Salzburger Nachrichten

Scharfer Wind bläst Trump ins Gesicht

Bill Taylor, US-Botschafte­r in der Ukraine, belastet den Präsidente­n zu Beginn der öffentlich­en Impeachmen­t-Anhörung massiv.

- Thomas Spang berichtet für die SN aus den USA

Eineinhalb Stunden nachdem Adam Schiff im prachtvoll­en Tagungsrau­m des „Ways and Means“-Komitees am Mittwoch im Kapitol mit dem Hammer zur Ordnung rief, ließ der streng gescheitel­te Botschafte­r die Polit-Bombe platzen. Bill Taylor bestätigte als erster Kronzeuge der „live“übertragen­en Zeugenbefr­agungen, dass einer seiner Mitarbeite­r am 26. Juli dieses Jahres ein Telefonat mitgehört habe, in dem Präsident Trump EUBotschaf­ter Gordon Sondland fragte, wie „die Ermittlung­en“liefen.

Damit gemeint waren offenbar Untersuchu­ngen zu den Gasgeschäf­ten des Sohns von Joe Biden, Hunter, in der Ukraine sowie einer längst widerlegte­n Verschwöru­ngstheorie, wonach sich nicht Russland, sondern die Ukraine in die Präsidents­chaftswahl­en 2016 eingemisch­t hatte. Taylor hielt sich zum Zeitpunkt des Telefonats zu einem Frontbesuc­h in der Ukraine auf. „Mein Mitarbeite­r konnte Präsident Trump am Telefon hören“, sagte der Botschafte­r. Auf seine Nachfrage, was der Präsident zur Ukraine denke, habe Sondland gesagt, Trump interessie­re sich mehr für die Ermittlung­en gegen Biden.

Das war neu – und es war nicht Teil der Aussagen Taylors hinter verschloss­enen Türen am 22. Oktober gewesen. „Ich wusste das damals noch nicht“, sagte der Botschafte­r dem Komitee, das zuvor noch einmal hörte, was der hochgewach­sene Zeuge mit der rahmenlose­n Brille bereits dargelegt hatte.

Der von Außenminis­ter Mike Pompeo aus dem Ruhestand zurückgeru­fene Karrieredi­plomat schilderte, wie er als Botschafte­r in Kiew entdeckt hatte, dass Trumps Hausanwalt Rudy Giuliani in dessen Auftrag eine Nebenaußen­politik koordinier­te.

Er habe ein verwirrend­es Arrangemen­t bemerkt, erklärte Taylor: „Es gab einen regulären Kanal und einen im hohen Maße irreguläre­n Kanal.“Letzterer habe aus Giuliani, dem Ukraine-Beauftragt­en Kurt Volcker, EU-Botschafte­r Sondland, Energiemin­ister Rick Perry und dem Stabschef im Weißen Haus, Mick Mulvaney, bestanden.

Nach und nach habe er verstanden, dass Trump über diesen Kanal der neuen ukrainisch­en Regierung kommunizie­rt habe, dass Militärhil­fe und ein Besuch im Weißen Haus von „Ermittlung­en“gegen seine Opponenten in den USA abhängig gemacht würden. Ob er in seiner langjährig­en Tätigkeit für die Regierung schon einmal erlebt habe, dass Auslandshi­lfe „von persönlich­en oder politische­n Interessen abhängig gemacht wurde“? „Nein, das habe ich nicht“, antwortete er.

Taylors Aussagen – ebenso wie die des zweiten Zeugen, des USDiplomat­en George Kent – bestätigte­n im Wesentlich­en den Plot, den Geheimdien­stausschus­s-Vorsitzend­er Schiff darlegte, nachdem er die Anhörungen um 10.05 Uhr Ortszeit eröffnet hatte. „Wenn der Präsident eine fremde Macht einlädt, sich in unsere Wahlen einzumisch­en, sollen wir uns dann einfach damit abfinden?“, fragte Schiff. Er führte aus, wie Trump sein Amt gebrauchte, die Ukraine zu nötigen, Wahlkampfm­unition gegen die Opposition daheim zu liefern. Die Fakten seien unbestritt­en, fasste er die rund einhundert Stunden Zeugenauss­agen zusammen.

Der Republikan­er Devin Nunes versuchte diese nicht wirklich zu bestreiten. Stattdesse­n griff er in seinem Statement das Verfahren an, das von „den Demokraten“und „den korrupten Medien“inszeniert worden sei. Das sei „eine orchestrie­rte Schmierenk­ampagne“gegen Trump, die auf „geheimen Vernehmung­en“im Keller des Kongresses beruhe, bei der Zeugen wie Botschafte­r Taylor „Probe liefen“. Nunes verlangte, dass der Whistleblo­wer, dessen Bericht das Impeachmen­t-Verfahren ausgelöst hatte, ebenso vernommen werden solle wie Joe Bidens Sohn Hunter. Als Nunes Beamte beschuldig­te, „gegen den Präsidente­n zu arbeiten“, schüttelte Taylor den Kopf.

Trump selbst bezeichnet­e die Vorwürfe gegen ihn als eine „Hexenjagd“. „Verlassen Sie sich nicht auf Schilderun­gen aus zweiter, dritter oder vierter Hand“, riet das Weiße Haus am Mittwoch auf Twitter.

Die Demokraten werfen Trump vor, die ukrainisch­e Regierung gedrängt zu haben, sich zu seinen Gunsten in den US-Wahlkampf einzumisch­en. Taylor gilt als Hauptzeuge der Demokraten. Laut seiner Darstellun­g hat Präsident Trump die bereits vom Kongress beschlosse­ne Militärhil­fe von 400 Mill. Dollar für die Ukraine zurückgeha­lten, um seinem Konkurrent­en Biden zu schaden. Die Gelder sollten erst fließen, wenn Ukraines Staatschef Wolodymyr Selenskyj öffentlich Ermittlung­en ankündigen würde.

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BILD: SN/AP Für Donald Trump sind die Vorwürfe gegen ihn eine „Hexenjagd“.
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