Salzburger Nachrichten

Hochwasser im Land des Nichtwisse­ns

- Bernhard Flieher WWW.SN.AT/FLIEHER

„Offiziell mehr Teilnehmer am öffentlich­en Gespräch denn je können immer weniger jenen Fakten vertrauen, die sie in immer größerer Zahl zur Verfügung haben“, sagte Armin Thurnher, Chefredakt­eur des „Falter“, bei der Wiener Buchmesse. Sprich: Immer mehr reißen die Papp’n zu allem auf, ohne irgendetwa­s von allem zu wissen. „Scio me nihil scire“, hieß es einmal. Aber Weisheiten der Antike sind halt so was von irgendwann, wenn einem schon das Gestern im sekündlich­en InfoRausch vorkommt, als wär’s Jahrzehnte her. Einerseits Überforder­ung durch die Menge sogenannte­r News, anderersei­ts Betrug auf den neuen digitalen Verteilung­skanälen. Da können die Fakten ja noch so einwandfre­i sein, wenn Facebook, Insta und andere Weglagerer des Info-Pfads nicht wollen, dass Fakten ankommen, kommen sie nicht an. Dafür wird, wo sich der eindimensi­onale InfoFluss ohnehin staut, noch mehr vom Gleichen angeschwem­mt an die Ränder, die Biotop der Leerplappe­rer und Wutschnaub­er sind. In der Mitte ist nichts mehr. An den Ufern links und rechts der Nachdenkli­chkeit hochwasser­t das Radikale. Immer schneller. Immer mehr. Die Dialektik im Informatio­nsfluss besagt: Alles und immer da. Alles und immer sind halt kein Gegensatzp­aar, das den Diskurs antreibt. Lou Reed sang einst: „Don’t believe half of what you see and none of what you hear.“Nach den vielen Jahren, die Sie die Kolumne kennen, ahnen Sie’s: Hier gibt es nichts zu sehen und zu hören. Keine Wahrheit, bloß ein bisschen was zu lesen und das alte, Herrn Sokrates zugeschrie­bene Geständnis als Grundlage: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“

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