder Ministeriumsbeschlüsse seien für ihn legitim, denn auf diese Weise würde „politische Arbeit dargestellt“. Freilich würden sich solche Inserate aber „in einer Grauzone in Richtung Wahlwerbung“bewegen.
Kommunikationswissenschafter Trappel wird da deutlicher. Während sich Informationskampagnen noch rechtfertigen ließen, seien Imagekampagnen „unüblich, unerwünscht und einer Demokratie nicht würdig“. Dazu komme noch ein Aspekt: Die 171,5 Millionen Euro, die 2018 für Inserate ausgegeben wurden, machen rund 20 Mal so viel aus wie die 8,9 Millionen, die aktuell als Presseförderung ausgeschüttet werden. Dies stehe in keinem Verhältnis und gebe der Politik ein gewisses Druckmittel gegenüber Medien an die Hand.
Aber wie kann das gelöst werden? Josef Trappel spricht sich für einen transparenten Vergabeschlüssel aus, der nach demokratiepolitischen Kriterien vorgibt, wie viel Werbegeld an welches Medium fließen darf. Denn: „Wenn ein Politiker frei nach Laune entscheiden kann, dass ihm ,Heute‘ besser gefällt als die ,Krone‘, und deshalb ein paar Millionen nach links oder rechts schiebt, ist das demokratiepolitisch ein Desaster.“