Hochwasser im Land des Nichtwissens
„Offiziell mehr Teilnehmer am öffentlichen Gespräch denn je können immer weniger jenen Fakten vertrauen, die sie in immer größerer Zahl zur Verfügung haben“, sagte Armin Thurnher, Chefredakteur des „Falter“, bei der Wiener Buchmesse. Sprich: Immer mehr reißen die Papp’n zu allem auf, ohne irgendetwas von allem zu wissen. „Scio me nihil scire“, hieß es einmal. Aber Weisheiten der Antike sind halt so was von irgendwann, wenn einem schon das Gestern im sekündlichen InfoRausch vorkommt, als wär’s Jahrzehnte her. Einerseits Überforderung durch die Menge sogenannter News, andererseits Betrug auf den neuen digitalen Verteilungskanälen. Da können die Fakten ja noch so einwandfrei sein, wenn Facebook, Insta und andere Weglagerer des Info-Pfads nicht wollen, dass Fakten ankommen, kommen sie nicht an. Dafür wird, wo sich der eindimensionale InfoFluss ohnehin staut, noch mehr vom Gleichen angeschwemmt an die Ränder, die Biotop der Leerplapperer und Wutschnauber sind. In der Mitte ist nichts mehr. An den Ufern links und rechts der Nachdenklichkeit hochwassert das Radikale. Immer schneller. Immer mehr. Die Dialektik im Informationsfluss besagt: Alles und immer da. Alles und immer sind halt kein Gegensatzpaar, das den Diskurs antreibt. Lou Reed sang einst: „Don’t believe half of what you see and none of what you hear.“Nach den vielen Jahren, die Sie die Kolumne kennen, ahnen Sie’s: Hier gibt es nichts zu sehen und zu hören. Keine Wahrheit, bloß ein bisschen was zu lesen und das alte, Herrn Sokrates zugeschriebene Geständnis als Grundlage: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“