Scharfer Wind bläst Trump ins Gesicht
Bill Taylor, US-Botschafter in der Ukraine, belastet den Präsidenten zu Beginn der öffentlichen Impeachment-Anhörung massiv.
Eineinhalb Stunden nachdem Adam Schiff im prachtvollen Tagungsraum des „Ways and Means“-Komitees am Mittwoch im Kapitol mit dem Hammer zur Ordnung rief, ließ der streng gescheitelte Botschafter die Polit-Bombe platzen. Bill Taylor bestätigte als erster Kronzeuge der „live“übertragenen Zeugenbefragungen, dass einer seiner Mitarbeiter am 26. Juli dieses Jahres ein Telefonat mitgehört habe, in dem Präsident Trump EUBotschafter Gordon Sondland fragte, wie „die Ermittlungen“liefen.
Damit gemeint waren offenbar Untersuchungen zu den Gasgeschäften des Sohns von Joe Biden, Hunter, in der Ukraine sowie einer längst widerlegten Verschwörungstheorie, wonach sich nicht Russland, sondern die Ukraine in die Präsidentschaftswahlen 2016 eingemischt hatte. Taylor hielt sich zum Zeitpunkt des Telefonats zu einem Frontbesuch in der Ukraine auf. „Mein Mitarbeiter konnte Präsident Trump am Telefon hören“, sagte der Botschafter. Auf seine Nachfrage, was der Präsident zur Ukraine denke, habe Sondland gesagt, Trump interessiere sich mehr für die Ermittlungen gegen Biden.
Das war neu – und es war nicht Teil der Aussagen Taylors hinter verschlossenen Türen am 22. Oktober gewesen. „Ich wusste das damals noch nicht“, sagte der Botschafter dem Komitee, das zuvor noch einmal hörte, was der hochgewachsene Zeuge mit der rahmenlosen Brille bereits dargelegt hatte.
Der von Außenminister Mike Pompeo aus dem Ruhestand zurückgerufene Karrierediplomat schilderte, wie er als Botschafter in Kiew entdeckt hatte, dass Trumps Hausanwalt Rudy Giuliani in dessen Auftrag eine Nebenaußenpolitik koordinierte.
Er habe ein verwirrendes Arrangement bemerkt, erklärte Taylor: „Es gab einen regulären Kanal und einen im hohen Maße irregulären Kanal.“Letzterer habe aus Giuliani, dem Ukraine-Beauftragten Kurt Volcker, EU-Botschafter Sondland, Energieminister Rick Perry und dem Stabschef im Weißen Haus, Mick Mulvaney, bestanden.
Nach und nach habe er verstanden, dass Trump über diesen Kanal der neuen ukrainischen Regierung kommuniziert habe, dass Militärhilfe und ein Besuch im Weißen Haus von „Ermittlungen“gegen seine Opponenten in den USA abhängig gemacht würden. Ob er in seiner langjährigen Tätigkeit für die Regierung schon einmal erlebt habe, dass Auslandshilfe „von persönlichen oder politischen Interessen abhängig gemacht wurde“? „Nein, das habe ich nicht“, antwortete er.
Taylors Aussagen – ebenso wie die des zweiten Zeugen, des USDiplomaten George Kent – bestätigten im Wesentlichen den Plot, den Geheimdienstausschuss-Vorsitzender Schiff darlegte, nachdem er die Anhörungen um 10.05 Uhr Ortszeit eröffnet hatte. „Wenn der Präsident eine fremde Macht einlädt, sich in unsere Wahlen einzumischen, sollen wir uns dann einfach damit abfinden?“, fragte Schiff. Er führte aus, wie Trump sein Amt gebrauchte, die Ukraine zu nötigen, Wahlkampfmunition gegen die Opposition daheim zu liefern. Die Fakten seien unbestritten, fasste er die rund einhundert Stunden Zeugenaussagen zusammen.
Der Republikaner Devin Nunes versuchte diese nicht wirklich zu bestreiten. Stattdessen griff er in seinem Statement das Verfahren an, das von „den Demokraten“und „den korrupten Medien“inszeniert worden sei. Das sei „eine orchestrierte Schmierenkampagne“gegen Trump, die auf „geheimen Vernehmungen“im Keller des Kongresses beruhe, bei der Zeugen wie Botschafter Taylor „Probe liefen“. Nunes verlangte, dass der Whistleblower, dessen Bericht das Impeachment-Verfahren ausgelöst hatte, ebenso vernommen werden solle wie Joe Bidens Sohn Hunter. Als Nunes Beamte beschuldigte, „gegen den Präsidenten zu arbeiten“, schüttelte Taylor den Kopf.
Trump selbst bezeichnete die Vorwürfe gegen ihn als eine „Hexenjagd“. „Verlassen Sie sich nicht auf Schilderungen aus zweiter, dritter oder vierter Hand“, riet das Weiße Haus am Mittwoch auf Twitter.
Die Demokraten werfen Trump vor, die ukrainische Regierung gedrängt zu haben, sich zu seinen Gunsten in den US-Wahlkampf einzumischen. Taylor gilt als Hauptzeuge der Demokraten. Laut seiner Darstellung hat Präsident Trump die bereits vom Kongress beschlossene Militärhilfe von 400 Mill. Dollar für die Ukraine zurückgehalten, um seinem Konkurrenten Biden zu schaden. Die Gelder sollten erst fließen, wenn Ukraines Staatschef Wolodymyr Selenskyj öffentlich Ermittlungen ankündigen würde.