Einige Lehren für die zaudernden Sondierer
Vorarlberg ist nicht Österreich. Dennoch können einige Schlüsse aus der dortigen Landtagswahl abgeleitet werden.
Alle Parteien haben sich aus der Konkursmasse der schwer geschlagenen Freiheitlichen bedient, alle außer den Freiheitlichen haben ein Plus vor dem Ergebnis und ein zusätzliches Landtagsmandat. Das ist das Ergebnis der Vorarlberger Landtagswahl. Und wenngleich es unzulässig wäre, das Wahlverhalten von knapp 250.000 Menschen eins zu eins auf die hiesige Innen- und Bundespolitik umzulegen, können doch einige Schlüsse aus der Landtagswahl in Österreichs Westen abgeleitet werden.
Deren erster und – angesichts der anlaufenden Koalitionsgespräche in Wien – wichtigster: Die These, dass in einer Koalition zweier größenmäßig ungleicher Partner der Größere den Kleineren zwangsläufig zu Tode umarmt, ist falsch. Die Vorarlberger Grünen hatten 2014 die Koalition mit der zweieinhalb Mal so großen ÖVP gewagt. Anders als viele glaubten, konnten sie ihr Profil schärfen und merkbare Initiativen in der Sozial-, Bildungs- und vor allem Verkehrspolitik setzen. Im dicht besiedelten Rheintal und im Walgau verkehrt nun die Bahn im 15-Minuten-Takt, die entlegeneren Regionen sind mit einem klug durchgetakteten Bussystem erschlossen, und das alles um 365 Euro pro Jahr: Das ergab eine herzeigbare grüne Regierungsbilanz, die von den Wählern honoriert wurde. Dass die dominierende Vorarlberger ÖVP zwar auch zulegte, aber weit weniger als erwartet, ist enttäuschend für den schwarzen Landeshauptmann. Mag sein, dass dies sogar die schwarz-grüne Zusammenarbeit gefährdet, weil sich die Ländle-ÖVP nach einem streichelweicheren Koalitionspartner sehnen könnte. Dennoch: Die zaudernden Sondierer in Wien werden registrieren, dass die Zusammenarbeit von ÖVP und Grünen eine Erfolgsgeschichte sein kann.
Der zweite Schluss, den die Vorarlberger Wahl nahelegt, lautet: Eine Koalition funktioniert, wenn die Spitzenleute Vertrauen zueinander besitzen. Zwischen dem schwarzen LH Markus Wallner und seinem grünen Kompagnon Johannes Rauch ist dieses Vertrauen vorhanden. Zwischen der ÖVP Sebastian Kurz’ und den Grünen Werner Koglers besteht noch erheblicher Nachholbedarf. Das notwendige Vertrauen betrifft nicht nur die persönliche, sondern auch die politische Ebene: Jeder der beiden Koalitionspartner muss dem anderen die notwendigen Spielräume lassen, keiner der beiden darf in die Ressorts des anderen hineinregieren. Dann kann es funktionieren. In Vorarlberg, wo bald eine neue Regierung angelobt werden wird, und in Rest-Österreich, wo man noch monatelang sondieren wird.