Die Wähler erwarten jetzt Lösungen
Die Österreicher sind geduldig. 40 Tage nach der Nationalratswahl sind nun die Sondierungsgespräche – also das Kennenlernen vor Koalitionsverhandlungen – zwischen ÖVP und Grünen zu Ende. Falls die grüne Basis die Rolle als Juniorpartner unter dem bislang von ihr scharf kritisierten Sebastian Kurz annimmt und die ÖVPGranden aus Bünden und Ländern einer möglichen Koalition mit den Ökos zustimmen, können die Regierungsverhandlungen starten. Die Wähler haben bisher das Ausloten und gegenseitige Beschnuppern der beiden Parteien geduldig beobachtet. Laut Umfragen gewinnt eine mögliche ÖVP-GrünenRegierung an Beliebtheit. Trotz langer Sondierungen. Doch jeder Geduldsfaden reißt einmal.
Jetzt muss es schneller gehen. Man kann nur hoffen, dass es bei den Sondierungen im stillen Kämmerlein schon um handfeste Inhalte ging. Während am Freitag die Marathonsondierungen ins Finale gingen, zeigten Klimademonstranten vor den Wiener Verhandlungsräumen, dass die Zeit drängt. Nicht nur bei der Klimakrise ist Eile geboten. Das Pflegesystem muss reformiert werden, das Militär liegt darnieder, die Justiz ächzt, die globale Wirtschaft wankt, der Migrationsdruck steigt. Die Wähler warten auf Lösungen.
Auf das beharrliche Schweigen der beiden Parteichefs Kurz und Kogler sollten nun transparente Verhandlungen folgen. Denn das politische Experiment stößt bei manchen auf Skepsis, die es weitgehend auszuräumen gilt. Immerhin geht es um eine Regierung für uns alle.
Dass so lange vertrauensbildende Sondierungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit notwendig sind, ist ein Armutszeugnis für die politische Kultur in diesem Land. Zu gering ist das Vertrauen zwischen den politischen Bewerbern, zu groß ist die Angst vor ständigen Zurufen aus den eigenen Reihen.
Die Parteien könnten aber zumindest eine Lehre aus der aktuellen Situation ziehen: In den Wahlkämpfen sollte nicht das komplette Porzellan zerschlagen werden – man könnte es bei den langen Sitzungen am Verhandlungstisch noch brauchen.