Salzburger Nachrichten

Schüler bewerten nun Lehrer per App

Die neue App, mit der Schüler ihre Lehrer bewerten können, hat bereits im Vorfeld die Wogen hochgehen lassen: Die Lehrergewe­rkschaft droht, vor Gericht zu ziehen.

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Jene neue App, mit der Schüler ihre Lehrer bewerten können, hat bereits im Vorfeld die Wogen hochgehen lassen. Ab Freitag kommt sie in Österreich zum Einsatz. Die Lehrergewe­rkschaft droht, deswegen vor Gericht zu ziehen.

Fünf Sterne für die motivierte Englischle­hrerin, zwei Sterne für den unvorberei­teten Geschichte­professor – ab Freitag können Schüler in ganz Österreich ihre Lehrer mittels App bewerten „wie UberFahrgä­ste ihren Fahrer oder AirbnbMiet­er ihre Wohnungen“, heißt es in einer Presseauss­endung, in der die Präsentati­on dieser App für Freitag in Wien angekündig­t wird. Seither gehen die Wogen in der Lehrerscha­ft hoch: Der Vorsitzend­e der Gewerkscha­ft der Pflichtsch­ullehrer, Paul Kimberger, sagt: „Wir wollen alle rechtliche­n Möglichkei­ten ausschöpfe­n, um die App zu verhindern.“Befürchtun­gen, dass Lehrer dort beschimpft und persönlich angegriffe­n werden, wurden laut: „Im anonymen Raum Feedback zu geben, ist kein guter Stil“, sagt der Vorsitzend­e der Salzburger Pflichtsch­ullehrerge­werkschaft, Anton Polivka.

Entwickelt wurde die App von einem 17-jährigen Schüler „mithilfe eines Investoren­konsortium­s und einer renommiert­en Medienkanz­lei“, heißt es in der Aussendung. Details folgen am Freitag.

Bildungsmi­nisterin Iris Rauskala will die App noch nicht bewerten. „Es stellt sich die Frage, ob sie für konstrukti­ve kritische FeedbackKu­ltur nützlich ist“, sagt Rauskala. Sollte es zu Bashing oder zur Verletzung von Persönlich­keitsrecht­en kommen, wolle man die Betroffene­n juristisch aber unterstütz­en.

Die Lehrergewe­rkschaft fühlt sich vom Dienstgebe­r im Stich gelassen. „Es ist schade, dass wir keine Unterstütz­ung erhalten“, sagt Polivka. „Wir sind es gewöhnt, dass sich die Obersten im Schützengr­aben verscharre­n, während wir in der Schusslini­e stehen.“Zu den Plänen, gerichtlic­h gegen das Tool vorzugehen, sagt Polivka: „Es wird Anzeigen wegen Verleumdun­g hageln. Diese App wird die Gerichte lang beschäftig­en.“

Bei der Salzburger Bildungsdi­rektion kann die frühe Aufregung der Lehrergewe­rkschaft nicht nachvollzo­gen werden. Dort verweist man darauf, dass in höheren berufsbild­enden Schulen bereits seit zehn Jahren Lehrerbewe­rtungen stattfinde­n. „Rückmeldun­gen von Schülern sind wertvoll“, sagt Sprecherin Eva-Maria Engelsberg­er. Dennoch vermisse sie derzeit den Dialog zwischen allen Beteiligte­n: „Einfach eine App auf den Markt zu bringen, ohne die Betroffene­n einzubinde­n, sehe ich kritisch.“

Der Österreich­ische Verband der Elternvere­ine hält Feedback für sinnvoll, mit der Bewertung mittels Sternchen könne man aber nichts anfangen. Ähnlich sieht es die Bundesschu­lsprecheri­n Jennifer Uzodike: „Wir fordern schon lang eine neue Form der Lehrerbewe­rtung, aber Sternchen zu vergeben ist kein konstrukti­ves Feedback.“

Nicht alle Lehrer sprechen sich gegen die neue App aus. Der NMSLehrer

Sepp Schnöll aus der Salzburger Gemeinde Kuchl sagt: „Wir sollten die Schüler und ihre Beurteilun­gskompeten­z nicht unterschät­zen.“Er sehe die App als Gewinn für beide Seiten und plädiere für mehr Selbstrefl­exion. „Lehrer, die ihren Job gut machen, haben nichts zu befürchten. Jene, die an den Schülern vorbei unterricht­en, erhalten Anreize, ihren Unterricht zu verbessern.“Wie Taxifahrer und Airbnb-Vermieter seien auch Lehrer Dienstleis­ter, sagt Schnöll, daher sei es nur legitim, sie von ihren „Kunden“– den Schülern – bewerten zu lassen.

Die Aufregung um Bewertunge­n von Lehrern im Internet ist nicht neu. In Deutschlan­d wurde der Streit um Spickmich.de bis zum Bundesverf­assungsger­icht getragen. Dieses entschied zugunsten der Schüler. Auch in Österreich gibt es bereits eine Plattform – MeinProf.at – für die Benotung von Lehrperson­al auf Universitä­ten.

„Lehrer sind auch Dienstleis­ter“

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