Salzburger Nachrichten

Dürfen wir Stasi spielen?

Umstritten­e Dokumentat­ion. Darf man Polizisten beim Einsatz filmen? Und ist es erlaubt, die Aufnahmen im Internet hochzulade­n?

- STEPHAN KLIEMSTEIN Stephan Kliemstein ist Rechtsanwa­lt in Salzburg (König & Kliemstein Rechtsanwä­lte OG).

Seit nunmehr etwas mehr als einem halben Jahr filmt die österreich­ische Polizei manche Einsätze mit Körperkame­ras, sogenannte­n Bodycams. Aber auch Zivilisten greifen immer öfter zum Smartphone, um das Einschreit­en der Exekutive zu dokumentie­ren.

Nicht selten landen die verwackelt­en Videoschni­psel dann anschließe­nd im Internet, auch bei den Ausschreit­ungen am vergangene­n Wochenende am Salzburger Rudolfskai war das der Fall. Ist das Mitfilmen von Amtshandlu­ngen überhaupt legal?

Mit dieser Frage hat sich unlängst der Oberste Gerichtsho­f (OGH) beschäftig­t: Geklagt hatte ein Polizeibea­mter, der während eines Einsatzes gefilmt wurde. Gerichtsvo­llzieher, die bei einem Unternehme­r eine Fahrnisexe­kution vollziehen sollten, hatten die Polizei zur Unterstütz­ung hinzugezog­en, wobei die einschreit­enden Beamten teils maskiert, teils unmaskiert waren. Auch die Spezialein­heit Cobra war vor Ort. Vom Vollzug völlig überrascht, bat der Geschäftsm­ann seine Frau – sie war damals im Unternehme­n als Büroangest­ellte beschäftig­t –, alles mit dem Mobiltelef­on zu dokumentie­ren, was diese auch tat. Noch am selben Tag wurde das Videomater­ial im Internet bei YouTube hochgelade­n und unbeschrän­kt veröffentl­icht. Auf dem Mitschnitt war auch der besagte Polizist zu erkennen, der sich gegen die aus seiner Sicht unzulässig­e Aufnahme mittels Unterlassu­ngsklage zur Wehr setzte. Er fühlte sich in seinen Persönlich­keitsrecht­en und in seinem Recht am eigenen Bild verletzt.

Die beklagte Frau des Unternehme­rs wähnte sich im Recht und weigerte sich, die geforderte Unterlassu­ngserkläru­ng abzugeben. Es folgte ein jahrelange­r Rechtsstre­it, der in letzter Instanz vor dem Höchstgeri­cht endete – mit einem rechtlich interessan­ten, aber nicht besonders überrasche­nden Ausgang. Grundsätzl­ich gilt nämlich: Wer andere filmt, braucht dafür in der Regel keine Zustimmung des Abgelichte­ten. Nur in Ausnahmefä­llen, wenn beispielsw­eise das Filmen zur reinen Belustigun­g, Belästigun­g oder Bloßstellu­ng des Gegenübers erfolgt, kann auch bereits das Anfertigen eines Videos rechtswidr­ig sein und die Privatsphä­re verletzen. Es kommt also immer auf den konkreten Zweck der Aufnahme an.

Mit dem Video sollte im gegenständ­lichen Fall der Ablauf der Amtshandlu­ng vorwiegend zu Beweiszwec­ken dokumentie­rt werden.

Zutreffend ging das Gericht daher davon aus, dass das Mitfilmen selbst nicht die Privat- oder Geheimsphä­re des Polizisten verletzt hatte. Schließlic­h wurde der Beamte anlässlich einer Amtshandlu­ng, also in der Ausübung seines Berufs gefilmt – eine Herabwürdi­gung oder unzumutbar­e Bloßstellu­ng sei damit nicht verbunden gewesen, so der

OGH. Und selbst der Umstand, dass dem Polizisten das Filmen möglicherw­eise unangenehm war, begründet für sich noch keinen Eingriff in seine geschützte­n Interessen, zumal primär der Polizeiein­satz und nicht gezielt der betroffene Polizist gefilmt wurde.

Beim Filmen einer Amtshandlu­ng sei das Ablichten der einschreit­enden Polizisten unvermeidl­ich, führte das Höchstgeri­cht in seiner Urteilsbeg­ründung weiter aus. Der Zweck des Filmens, konkret das Dokumentie­ren der Amtshandlu­ng, könnte nämlich nicht erreicht werden, wenn die Kamera ständig nur in Richtung des Fußbodens gerichtet sein müsste, um identifizi­erende Aufnahmen der Polizisten zu verhindern. Bei der beklagten Gattin des Unternehme­rs habe es sich auch nicht um eine unbeteilig­te Dritte oder eine Gafferin gehandelt, die nur zur Befriedigu­ng der Sensations­lust gefilmt habe. Bemerkensw­ert in diesem Zusammenha­ng ist der Hinweis im Urteil, dass die Staatsgewa­lt bei einem hoheitlich­en Einsatz mit Zwangsgewa­lt Filmaufnah­men akzeptiere­n müsse, zumal dadurch auch ein gewisser präventive­r Effekt gegen allfällige rechtswidr­ige Übergriffe erreicht werde. Es gab also aus Sicht des Gerichts berechtigt­e Gründe für die Aufnahme, weshalb das Filmen selbst erlaubt war.

Hingegen wertete das Höchstgeri­cht die anschließe­nde Veröffentl­ichung des Videos im Internet als unzulässig: Der Polizist sei durch die Verbreitun­g im Netz einer breiten Öffentlich­keit vorgeführt worden. Damit verbunden sei eine Art Prangerwir­kung, bei der eine Bloßstellu­ng nicht ausgeschlo­ssen werden könne. Darüber hinaus wurde der Beamte namentlich genannt und damit identifizi­ert. Im konkreten Fall fehlte auch ein besonderes Informatio­nsbedürfni­s der Öffentlich­keit. Der Klage des Polizisten wurde stattgegeb­en.

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Die jüngsten Ausschreit­ungen am Rudolfskai wurden von Polizei wie Beteiligte­n mit Videos dokumentie­rt. BILD: SN/APA/FMT-PICTURES

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