Grenzfälle mit dem Nachbarn
Wer entscheidet in welchem Fall? Die Geschichte des österreichischen Grenzkatasters ist lang. Und er löst längst nicht alle Fälle.
Am häufigsten streiten Nachbarn über den Verlauf von Grundgrenzen. Wie die Grenzen tatsächlich rechtsverbindlich verlaufen, kann in vielen Fällen nicht anhand der Pläne des Vermessungsamtes festgestellt werden. Dies hat vor allem historisch bedingte Gründe, wie das Katasterwesen in Österreich entstanden ist.
In den Jahren 1817 bis 1861 wurden alle Grundstücke der damaligen österreichischen Monarchie vermessen und grafisch in einer Katastermappe dokumentiert, um die Grundsteuer ermitteln zu können. Dieser „Grundsteuerkataster“war niemals zum verbindlichen Nachweis der Grundstücksgrenzen bestimmt. Deshalb waren sie auch nicht sonderlich genau.
Dieser Kataster wurde seither ständig aktualisiert und ab 1989 digitalisiert. Als sogenannte digitale Katastralmappe (DKM) ist das noch heute der wesentliche
Bestandteil des Grenzkatasters bei den Vermessungsämtern und zudem Grundbuchsmappe bei den Grundbuchsgerichten. Aufgrund ihrer Ungenauigkeit liefert diese Mappe keinen Beweis über die tatsächlich verlaufenden Grenzen und die Größe eines Grundstücks. Wie umfangreich also die Eigentumsrechte an einem Grundstück sind, wird ausschließlich über den Inhalt im Kaufvertrag definiert.
Um dem Bedürfnis der Gesellschaft nach einem verbindlichen Grenznachweis zu entsprechen, hat der Gesetzgeber im Vermessungsgesetz 1968 den Grenzkataster eingeführt. In diesen wurden vorerst alle Daten des Grundsteuerkatasters unverändert übernommen.
Neue, genaue Vermessungen zum Zwecke der Umwandlung von Grundstücken sowie für Teilungspläne sind aber bisher noch zu wenig gemacht worden. Bis heute sind nicht einmal 15 Prozent der Grundstücke in den Grenzkataster eingetragen.
In der Katastralmappe sind diese Grundstücke an den mit drei getrennten Strichen unterstrichenen Grundstücksnummern erkennbar, im Grundstücksverzeichnis wird zu deren Kenntlichmachung der Grenzkatasterindikator „G“angeführt. Jeder kann sich auf die Richtigkeit der im Grenzkataster festgesetzten Grenzen und Maße berufen. Der Eigentümer genießt damit absoluten Rechtsschutz. „Schleichende Grenzveränderungen“sind damit ausgeschlossen. Sollten die Grenzen dennoch einmal zum Streitfall werden, ist für die Klärung des Grenzverlaufs nicht mehr das Gericht zuständig, sondern das Vermessungsamt bzw. ein Ingenieurkonsulent für Vermessungswesen.
Um einiges komplizierter ist es, wenn ein Grenzstreit über ein Grundstück entbrennt, das noch nicht im Grenzkataster eingetragen ist. Immerhin sind das noch immer etwas mehr als 85 Prozent aller Grundstücke.
Ist die Naturgrenze strittig, können die Nachbarn einen Vergleich schließen und so die Grenze neu festlegen. Gelingt das nicht, kann jeder Nachbar beim zuständigen Bezirksgericht im außerstreitigen Verfahren die Grenzberichtigung beantragen. Der Richter setzt dabei die Grenze in erster Linie nach dem letzten ruhigen Besitzstand fest. Reicht das nicht, muss der Kläger vor einem ordentlichen Zivilgericht das Eigentumsrecht am behaupteten Grenzverlauf beweisen. Dafür werden als Beweis vor allem „natürliche Grenzen“wie Grenzsteine, Mauern, Zäune oder Böschungskanten herangezogen.