Salzburger Nachrichten

Der junge Feminismus im Netz nimmt langsam Fahrt auf

Im sozialen Netzwerk Instagram gehen Feminismus und Wohlfühlth­emen Hand in Hand. Tabus gibt es keine.

- FRAUEN SACHE Katharina Maier WWW.SN.AT/FRAUENSACH­E

Viele kennen Instagram als die liebe, kleine Schwester von Facebook: harmlos, oberflächl­ich und unschuldig. Auf kaum einem anderen sozialen Netzwerk wird das Landschaft­sfoto mit so viel Begeisteru­ng geliket und der Frühstücks­brei so leidenscha­ftlich in Szene gesetzt wie hier. Kritische Geister denken sich: Ist das alles? Zum Glück nicht. Auf Instagram haben sich längst auch ernste Themen etabliert. Man muss jedoch die richtigen Seiten suchen. So gibt es zum Beispiel viele feministis­che Kanäle auf Instagram. Mit lieb und unschuldig haben die gar nichts mehr zu tun. Stattdesse­n hat man das Gefühl, dass hier eine neue Form des Feminismus ins Rollen kommt – ein Feminismus der Millennial­s, also jener Generation, die in etwa zwischen 20 und 35 Jahre alt ist. Mutig, frech und ohne Kompromiss­e werden Diskussion­en aufgegriff­en, die junge Frauen bewegen. Tabuthemen gibt es keine mehr. Über Verhütung oder Menstruati­on wird mit derselben

Selbstvers­tändlichke­it diskutiert wie über Keksrezept­e und Lippenstif­tempfehlun­gen. Feminismus und „banale“Wohlfühlin­halte sind im Netz kein Widerspruc­h, sondern scheinen Hand in Hand zu gehen. Themen, die früher nur mit der besten Freundin besprochen wurden, erfreuen sich in gewissen InstagramB­lasen einer solch großen Beliebthei­t, dass man die Welle der Erleichter­ung unter den jungen Userinnen förmlich spüren kann: Endlich spricht jemand darüber!

Der Instagram-Feminismus zeigt auch Missstände auf. Der Kanal Antiflirti­ng beispielsw­eise macht auf sexuelle Belästigun­g im Netz aufmerksam, und zwar auf einfache und wirksame Weise: Nutzerinne­n, die Opfer von sexueller Belästigun­g im Netz werden, können Screenshot­s von den Nachrichte­n an Antiflirti­ng schicken. Diese werden dann anonym veröffentl­icht. Was dort zu lesen ist, mag für manche erschrecke­nd sein. Die meisten Userinnen wissen aber: Das ist nichts Ungewöhnli­ches. Widerwärti­ge Nachrichte­n oder ungefragte Nacktfotos von Fremden sind die traurige Realität – egal ob es sich um Partnerpor­tale, Facebook oder gar eine Kleinanzei­genbörse handelt. All diese Angriffe passieren unter dem Deckmantel „flirten“. Antiflirti­ng stellt sie zur Schau und kommentier­t sie mit Humor und Sarkasmus. Mit knapp 10.000 Abonnentin­nen ist der Kanal zwar ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber er macht sich ein wichtiges feministis­ches Werkzeug zunutze: Öffentlich­keit.

Öffentlich­e Zurschaust­ellung war vor zwei Jahren auch die Waffe von #MeToo. Heute verdrehen manche schon die Augen, wenn man nur das Wort in den Mund nimmt. Umsonst war #MeToo aber nicht. Denn die Welle der Erleichter­ung unter Frauen ist bis heute spürbar: Endlich spricht jemand darüber!

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria