„Wenn ich Bock habe, bin ich Iranerin“
Sara Abbasis Stück „Mina“erzählt die Geschichte einer jungen Frau auf der Suche nach Orientierung.
SALZBURG. Die Autorin und Regisseurin Sara Abbasi (36) ist im Iran geboren und in Deutschland aufgewachsen. Nach Arbeiten am Burgtheater sowie in Berlin und Paris ist sie seit 2017 am Salzburger Landestheater tätig. In ihrem ersten eigenen Stück, „Mina“, vermischt sie Autobiografisches mit Fiktivem. Trotzdem erzählt das Stück keine typische Migrationsgeschichte.
SN: Sie sind wie die Protagonistin im Iran geboren und in Deutschland aufgewachsen. Haben Sie Ihre eigenen Erfahrungen im Stück verarbeitet? Vieles hat so oder in ähnlicher Form stattgefunden, aber grundsätzlich gilt: „Mina“ist keine typische Migrationsstory. Es geht im Stück nicht um Rassismus oder Identität, sondern darum, dass jemand erwachsen werden will und sich die Frage stellt: Welche Rolle spielt die Erinnerung dabei? Unsere Erinnerung
setzt mit etwa drei bis dreieinhalb Jahren ein, davor müssen wir uns auf die Erzählungen unserer Eltern verlassen. Mina ist urban und gebildet, dennoch eckt sie überall an und weiß nicht, warum. Dann stellt sich heraus, dass sie den Erzählungen aus ihrer Kindheit nicht mehr vertrauen kann.
SN: Sie werfen die Frage auf: Wie wichtig ist die Vergangenheit für die Gegenwart? Konnten Sie eine Antwort finden? Das Stück liefert keine Antwort, das wäre zu langweilig. Im besten Fall wirft es noch mehr Fragen auf. Es ist kein Entwicklungsstück nach dem Motto: Seht her, so hat sie es geschafft! In der heutigen Zeit wird immer von der Selbstfindung gesprochen, dabei ist der Selbstbegriff ein total diffuser. Ich sehe aber eine Veränderung – viele junge Künstler beschäftigen sich heute mit diesen Themen und beginnen, richtige Fragen zu stellen: Ab wann kippt die Stimmung in unserer Gesellschaft?
Wie sehr brauchen wir das andere, wie sehr problematisieren wir es und grenzen uns ab? Kann es eine Bereicherung sein?
SN: Obwohl die Bewegung auch in eine andere Richtung geht: Nationale Tendenzen erhalten bei vielen Jungen wieder Zuspruch. Ja, das ist das andere Extrem, und wir müssen darauf reagieren. Jetzt ist der Moment, in dem man Farbe bekennen und sagen muss: Stopp!
In Deutschland passiert das mehr als in Österreich. Hierzulande sieht man, dass keine richtige Aufarbeitung der NS-Geschichte stattfand. Am Heldenplatz in Wien wurde eine Protzparade mit Panzern und Waffen aufgefahren, aus dem Lautsprecher tönte Wagner. Kein einziges Antikriegsbanner hing vom Burgtheater, sondern man stellte sich in den Dienst des Staates. In Berlin hätte man sofort eine Gegendemonstration.
SN: Haben Sie selbst den kulturellen Spagat als Herausforderung erlebt? Ich finde es schön, dass ich mich in jedem Moment neu definieren kann. Manchmal bin ich ganz klar Deutsche, und wenn ich Bock habe, bin ich Iranerin. Diese Ambiguität, dass das eine das andere nicht ausschließt, brauchen wir in unserer Gesellschaft. Ich lehne jeden Begriff der kollektiven Identität sowie den Heimatbegriff ab, das sind für mich Schwachmatenbegriffe. Ich finde es toll, dass ich mit zwei Kulturen und Sprachen aufgewachsen bin. Problematisch ist es dann, wenn Menschen mit Migrationshintergrund als Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Dann entwickeln sie das Bedürfnis, sich einer Kultur zu verschreiben, nach dem Motto: als Deutscher wurde ich nicht behandelt, dann bin ich eben besonders türkisch oder persisch.
SN: Jüngst demonstrierten Künstler gegen die Zensur im Iran. Wie schätzen Sie die dortige Situation ein? Die Strukturen sind katastrophal. Dennoch gibt es im Iran diesen großen Hunger nach Kultur, Literatur und Philosophie. Auch der Feminismus im Iran hat eine besondere Dringlichkeit und erhält dadurch eine eigene Dimension.
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