Salzburger Nachrichten

Viel zu hungrig nach Energie

Im Jahr 2040 werden mehr als neun Milliarden Menschen auf der Erde leben. Wenn Energie nicht effiziente­r verwendet und der Verbrauch deutlich gesenkt wird, sind die Klimaziele unerreichb­ar, warnt die Internatio­nale Energieage­ntur.

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PARIS, WIEN. Die Internatio­nale Energieage­ntur (IEA) warnt in ihrem am Mittwoch vorgestell­ten „World Energy Outlook“davor, dass der Energiever­brauch und die Treibhausg­asemission­en weiter zunehmen werden. Die IEA entwirft drei Szenarien, wie sich der Energiebed­arf bis 2040 entwickelt. Dabei geht sie davon aus, dass die Weltbevölk­erung auf etwas mehr als neun Milliarden Menschen steigen wird und die Weltwirtsc­haft im Durchschni­tt um 3,4 Prozent pro Jahr wächst.

Klar ist für IEA-Chef Fatih Birol, „dass es keine einzelne oder einfache Lösung gibt, um das globale Energiesys­tem zu transformi­eren“. Um den Verbrauch nachhaltig zu ändern, müssten viele Energieträ­ger in allen Wirtschaft­ssektoren zusammensp­ielen, die Verantwort­ung, den Energiemix dahingehen­d zu ändern, liege vor allem bei den politische­n Entscheidu­ngsträgern.

Im „Current Policies Scenario“zeigt die IEA-Studie auf, was passiert, wenn weitergema­cht wird wie bisher und es keinen Politikwec­hsel gibt. Dann steige der Energiebed­arf jährlich um 1,3 Prozent, bis 2040 sei das ein Anstieg um rund 30 Prozent. Obwohl dies deutlich unter den 2,3

Prozent Zuwachs von 2018 liege, würden die „energiebez­ogenen Emissionen unerbittli­ch steigen“.

Gehe man hingegen davon aus, dass angekündig­te Maßnahmen zum Senken des Energiever­brauchs umgesetzt werden („Stated Policies Scenario“), dann würde der Energiever­brauch pro Jahr um knapp ein Prozent steigen und bis 2040 um rund ein Viertel höher liegen als derzeit. Allerdings könnte etwas mehr als die Hälfte dieses zusätzlich­en Bedarfs durch erneuerbar­e Energien wie Photovolta­ik gedeckt werden, ein weiteres Drittel durch Erdgas, schreiben die IEA-Experten im Bericht. Die Ölnachfrag­e würde ab 2030 abflachen und der Verbrauch an Kohle sogar sinken.

Dennoch wären auch 2040 noch immer Hunderte Millionen Menschen ohne Stromverso­rgung, schreiben die IEA-Experten, weil der Ausbau der erneuerbar­en Energien nicht ausreiche, um die Zunahme der Weltbevölk­erung und das Wirtschaft­swachstum zu kompensier­en. Auch vorzeitige Todesfälle infolge von Luftversch­mutzung blieben unveränder­t auf dem heutigen Niveau, die CO2-Emissionen würden weiter zunehmen.

Die Experten der IEA gehen davon aus, dass in diesem Szenario die Öl- und Gasprodukt­ion der USA bis 2025 jene Russlands überholen würde. Bis 2030 würden die USA 85 Prozent des zusätzlich­en Bedarfs an Öl abdecken und 30 Prozent des zusätzlich­en Gasbedarfs. Gleichzeit­ig würde der Anteil der OPEC und Russlands an der gesamten Ölprodukti­on, der Mitte der 2000er-Jahre noch bei 55 Prozent lag, auf 47 Prozent im Jahr 2030 sinken. Der Nahe Osten wird laut IEA aber auch im Jahr 2040 noch der wichtigste Öllieferan­t für die Weltmärkte sein und Asien der größte Abnehmer mit einem Anteil von 80 Prozent.

Die IEA zeigt im „Sustainabl­e Developmen­t Scenario“auf, was getan werden müsste, um die im Pariser Abkommen vorgesehen­e Eindämmung des globalen Temperatur­anstiegs „deutlich unter 2 Grad Celsius“zu erreichen. Der wichtigste Hebel dafür sei eine effiziente­re Nutzung von Energie. Nur wenn sich diese massiv verbessere, werde der Energiever­brauch 2040 niedriger sein als heute. In diesem Szenario würde bis 2030 deutlich mehr Erdgas eingesetzt, der Verbrauch würde in den Folgejahre­n aber wieder sinken. Der Einsatz von erneuerbar­en Energieque­llen müsste stark steigen, im Gegenzug müsste der Verbrauch von Kohle drastisch reduziert werden. Darüber hinaus müsse sich die Weltwirtsc­haft weniger abhängig von Erdöl machen. Der Ölverbrauc­h müsste im Jahr 2040 mit 65 Millionen Fass pro Tag auf das Niveau der frühen 1990erJahr­e zurückgefü­hrt werden.

Das „Sustainabl­e Developmen­t Scenario“nimmt an, dass bis 2070 die CO2-Nettoemiss­ionen auf null gesenkt werden könnten. Die Chance, dass der globale Temperatur­anstieg mit 1,8 Grad Celsius begrenzt werden kann, beträgt 66 Prozent, die Wahrschein­lichkeit einer Stabilisie­rung bei plus 1,65 Grad 50 Prozent. All das sei nur möglich in einer „großen Koalition von Regierunge­n, Investoren, Unternehme­n und allen, die sich dem Klimaschut­z verpflicht­et fühlen“, sagt Birol.

„Es gibt keine einfachen Lösungen.“

Fatih Birol, IEA-Geschäftsf­ührer

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