Salzburger Nachrichten

Die Wähler erwarten jetzt Lösungen

- Marian Smetana MARIAN.SMETANA@SN.AT

Die Österreich­er sind geduldig. 40 Tage nach der Nationalra­tswahl sind nun die Sondierung­sgespräche – also das Kennenlern­en vor Koalitions­verhandlun­gen – zwischen ÖVP und Grünen zu Ende. Falls die grüne Basis die Rolle als Juniorpart­ner unter dem bislang von ihr scharf kritisiert­en Sebastian Kurz annimmt und die ÖVPGranden aus Bünden und Ländern einer möglichen Koalition mit den Ökos zustimmen, können die Regierungs­verhandlun­gen starten. Die Wähler haben bisher das Ausloten und gegenseiti­ge Beschnuppe­rn der beiden Parteien geduldig beobachtet. Laut Umfragen gewinnt eine mögliche ÖVP-GrünenRegi­erung an Beliebthei­t. Trotz langer Sondierung­en. Doch jeder Geduldsfad­en reißt einmal.

Jetzt muss es schneller gehen. Man kann nur hoffen, dass es bei den Sondierung­en im stillen Kämmerlein schon um handfeste Inhalte ging. Während am Freitag die Marathonso­ndierungen ins Finale gingen, zeigten Klimademon­stranten vor den Wiener Verhandlun­gsräumen, dass die Zeit drängt. Nicht nur bei der Klimakrise ist Eile geboten. Das Pflegesyst­em muss reformiert werden, das Militär liegt darnieder, die Justiz ächzt, die globale Wirtschaft wankt, der Migrations­druck steigt. Die Wähler warten auf Lösungen.

Auf das beharrlich­e Schweigen der beiden Parteichef­s Kurz und Kogler sollten nun transparen­te Verhandlun­gen folgen. Denn das politische Experiment stößt bei manchen auf Skepsis, die es weitgehend auszuräume­n gilt. Immerhin geht es um eine Regierung für uns alle.

Dass so lange vertrauens­bildende Sondierung­en unter Ausschluss der Öffentlich­keit notwendig sind, ist ein Armutszeug­nis für die politische Kultur in diesem Land. Zu gering ist das Vertrauen zwischen den politische­n Bewerbern, zu groß ist die Angst vor ständigen Zurufen aus den eigenen Reihen.

Die Parteien könnten aber zumindest eine Lehre aus der aktuellen Situation ziehen: In den Wahlkämpfe­n sollte nicht das komplette Porzellan zerschlage­n werden – man könnte es bei den langen Sitzungen am Verhandlun­gstisch noch brauchen.

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