Dürfen wir Stasi spielen?
Umstrittene Dokumentation. Darf man Polizisten beim Einsatz filmen? Und ist es erlaubt, die Aufnahmen im Internet hochzuladen?
Seit nunmehr etwas mehr als einem halben Jahr filmt die österreichische Polizei manche Einsätze mit Körperkameras, sogenannten Bodycams. Aber auch Zivilisten greifen immer öfter zum Smartphone, um das Einschreiten der Exekutive zu dokumentieren.
Nicht selten landen die verwackelten Videoschnipsel dann anschließend im Internet, auch bei den Ausschreitungen am vergangenen Wochenende am Salzburger Rudolfskai war das der Fall. Ist das Mitfilmen von Amtshandlungen überhaupt legal?
Mit dieser Frage hat sich unlängst der Oberste Gerichtshof (OGH) beschäftigt: Geklagt hatte ein Polizeibeamter, der während eines Einsatzes gefilmt wurde. Gerichtsvollzieher, die bei einem Unternehmer eine Fahrnisexekution vollziehen sollten, hatten die Polizei zur Unterstützung hinzugezogen, wobei die einschreitenden Beamten teils maskiert, teils unmaskiert waren. Auch die Spezialeinheit Cobra war vor Ort. Vom Vollzug völlig überrascht, bat der Geschäftsmann seine Frau – sie war damals im Unternehmen als Büroangestellte beschäftigt –, alles mit dem Mobiltelefon zu dokumentieren, was diese auch tat. Noch am selben Tag wurde das Videomaterial im Internet bei YouTube hochgeladen und unbeschränkt veröffentlicht. Auf dem Mitschnitt war auch der besagte Polizist zu erkennen, der sich gegen die aus seiner Sicht unzulässige Aufnahme mittels Unterlassungsklage zur Wehr setzte. Er fühlte sich in seinen Persönlichkeitsrechten und in seinem Recht am eigenen Bild verletzt.
Die beklagte Frau des Unternehmers wähnte sich im Recht und weigerte sich, die geforderte Unterlassungserklärung abzugeben. Es folgte ein jahrelanger Rechtsstreit, der in letzter Instanz vor dem Höchstgericht endete – mit einem rechtlich interessanten, aber nicht besonders überraschenden Ausgang. Grundsätzlich gilt nämlich: Wer andere filmt, braucht dafür in der Regel keine Zustimmung des Abgelichteten. Nur in Ausnahmefällen, wenn beispielsweise das Filmen zur reinen Belustigung, Belästigung oder Bloßstellung des Gegenübers erfolgt, kann auch bereits das Anfertigen eines Videos rechtswidrig sein und die Privatsphäre verletzen. Es kommt also immer auf den konkreten Zweck der Aufnahme an.
Mit dem Video sollte im gegenständlichen Fall der Ablauf der Amtshandlung vorwiegend zu Beweiszwecken dokumentiert werden.
Zutreffend ging das Gericht daher davon aus, dass das Mitfilmen selbst nicht die Privat- oder Geheimsphäre des Polizisten verletzt hatte. Schließlich wurde der Beamte anlässlich einer Amtshandlung, also in der Ausübung seines Berufs gefilmt – eine Herabwürdigung oder unzumutbare Bloßstellung sei damit nicht verbunden gewesen, so der
OGH. Und selbst der Umstand, dass dem Polizisten das Filmen möglicherweise unangenehm war, begründet für sich noch keinen Eingriff in seine geschützten Interessen, zumal primär der Polizeieinsatz und nicht gezielt der betroffene Polizist gefilmt wurde.
Beim Filmen einer Amtshandlung sei das Ablichten der einschreitenden Polizisten unvermeidlich, führte das Höchstgericht in seiner Urteilsbegründung weiter aus. Der Zweck des Filmens, konkret das Dokumentieren der Amtshandlung, könnte nämlich nicht erreicht werden, wenn die Kamera ständig nur in Richtung des Fußbodens gerichtet sein müsste, um identifizierende Aufnahmen der Polizisten zu verhindern. Bei der beklagten Gattin des Unternehmers habe es sich auch nicht um eine unbeteiligte Dritte oder eine Gafferin gehandelt, die nur zur Befriedigung der Sensationslust gefilmt habe. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist der Hinweis im Urteil, dass die Staatsgewalt bei einem hoheitlichen Einsatz mit Zwangsgewalt Filmaufnahmen akzeptieren müsse, zumal dadurch auch ein gewisser präventiver Effekt gegen allfällige rechtswidrige Übergriffe erreicht werde. Es gab also aus Sicht des Gerichts berechtigte Gründe für die Aufnahme, weshalb das Filmen selbst erlaubt war.
Hingegen wertete das Höchstgericht die anschließende Veröffentlichung des Videos im Internet als unzulässig: Der Polizist sei durch die Verbreitung im Netz einer breiten Öffentlichkeit vorgeführt worden. Damit verbunden sei eine Art Prangerwirkung, bei der eine Bloßstellung nicht ausgeschlossen werden könne. Darüber hinaus wurde der Beamte namentlich genannt und damit identifiziert. Im konkreten Fall fehlte auch ein besonderes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit. Der Klage des Polizisten wurde stattgegeben.