Salzburger Nachrichten

„Die Zeiten haben sich geändert“

Herbert Eibenstein­er sieht den voestalpin­e-Konzern gut gerüstet, um auch die Turbulenze­n in der Weltwirtsc­haft gut zu überstehen. Von der Politik wünscht sich der Manager stabile Rahmenbedi­ngungen und den Ausbau des Stromnetze­s.

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Ein einfacher Start war Herbert Eibenstein­er nicht vergönnt. Seit Juli ist er Chef des Stahl- und Technologi­ekonzerns voestalpin­e. Handelskon­flikte und die Schwäche der deutschen Automobili­ndustrie ließen die Gewinne einbrechen. Im Interview mit den SN, den anderen Bundesländ­erzeitunge­n und der „Presse“erklärt Eibenstein­er, wie sich die Zeiten geändert haben und welche Rahmenbedi­ngungen eine Regierung schaffen muss, um umweltfreu­ndliche Innovation und Wirtschaft­lichkeit zu vereinen.

SN: Sie übernehmen die Führung in schwierige­n Zeiten. Wie geht es in den ersten Monaten im neuen Amt? Herbert Eibenstein­er: Das Team ist gut. Die weltweit 52.000 Mitarbeite­r ziehen mit. Das ist positiv. Es hat jeder verstanden, dass wir uns sehr schnell an die aktuelle Situation anpassen müssen. Das ist entscheide­nd in so einem wirtschaft­lichen Umfeld. Bei all den Maßnahmen sehen wir, dass sie wirken. Wir sind gut vorbereite­t. Wir können schnell reagieren, ohne die langfristi­gen Ziele aus den Augen zu verlieren.

SN: Wo sehen Sie den Erfolg von voestalpin­e in den nächsten fünf Jahren? Ganz klar bei zukünftige­n Innovation­en, durch immer bessere Produkte und den Standort Österreich mit seinen hervorrage­nden Mitarbeite­rn. Am Montag haben wir unsere Wasserstof­fpilotanla­ge in Linz in Betrieb genommen. Sie ist die weltweit größte ihrer Art. In Kapfenberg wird 2021 das modernste Edelstahlw­erk seinen Betrieb aufnehmen und Spezialpro­dukte zum Beispiel für die Luftfahrt produziere­n. Wir wollen langfristi­g denken, deswegen werden auch in Kosteneins­parungszei­ten Forschung und Entwicklun­g oder Ausgaben für die Lehrlinge nicht gekürzt.

SN: Aber bis sich Innovation­en rentieren, vergeht viel Zeit. Das Umfeld ist schwierig, durch die weltweiten Handelskon­flikte hat sich die Konjunktur deutlich eingetrübt. Da gilt es, sich als Unternehme­n anzupassen, nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa, USA und China, um unsere drei wichtigste­n Regionen zu nennen. Gute Bereiche, die sehr stabil laufen, sind zum Beispiel die Bahninfras­truktur, die Luftfahrt sowie die Lager- und Schweißtec­hnik. Diese Bereiche haben wir vor vielen Jahren strategisc­h entwickelt und die wirken positiv in so einem Umfeld.

SN: Sehen Sie bei der Automobilb­ranche Licht am Ende des Tunnels oder sind das strukturel­le Schwächen? Einerseits gibt es den konjunktur­ellen Abschwung, anderseits die Frage, welches Antriebsko­nzept sich durchsetze­n wird. Wahrschein­lich werden bis auf Weiteres unterschie­dliche Konzepte bestehen. Mobilität wird ein Grundbedür­fnis bleiben. Die Automobilb­ranche treibt weiterhin Innovation an, deshalb ist sie für uns sehr wichtig.

SN: Ihr Engagement im Batteriebe­reich bleibt also aufrecht. Genau. Wir sind derzeit kaum im Antrieb drin, dafür stark in der Karosserie. Die Karosserie braucht das Elektroaut­o genauso wie das motorbetri­ebene Auto. Dabei geht es um Leichtbau und Crashperfo­rmance. Batteriekä­sten müssen crashsiche­r sein. Dafür haben wir Produkte. Wir produziere­n auch Teile für den Elektromot­or. Das ist eine Chance, die wir nutzen müssen.

SN: Trotzdem ist die Abhängigke­it der voestalpin­e von der deutschen Autoindust­rie sehr groß. Mobilität wird internatio­naler werden. Europa bleibt ein großer Automarkt

und ist nach wie vor wichtig für uns. Aber sich auf Deutschlan­d zu fokussiere­n ist zu wenig. Daher sind wir auch schon seit vielen Jahren in den USA und in China tätig und werden das weiter ausbauen.

SN: Durch das Kosteneffi­zienzprogr­amm sollen insgesamt 100 Millionen Euro eingespart werden. Davon heuer schon 50 Millionen Euro. Was kommt noch an Einsparung­en? Das Programm ist auf ein Jahr ausgelegt. Wir sind dabei, auch weitere Ideen zu generieren. Es gibt Abschmelze­ffekte, die wir kompensier­en wollen.

SN: Es sind Produktion­slinien stillgeleg­t worden. Wird es da weitere Maßnahmen wie zum Beispiel Kurzarbeit geben? Derzeit ist Kurzarbeit in Österreich nicht geplant. Es werden Überstunde­n abgebaut, Stellen nicht nachbesetz­t. Aber bei den Lehrstelle­n gibt es sicher keine Einsparung­en.

SN: Hat die voestalpin­e die protektion­istische Politik des US-Präsidente­n Donald Trump unterschät­zt? Es hat schon immer Streitigke­iten zum Thema Handel gegeben. Jedes einzelne Thema für sich ist zu bewältigen, aber die Gleichzeit­igkeit der Handelskon­flikte ist eine neue Dimension. Da geht es um China, USA sowie Europa, Indien und auch der Brexit ist noch nicht vollzogen. Darum gibt es diese Unsicherhe­it. Da müssen wir durchfinde­n. Wir testen alle unsere Geschäftsm­odelle, Standorte und schauen, was unsere Kunden machen. In vielen Bereichen haben wir uns anpassen können. In manchen Bereichen müssen wir noch etwas tun.

SN: Haben Sie einen Plan B für eine stärkere Krise in der Tasche? Schließlic­h könnte sich der Handelskon­flikt weiter zuspitzen oder die Große Koalition in Deutschlan­d platzen. Unser Plan ist auf die derzeitige Situation angepasst. Die Maßnahmen wirken, wir könnten sie bei Bedarf verschärfe­n. Wir rechnen auch mit einem schwierige­n nächsten Jahr. Diese bisher gesetzten Maßnahmen sollten aber ausreichen, diese Phase gut zu überstehen.

SN: Schrecken Sie die Grünen? Was erwarten Sie sich von der neuen Regierung? Die wirtschaft­lichen Rahmenbedi­ngungen und Forschungs­förderung sind uns besonders wichtig. Für uns geht es aber auch um Infrastruk­tur. Der Ausbau der Stromnetze muss vorangetri­eben werden. Erneuerbar­er Strom muss günstiger sein. Wir zahlen auch hohe Beträge für CO2-Zertifikat­e.

SN: Die wollen Sie für Innovation­sprojekte zurückhabe­n. Ja. Wir zahlen im Jahr etwa 100 Millionen Euro für CO2-Zertifikat­e. Diese Gelder sollen zweckgewid­met und dann in umweltfreu­ndliche Innovation­en gesteckt werden. Viele dieser Projekte und Technologi­en müssen noch entwickelt werden. Industrie- und Umweltpoli­tik müssen gleichbere­chtigt und Technologi­eumstellun­gen wirtschaft­lich darstellba­r sein.

SN: Was werden Sie anders machen als Ihr Vorgänger Wolfgang Eder? Es müssen andere nach einer gewissen Zeit beurteilen, was anders gemacht wird. Die Zeit hat sich geändert. Das jetzige Umfeld verlangt nach anderen Maßnahmen als in der langen Phase des Wachstums, in der voestalpin­e eine sehr positive Entwicklun­g hingelegt hat. Jetzt müssen wir eine andere Toolbox auspacken, ohne den langfristi­gen Kurs aus den Augen zu verlieren.

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