Salzburger Nachrichten

„Musik – Heimat in mir“

Eine Kirchenglo­cke, eine stark befahrene Straße oder auch einfach nur Stille. Heimat kann viele Klänge haben, die einen auch in der Ferne wieder zurückhole­n. Bei den Dialogen spielt der Klang eine große Rolle.

- LS

Kann Heimat klingen und wenn ja, wie? Wem sich diese Frage stellt, dem sei der 30. November ans Herz gelegt. Denn während der gesamten Dialoge wird Heimat kaum vielfältig­er hörbar sein. Im Falle Fazil Says hat die eingangs gestellte Frage fast ein ganzes Schaffen beeinfluss­t und das, obwohl zum Thema Heimat zwei Herzen in der Brust des türkischen Ausnahmeko­mponisten und Pianisten schlagen.

Lang hat er es nie ohne seine Heimat, die Türkei, ausgehalte­n, auch wenn er sich immer wieder öffentlich kritisch über die Politik und Religion seines Landes äußert, z. B. auf Twitter, aber auch in seinen Kompositio­nen. Schon als junger Klaviersch­üler lernte er Geschichte­n in Form von Musik wiederzuge­ben, als Erwachsene­r versucht er zu verstehen, welche Geschichte­n die Komponiste­n erzählen wollten, die er weltweit auf den großen Bühnen spielt. Seinem eigenen Unmut über die politische­n Unruhen in Istanbul und die Proteste gegen Erdoğan im GeziPark 2013 machte er im Zyklus „Gezi Park 1–3“Luft. Bei der „Großen Fazil-Say-Nacht“wird das letzte Werk daraus gegeben, das mit seinem Gesangspar­t, einer wortlos klagenden Ballade für Mezzosopra­n und Klavier, eine Sonderstel­lung im Zyklus einnimmt.

Der Fazil-Say-Nacht voraus geht es etwas in sich gekehrter, wenngleich nicht weniger brillant mit der „Ägyptische­n Meditation“von Frank Stadler und Hossam Mahmoud. In „Der Atem der Reinheit“treten Ägypten mit Österreich und die Violine mit der Oud, einer Schalenhal­slaute, in Dialog. Der in Kairo geborene österreich­ische Komponist Mahmoud ist auf der Suche nach zwei wesentlich­en Dingen des Lebens, dem Atem und der Reinheit, zu den verschiede­nen Schulen der Sufis in Ägypten gegangen. In dieser uralten Lehre ist der Begriff vor allem mit Freiheit gleichzuse­tzen. Die Freiheit, das Gehörte vor dem Hintergrun­d eigener Assoziatio­nen und Erfahrunge­n zu denken, werden der Komponist und der erste koordinier­te Konzertmei­ster des Mozarteumo­rchesters, Frank Stadler, im Wiener Saal geben.

Von Ländern im Dialog zu Musik im Dialog. Denn nur ein guter Dialog macht Musik für jene erfahrbar, denen vielleicht gerade zeitgenöss­ische Musik wie ein spanisches Dorf auf der musikalisc­hen Landkarte vorkommt. In acht verschiede­nen Workshops können Jugendlich­e mit spielerisc­hem Ernst den Begriffen „Heimat und Exil“mit Wort und Musik neue Perspektiv­en entlocken und am Ende vielleicht besser verstehen. Im besten Fall entsteht aus dieser Erfahrung eines Tages ein Werk wie Fazil Says „Gezi Park“, doch für den Anfang reicht ein Konzert, in dem die jungen Menschen ihre Erkenntnis­se aus den Workshops und ihre künstleris­chen Standpunkt­e hörbar machen.

Das Konzert „Musik – Heimat in mir“am 29. November mit dem Ensemble Mini wird außerdem von einigen Teilnehmen­den moderiert, ehe mit Benjamin Schmid am Abend ein echter Salzburger Local Hero auf der Bühne steht, der zwar in Wien geboren wurde, Salzburg aber mittlerwei­le zu seiner Wahlheimat gemacht hat.

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BILD: SN/MARCO BORGGREVE Fazil Say

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