38 Personen gingen nach Syrien zum „Islamischen Staat“
Wieder findet in Graz ein Dschihadistenprozess statt. Diesmal stehen Mitglieder des Vereins Taqwa im Mittelpunkt. Sie sollen die Ideologie „des IS in Graz gelebt haben“, sagt der Staatsanwalt.
Graz ist die Hochburg der Dschihadistenprozesse. Am Freitag startete erneut eine Gerichtsverhandlung. 13 Personen wird vorgeworfen, sich für die Terrororganisation „Islamischer Staat“eingesetzt zu haben. Warum die Prozesse hauptsächlich in der steirischen Landeshauptstadt stattfinden? „Die radikalen islamischen Prediger ziehen von Moschee zu Moschee. Wenn es einen Konnex nach Graz gibt, werden wir aktiv“, erklärt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Graz. Und was ist mit den Staatsanwaltschaften in anderen Bundesländern, wo die Prediger ebenfalls auftreten? „Da müssen Sie die Kollegen fragen“, lautet die Antwort.
Der Staatsanwalt ließ es am Freitag jedenfalls nicht an offenen Worten fehlen. Es gehe nicht um die Religion Islam, es gehe um die politische Ideologie des Islamismus, sagte er. Die beiden hauptangeklagten Prediger, von denen nur einer vor Gericht erschienen ist – der andere hat sich nach Malaysia abgesetzt –, hätten, unterstützt von den Mitangeklagten, von Wien und Graz aus die Errichtung eines weltweiten Kalifats des „Islamischen Staats“unterstützt. In Wien habe die Politik über Jahre dem Treiben tatenlos zugesehen, es als Folklore abgetan, sagte der Staatsanwalt.
In Graz wiederum hätten 2008 abwertende Bemerkungen der später dafür verurteilten ehemaligen FPÖ-Politikerin Susanne Winter über den Propheten Mohammed dazu geführt, dass Muslime den Verein Taqwa gründeten. Ein Verein, der den Koran streng bis radikal auslegt, aus seiner Sicht Ungläubige nach islamischem Recht bestraft und Kinder indoktriniert, etwa mit einem Kinderlied, wonach ein Kalifat von Medina bis Graz errichtet werden soll. Vorgeworfen wird den Angeklagten deshalb, dass sie eine terroristische Vereinigung, eine kriminelle Vereinigung und eine staatsfeindliche Verbindung unterstützt haben.
38 Personen aus dem Umfeld des Taqwa-Vereins gingen nach Syrien, um sich der Terrororganisation
„Islamischer Staat“(IS) anzuschließen. Die erste Gruppe Auswanderer kehrte nicht zurück, ihre Spur hat sich teilweise verloren, möglicherweise wurden die Personen auch getötet, erzählte der Staatsanwalt. „Das Milieu, in dem das entsteht, muss genau angeschaut werden, und das tun wir“, betonte er.
Im Verein Taqwa habe man nichts anderes getan, „als die Ideologie des IS in Graz zu leben“. Auch in Wien konnten die IS-Anhänger in ihrer eigenen Schule ihre T-Shirts tragen oder die Fahne bei einer Demonstration mitführen. „Es ist erschreckend, wenn man sich das anschaut“, prangerte der Ankläger an. „Die ganze falsche Toleranzpolitik ist eine Politik der Feigheit“, war der Staatsanwalt überzeugt. Man könne sich nicht auf die „spießbürgerliche Position zurückziehen, dass es in Österreich noch keinen IS-Anschlag gegeben hat“.
Nach dem Staatsanwalt waren die Verteidiger am Wort. Die Angeklagten fühlten sich in keiner Weise schuldig. „Mein Mandant hat nie jemanden radikalisiert oder bestärkt, nach Syrien zum IS zu gehen“, betonte der Anwalt des hauptangeklagten Predigers. Das sei in jedem Fall „eine autonome Lebensentscheidung gewesen“, war der Verteidiger überzeugt. „Die Anklage ist auf 300 Seiten aufgeblasen worden“, kritisierte einer seiner Kollegen. Man hätte sie „auf 30 Seiten zusammenbringen können“, meinte ein anderer.