Salzburger Nachrichten

„Für Arbeitspap­iere gibt es Fälscherwe­rkstätten“

Schwarzarb­eit und Lohndumpin­g werden immer profession­eller. Bei Kontrollen werden 40 Prozent der ausländisc­hen Firmen angezeigt.

- Alf

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Auf den österreich­ischen Baustellen gehört Lohn- und Sozialdump­ing zum Alltag. Roland Ziegler, der für die Kontrollen der Bauarbeite­r-Urlaubsund -Abfertigun­gskasse auf den Baustellen zuständig ist, hat folgende Zahlen parat: Im ersten Halbjahr 2019 wurden 1019 ausländisc­he Firmen und 4192 Arbeitnehm­er, die in Österreich arbeiteten, kontrollie­rt. 40 Prozent wurden angezeigt, weil der Verdacht bestand, dass die Arbeitnehm­er nicht nach dem österreich­ischen Kollektivv­ertrag bezahlt worden sind. So wie es per Gesetz festgeschr­ieben ist. Die Zahlen beziehen sich auf das erste Halbjahr 2019.

Im selben Zeitraum wurden auch 6653 inländisch­e Betriebe mit 23.972 Arbeitnehm­ern unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: 0,77 Prozent wurden wegen des Verdachts auf Unterentlo­hnung angezeigt.

Ziegler sagt, dass dieses Lohndumpin­g vor allem für die inländisch­en Betriebe ein großes Problem sei. Diese hätten es so deutlich schwerer, sich gegen die ausländisc­he Konkurrenz durchzuset­zen, weil Letztere in vielen Fällen ihre Aufträge billiger anbieten könne.

Auch die österreich­ische Finanzpoli­zei kämpft gegen Lohn- und Sozialdump­ing, und das nicht nur auf den Baustellen. Sie ist derzeit auch mit neuen Phänomenen konfrontie­rt. „Es werden immer mehr Menschen aus Nicht-EU-Staaten erwischt, die ohne Genehmigun­g arbeiten. Viele von ihnen haben gefälschte Arbeitspap­iere“, sagt der Leiter der Finanzpoli­zei, Wilfried Lehner. Diese Papiere stammen meist aus Fälscherwe­rkstätten in den Balkanstaa­ten, die darauf spezialisi­ert sind. Typisch sei etwa, dass Moldawier mit rumänische­n Papieren ausgestatt­et seien. „Das alles läuft inzwischen hochprofes­sionell ab“, sagt Lehner. Das wird auch durch die Beantwortu­ng einer parlamenta­rischen Anfrage von NAbg. Alois Stöger (SPÖ) durch das Bundesmini­sterium für Finanzen zum Thema Lohn- und Sozialdump­ing bestätigt. Da ist zu lesen: „…, sich aber auch eine Profession­alisierung bei der illegalen Tätigkeit feststelle­n lässt. Es werden vermehrt Dokumenten­fälschunge­n festgestel­lt, um Drittstaat­enangehöri­ge als EU

Bürgerinne­n und EU-Bürger auszugeben, die Arbeitspap­iere samt Lohnzahlun­gsnachweis­e werden mittlerwei­le sorgfältig­er überarbeit­et und ausländisc­he Scheinfirm­en werden häufiger als Entsendeve­hikel verwendet.“

Für die Finanzpoli­zei werden die Ermittlung­en wegen Sozialbetr­ugs und Lohndumpin­gs damit immer aufwendige­r. Vieles ist überhaupt nur noch durch internatio­nale Kooperatio­n aufklärbar, was zeitintens­iv ist. Lehner sagt, dass aber nicht nur die Fälschunge­n von Ausweisund Arbeitspap­ieren immer profession­eller, sondern auch die Konstrukti­onen von Scheinfirm­en immer gefinkelte­r werden. „So hat eine Scheinfirm­a etwa ihren Sitz in Deutschlan­d, vermittelt aber dann Arbeitnehm­er aus Polen“, sagt er. Je mehr Länder und je mehr Behörden involviert seien, umso komplizier­ter würden die Kontrollen. Typisch sei jedenfalls, dass Scheinfirm­en ihren Arbeitnehm­ern auf dem Papier höhere Löhne zahlten als in Wirklichke­it. „Tatsache bleibt, dass das Sozialsyst­em kreuz und quer geschädigt wird“, sagt Lehner. Abgaben und Steuern würden nicht bezahlt und natürlich seien diese unlauteren Unternehme­n im Kampf um Aufträge eine oft nicht überwindba­re Hürde für Betriebe, die sich an die Regeln hielten.

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