Wenn das gläserne Konto Türen öffnet
Kann sich ein Mieter die Wohnung leisten? Diese Frage beantwortet Maklern ein Wiener Start-up – nach einem Blick auf den Kontostand. Der KSV steigt jetzt ein.
Wofür gibt jemand Geld aus? Wo kauft er ein? Wie hoch ist das Einkommen? Bankinformationen sind ein wahrer Datenschatz. Und den wollen Finanz-Start-ups nutzen – und darauf aufbauend praktische Dienste anbieten. Möglich macht das unter anderem die EU-Finanzdiensterichtlinie PSD2, die den Banken seit Mitte September standardisierte, offene Schnittstellen vorschreibt. Das heißt: Wenn der Kunde das will, muss die Bank seine Kontodaten Drittanbietern zur Verfügung stellen. Ein heimisches Start-up, das das nützt, ist Fincredible. Es bietet Bonitätsprüfungen auf Basis persönlicher Kontodaten an. Das überzeugt auch jene, die schon viel länger in dem Geschäft mit der Kreditwürdigkeit aktiv sind: Der KSV1870 ist bei Fincredible eingestiegen und beteiligt sich mit 25,1 Prozent. Über die Höhe der Summe wurde Stillschweigen vereinbart.
Angefangen hat Fincredible mit „Miet-Checks“: Anstatt dem künftigen Vermieter – wie es derzeit oft verlangt wird – den Lohnzettel vorzulegen, soll das Start-up zwischengeschalten werden. „Ein Vermieter oder Makler gibt bei uns eine Bonitätsprüfung in Auftrag. Der Interessent, der die Wohnung mieten will, bekommt daraufhin eine Nachricht und muss seine Zustimmung geben, damit wir Zugriff auf die Bankdaten erhalten“, erklärt Mitgründer Christian Ochs. Er legt Wert darauf, dass die Daten nur verarbeitet – und nicht direkt an den Vermieter weitergegeben werden. „Wir geben nur wenige relevante Informationen an die Makler weiter. Nämlich beispielsweise ob das Einkommen ausreicht, und nicht den genauen Kontostand.“Die Bankdaten würden nicht gespeichert, sondern nach der Bonitätsprüfung gelöscht. Durch den Einstieg des KSV werde es auch nicht zum gegenseitigen Austausch von Daten der Nutzer kommen. „Wir werden Bankdaten sicher nicht ungefragt übermitteln oder verkaufen. Das dürften wir auch gar nicht“, erklärt Ochs.
Neue Anwendungsmöglichkeiten entwickelt Fincredible derzeit. „Wir sehen die Open-BankingSchnittstellen auch als Startschuss,
um in weitere Märkte zu gehen, etwa im Bereich E-Commerce“, sagt Ochs. Hier hat man auch schon ein Angebot gestartet. Über die Plattform des Wiener Start-ups Refurbed können Nutzer reparierte Gebrauchtgeräte kaufen. Fincredible prüft dabei, ob sich der Kunde das Handy oder den Laptop auch wirklich leisten kann. „Wir machen den Bonitätscheck und prüfen, ob die Zahlungsfähigkeit des Kunden ausreicht, um ihm ein teures Endgerät zur Verfügung zu stellen.“Vorteile habe das für alle Seiten: Der Verkäufer habe Gewissheit, dass der Kunde zahle. Der Käufer wiederum könne den Vertrag sofort abschließen.
Konsumentenschützer raten indes, nicht leichtfertig mit der Freigabe von Kontodaten umzugehen. Bernd Lausecker vom Verein für Konsumenteninformation rät etwa, Bequemlichkeit und Risiko abzuwägen – und sich den jeweiligen Drittanbieter, dem man die Daten anvertraut, genau anzusehen.
Die neue Open-Banking-Richtlinie erleichtert es Fintechs in Europa jedenfalls, ihre Angebote auch grenzüberschreitend anzubieten.
Durch PSD2 erwarten Experten in diesem Bereich einen Schub. Gerade deutsche Start-ups strecken ihre Fühler nach Österreich aus. Eines davon ist Finanzguru. Die App, in die auch die Deutsche Bank investiert hat, soll im kommenden Jahr auch in Österreich verfügbar sein. Der Finanzassistent gibt Nutzern einen Überblick über die eigenen Verträge und Finanzen, berechnet den wahrscheinlichen Kontostand zum Monatsende oder gibt anhand der bestehenden Verträge Spartipps. „Open Banking bedeutet, dass ich als Kunde meine Daten mitnehmen kann. Beispielsweise, um sie in Apps ausgewählter Partner zu nutzen“, sagt Joris Hensen, einer der Leiter des Open-Banking-Programms der Deutschen Bank. Sie ist mit ihrer digitalen Schnittstelle bereits 2016 gestartet. Fintechs sehe man nicht als Konkurrenz, sondern als Chance. „Es gibt sehr gute Unternehmen, die eine starke Kompetenz in der Nische haben. Wir bringen die Kundenreichweite mit, bauen an einem Plattformgeschäft und bieten neben den eigenen Produkten wie im Supermarktregal auch jene von Partnern an.“
„Wir werden Daten nicht ungefragt übermitteln oder verkaufen.“