Die Fäden für Jahrhundert-Festspiele sind ausgelegt
Die Salzburger Festspiele feiern 2020 ihr 100-jähriges Bestehen. Das Programm verspricht einen starken Jahrgang.
Salzburg oder Bayreuth? Diese Frage stellt sich Ende Juli 2020, wenn die ersten beiden Teile des neuen „Rings“am Grünen Hügel zeitgleich mit den ersten Opernpremieren bei den Salzburger Festspielen geschmiedet werden. Während den Nornen in Wagners Walhall-Saga der (Schicksals-)Faden reißt, verknüpft Markus Hinterhäuser viele konzeptuelle Fäden seiner Intendanz im Festspielsommer 2020.
Die prägenden Künstlerfiguren der vergangenen Jahre werden zum 100-Jahr-Jubiläum zusammengespannt. Im „Don Giovanni“treffen Teodor Currentzis und Romeo Castellucci aufeinander – das verspricht elektrisierende Spannung. Franz Welser-Möst setzt seine Erkundung der Opern von Richard Strauss mit „Elektra“fort, Mariss Jansons kehrt im „Boris Godunow“ans Opernpult zurück. Dort führt Christof Loy Regie, der im Hinterhäuser-Interimsjahr 2011 eine mutige „Frau ohne Schatten“vorlegte. Und Anna Netrebko singt erstmals seit 2017 wieder in einer szenischen Produktion in Salzburg. Jeder dieser Namen ist mit einem Festspiel-Ereignis der jüngeren Vergangenheit verbunden. Fehlten 2019 womöglich diese außergewöhnlichen Kombinationen, die Oper im Idealfall zum Gesamtkunstwerk machen? Das Programm für 2020 rückt die Vision von Salzburg als „Epizentrum des Besonderen“wieder näher.
Markus Hinterhäuser spinnt weitere Fäden zur eigenen Biografie. Morton Feldman und Luigi Nono zählten 1993 zu den Entdeckungen seines ersten „Zeitfluss“-Festivals, 2020 sind sie prominent im „großen“Opernprogramm vertreten. Und der Intendant schärft Verbesserungsfähiges nach: Lydia Steiers Inszenierung der „Zauberflöte“kam 2017 im Großen Festspielhaus nicht optimal zur Geltung. 2020 soll sie im intimeren Haus für Mozart zu neuem Leben erwachen, für das sie ursprünglich konzipiert war.
Im Schauspielprogramm sticht der Coup heraus, ein neues Stück des Nobelpreisträgers Peter Handke aus der Taufe zu heben. Aber auch die Rückkehr von Martin Kušej, Birgit Minichmayr und Barbara Sukowa nach Salzburg weckt berechtigte Hoffnungen auf einen starken Theater-Jahrgang. Die Konzertgänger werden mit dem neuen Format Moments musicaux konfrontiert: Auserlesene Künstler, darunter der Intendant selbst, gestalten fünf Abende. Wer wann auftritt, bleibt bis zum Konzertbeginn geheim.
Natürlich müssen diese fein gesponnenen, kostbaren Programmfäden erst in die Tat umgesetzt werden. Dennoch lässt sich sagen: Salzburg 2020 hat das Zeug zum Jahrhundert-Festspielsommer.