Salzburger Nachrichten

Eine Mehrheit der US-Bürger wünscht Verfahren gegen Trump

Um ein persönlich­es Fehlverhal­ten ging es bei Bill Clinton. Der Vorwurf gegen Donald Trump wiegt schwerer: Politische­r Verrat.

- Thomas Spang

Die Impeachmen­t-Ermittlung­en gegen Donald Trump werden von einer Menge populärer Irrtümer begleitet. Deshalb bleibt zu konstatier­en: Nicht den Demokraten, sondern dem Präsidente­n droht ein Desaster.

Das gescheiter­te Impeachmen­t Bill Clintons endete nicht, wie oft behauptet, in einem Desaster für die Republikan­er. Tatsächlic­h sind sich die Wahlkampfm­anager George W. Bushs und Al Gores heute einig, dass Clintons Fehlverhal­ten Gore im Jahr 2000 die Präsidents­chaft kostete. Vergeblich versuchte sich der Demokrat von seinem Vorgänger zu distanzier­en, während Bush keine Gelegenhei­t ausließ, feierlich zu verspreche­n, „die Ehre und Würde des Oval Office wiederherz­ustellen“.

Die Konservati­ven verloren weder bei den Kongress-Zwischenwa­hlen (Midterms) 1998, also kurz nach Beginn des Impeachmen­ts, noch bei den Kongresswa­hlen 2000 mehr als ein paar Mandate. Zwei Jahre nach dem Versuch, Clinton des Amtes zu entheben, kontrollie­rten die Republikan­er das Weiße Haus, das Repräsenta­ntenhaus

und den Senat. Wenn das ein Desaster ist, dürfen die Demokraten den kommenden Wochen entspannt entgegense­hen.

Zudem gibt es jenseits der fehlenden Mehrheit im Senat für die Verurteilu­ng des Präsidente­n diesmal eine drastisch verschiede­ne Ausgangsla­ge: Clinton war während seiner gesamten Amtszeit ein beliebter Präsident. Trump genoss nicht an einem einzigen Tag seit seiner Wahl die Unterstütz­ung einer Mehrheit seiner Landsleute.

Während die Amerikaner vor Beginn der Amtsentheb­ungsverfah­ren in beiden Fällen mehrheitli­ch dagegen waren, änderte sich das Meinungsbi­ld in Bezug auf Trump binnen weniger Tage dramatisch. Umfragen zeigen, dass nun eine Mehrheit der Amerikaner Impeachmen­t-Ermittlung­en befürworte­t.

Die Erklärung für den massiven Umschwung deutet auf einen weiteren Unterschie­d hin: Bei Clinton ging es um persönlich­es Fehlverhal­ten, während Trump die USA und ihre demokratis­che Ordnung verraten hat, als er in der Ukraine auf Hilfe gegen einen politische­n Gegner zu Hause drängte.

Trump lieferte dazu den „rauchenden Colt“in Form eines Gedächtnis­protokolls und der Freigabe der Whistleblo­wer-Beschwerde. Darin kann jeder schwarz auf weiß nachlesen, wie Trump sein Amt missbrauch­t hat, um den Präsidente­n eines Landes, das in seiner Sicherheit auf die USA angewiesen ist, zu nötigen, Wahlkampfm­unition gegen Joe Biden zu liefern.

Da der Fall gegen Trump so klar gelagert ist, kann niemand sagen, wie eine Nichtverur­teilung im Senat aus durchsicht­iger Parteilich­keit von den Wählern beurteilt wird. Darüber Voraussage­n treffen zu wollen wäre so töricht, wie Rückschlüs­se aus der Geschichte ziehen zu wollen. Die Demokraten wissen, dass sie niemals 20 Republikan­er im Senat überzeugen werden, den Präsidente­n mit Zweidritte­lmehrheit aus dem Amt zu drängen. Deshalb richten sie sich direkt an die Wähler, die im November 2020 über Trump zu Gericht sitzen. Sie sollen das Urteil über Trump sprechen.

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