Der junge Feminismus im Netz nimmt langsam Fahrt auf
Im sozialen Netzwerk Instagram gehen Feminismus und Wohlfühlthemen Hand in Hand. Tabus gibt es keine.
Viele kennen Instagram als die liebe, kleine Schwester von Facebook: harmlos, oberflächlich und unschuldig. Auf kaum einem anderen sozialen Netzwerk wird das Landschaftsfoto mit so viel Begeisterung geliket und der Frühstücksbrei so leidenschaftlich in Szene gesetzt wie hier. Kritische Geister denken sich: Ist das alles? Zum Glück nicht. Auf Instagram haben sich längst auch ernste Themen etabliert. Man muss jedoch die richtigen Seiten suchen. So gibt es zum Beispiel viele feministische Kanäle auf Instagram. Mit lieb und unschuldig haben die gar nichts mehr zu tun. Stattdessen hat man das Gefühl, dass hier eine neue Form des Feminismus ins Rollen kommt – ein Feminismus der Millennials, also jener Generation, die in etwa zwischen 20 und 35 Jahre alt ist. Mutig, frech und ohne Kompromisse werden Diskussionen aufgegriffen, die junge Frauen bewegen. Tabuthemen gibt es keine mehr. Über Verhütung oder Menstruation wird mit derselben
Selbstverständlichkeit diskutiert wie über Keksrezepte und Lippenstiftempfehlungen. Feminismus und „banale“Wohlfühlinhalte sind im Netz kein Widerspruch, sondern scheinen Hand in Hand zu gehen. Themen, die früher nur mit der besten Freundin besprochen wurden, erfreuen sich in gewissen InstagramBlasen einer solch großen Beliebtheit, dass man die Welle der Erleichterung unter den jungen Userinnen förmlich spüren kann: Endlich spricht jemand darüber!
Der Instagram-Feminismus zeigt auch Missstände auf. Der Kanal Antiflirting beispielsweise macht auf sexuelle Belästigung im Netz aufmerksam, und zwar auf einfache und wirksame Weise: Nutzerinnen, die Opfer von sexueller Belästigung im Netz werden, können Screenshots von den Nachrichten an Antiflirting schicken. Diese werden dann anonym veröffentlicht. Was dort zu lesen ist, mag für manche erschreckend sein. Die meisten Userinnen wissen aber: Das ist nichts Ungewöhnliches. Widerwärtige Nachrichten oder ungefragte Nacktfotos von Fremden sind die traurige Realität – egal ob es sich um Partnerportale, Facebook oder gar eine Kleinanzeigenbörse handelt. All diese Angriffe passieren unter dem Deckmantel „flirten“. Antiflirting stellt sie zur Schau und kommentiert sie mit Humor und Sarkasmus. Mit knapp 10.000 Abonnentinnen ist der Kanal zwar ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber er macht sich ein wichtiges feministisches Werkzeug zunutze: Öffentlichkeit.
Öffentliche Zurschaustellung war vor zwei Jahren auch die Waffe von #MeToo. Heute verdrehen manche schon die Augen, wenn man nur das Wort in den Mund nimmt. Umsonst war #MeToo aber nicht. Denn die Welle der Erleichterung unter Frauen ist bis heute spürbar: Endlich spricht jemand darüber!