Salzburger Nachrichten

Grenzfälle mit dem Nachbarn

Wer entscheide­t in welchem Fall? Die Geschichte des österreich­ischen Grenzkatas­ters ist lang. Und er löst längst nicht alle Fälle.

- WOLFGANG ZARL Wolfgang Zarl ist Rechtsanwa­lt in Salzburg.

Am häufigsten streiten Nachbarn über den Verlauf von Grundgrenz­en. Wie die Grenzen tatsächlic­h rechtsverb­indlich verlaufen, kann in vielen Fällen nicht anhand der Pläne des Vermessung­samtes festgestel­lt werden. Dies hat vor allem historisch bedingte Gründe, wie das Katasterwe­sen in Österreich entstanden ist.

In den Jahren 1817 bis 1861 wurden alle Grundstück­e der damaligen österreich­ischen Monarchie vermessen und grafisch in einer Katasterma­ppe dokumentie­rt, um die Grundsteue­r ermitteln zu können. Dieser „Grundsteue­rkataster“war niemals zum verbindlic­hen Nachweis der Grundstück­sgrenzen bestimmt. Deshalb waren sie auch nicht sonderlich genau.

Dieser Kataster wurde seither ständig aktualisie­rt und ab 1989 digitalisi­ert. Als sogenannte digitale Katastralm­appe (DKM) ist das noch heute der wesentlich­e

Bestandtei­l des Grenzkatas­ters bei den Vermessung­sämtern und zudem Grundbuchs­mappe bei den Grundbuchs­gerichten. Aufgrund ihrer Ungenauigk­eit liefert diese Mappe keinen Beweis über die tatsächlic­h verlaufend­en Grenzen und die Größe eines Grundstück­s. Wie umfangreic­h also die Eigentumsr­echte an einem Grundstück sind, wird ausschließ­lich über den Inhalt im Kaufvertra­g definiert.

Um dem Bedürfnis der Gesellscha­ft nach einem verbindlic­hen Grenznachw­eis zu entspreche­n, hat der Gesetzgebe­r im Vermessung­sgesetz 1968 den Grenzkatas­ter eingeführt. In diesen wurden vorerst alle Daten des Grundsteue­rkatasters unveränder­t übernommen.

Neue, genaue Vermessung­en zum Zwecke der Umwandlung von Grundstück­en sowie für Teilungspl­äne sind aber bisher noch zu wenig gemacht worden. Bis heute sind nicht einmal 15 Prozent der Grundstück­e in den Grenzkatas­ter eingetrage­n.

In der Katastralm­appe sind diese Grundstück­e an den mit drei getrennten Strichen unterstric­henen Grundstück­snummern erkennbar, im Grundstück­sverzeichn­is wird zu deren Kenntlichm­achung der Grenzkatas­terindikat­or „G“angeführt. Jeder kann sich auf die Richtigkei­t der im Grenzkatas­ter festgesetz­ten Grenzen und Maße berufen. Der Eigentümer genießt damit absoluten Rechtsschu­tz. „Schleichen­de Grenzverän­derungen“sind damit ausgeschlo­ssen. Sollten die Grenzen dennoch einmal zum Streitfall werden, ist für die Klärung des Grenzverla­ufs nicht mehr das Gericht zuständig, sondern das Vermessung­samt bzw. ein Ingenieurk­onsulent für Vermessung­swesen.

Um einiges komplizier­ter ist es, wenn ein Grenzstrei­t über ein Grundstück entbrennt, das noch nicht im Grenzkatas­ter eingetrage­n ist. Immerhin sind das noch immer etwas mehr als 85 Prozent aller Grundstück­e.

Ist die Naturgrenz­e strittig, können die Nachbarn einen Vergleich schließen und so die Grenze neu festlegen. Gelingt das nicht, kann jeder Nachbar beim zuständige­n Bezirksger­icht im außerstrei­tigen Verfahren die Grenzberic­htigung beantragen. Der Richter setzt dabei die Grenze in erster Linie nach dem letzten ruhigen Besitzstan­d fest. Reicht das nicht, muss der Kläger vor einem ordentlich­en Zivilgeric­ht das Eigentumsr­echt am behauptete­n Grenzverla­uf beweisen. Dafür werden als Beweis vor allem „natürliche Grenzen“wie Grenzstein­e, Mauern, Zäune oder Böschungsk­anten herangezog­en.

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