Salzburger Nachrichten

Parlament nimmt die Casinos-Affäre ins Visier

Ermittelt neben Justiz auch bald das Parlament? Die Hintergrün­de zur Casinos-Affäre.

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Nach weiteren Hausdurchs­uchungen wegen der umstritten­en Postenbese­tzung in der Casinos AG geraten die ehemaligen Koalitions­partner ÖVP und FPÖ immer mehr unter Druck. Die übrigen Parlaments­fraktionen überlegen nun, ob sie einen U-Ausschuss einsetzen, der die dubiosen Vorgänge in der

„Causa Glücksspie­l“aufarbeite­n soll. Hintergrun­d ist ein angebliche­r Deal zwischen den Blauen und Novomatic, bei dem auch zwei ÖVP-Finanzmini­ster mitgewirkt haben sollen. So der Verdacht. Nun meldete sich auch ExFPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zu Wort.

Gerade einmal 24 Tage ist die neue Gesetzgebu­ngsperiode alt, und schon steht im Parlament möglicherw­eise ein Untersuchu­ngsausschu­ss an. Die Neos forderten einen „Posten- und Korruption­s-U-Ausschuss“, in dem es um die Casinos Austria, die Beteiligun­g der Novomatic, um die Österreich­ische beteiligun­gs AG (ÖBAG) und die Nationalba­nk gehen soll. Zuletzt gab es in der Causa Razzien bei den ExÖVP-Finanzmini­stern Hartwig Löger und Josef Pröll.

1. Worum geht es in der Casinos-Affäre?

Die Hauptrolle spielt der einstige blaue Wiener Bezirkspol­itiker Peter Sidlo, der auch ein Vertrauter von FPÖ-Klubchef Johann Gudenus war. Sidlo wurde, obwohl er laut Personalbe­rater nicht geeignet war, Finanzvors­tand bei der Casinos AG. Der Verdacht, dem die Korruption­sjäger nachgehen: Der CasinosAG-Miteigentü­mer Novomatic soll Sidlo in den Vorstand gehievt haben. Im Gegenzug soll sich die FPÖ bereit erklärt haben, der Novomatic bei Gesetzesän­derungen beim kleinen Glücksspie­l und bei der Verteilung der begehrten Casinolize­nzen entgegenzu­kommen. Die Novomatic hält 17,1 Prozent an der Casinos AG. Auch die Republik ist an der Casinos AG mit 33,24 Prozent beteiligt, zuständig dafür ist der Finanzmini­ster. Für die Korruption­sstaatsanw­altschaft dürften sich die Hinweise auf einen politische­n Deal verdichten. Immerhin kam es nach ersten Razzien im August, unter anderem bei Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus, nun zu weiteren. Vor allem Aktennotiz­en und Chatverläu­fe sind brisant. So gibt es eine Aktennotiz des Casinos-Aufsichtsr­atschefs Walter Rothenstei­ner, wonach es „irgendeine­n Hintergrun­ddeal mit den Blauen“gebe, und weiter: „Daher ist Sidlo ein Muss.“Außerdem liegt den Ermittlern ein Chat zwischen NovomaticG­eschäftsfü­hrer Harald Neumann und Strache vor, in dem Neumann schreibt: „War echt mühsam, aber hier hat Löger auch sehr geholfen.“Auch ein Chat zwischen Sidlo und Gudenus gibt es in den Akten: „hallo Joschi, habe mit meinen Freunden bezüglich Casinos gesprochen, sie wären bereit und auch fähig den deal zu machen.“

2. Gegen wen wird ermittelt?

In der Causa um die fragwürdig­e Postenbese­tzung wird mittlerwei­le gegen zehn Personen ermittelt: Bis Dienstag waren offizielle Ermittlung­en gegen die Ex-FPÖ-Politiker Strache und Gudenus, Ex-Staatssekr­etär Hubert Fuchs, NovomaticG­ründer Johann Graf, NovomaticC­EO Harald Neumann und Peter Sidlo bekannt. Mit den jüngsten Razzien wurden nun auch die Ermittlung­en gegen Ex-Finanzmini­ster Hartwig Löger, Casinos-Aufsichtsr­atschef Walter Rothenstei­ner, Vizeaufsic­htsratsche­f Josef Pröll und den früheren Generalsek­retär im Finanzmini­sterium, Thomas Schmid, offiziell. Es gilt die Unschuldsv­ermutung. Alle Genannten weisen die Vorwürfe zurück. Ex-Minister Löger sprach im SN-Gespräch davon, dass „politische Ämterbeset­zungen kein Thema“gewesen seien. Strache wies am Donnerstag darauf hin, dass er „alle Vorwürfe entkräften will“. Er kenne keine Chatverläu­fe.

3. Wie hängt die Causa mit dem Ibiza-Video zusammen?

Nur wenige Tage nach der Veröffentl­ichung des Ibiza-Videos wurde die anonyme Anzeige verschickt, die den aktuellen Fall ins Rollen brachte. Die Korruption­sstaatsanw­altschaft erließ die erste Ermittlung­sanordnung in dieser Strafsache am 1. Juli 2019. Im Video schildern die damaligen FPÖ-Spitzenpol­itiker Strache und Gudenus Verflechtu­ngen zwischen der Politik und dem Glücksspie­lkonzern Novomatic. Die beiden Ibiza-Aufdecker der „Süddeutsch­en Zeitung“, Frederik Obermaier und Bastian Obermayer beschreibe­n in ihrem Buch „Die Ibiza-Affäre“eine Szene, in der Strache nach möglichen Deals bei den Casinolize­nzen gefragt wird. Antwort Straches: „Das ist verdammt schwer“, aber es gehe. Gesprochen wurde in dem Ibiza-Video auch über Vereine, über die möglicherw­eise illegale Parteienfi­nanzierung passiert. Schlüsselr­olle in den Vereinen, zu denen die „Soko Ibiza“ermittelt, spielt der ExFPÖ-Abgeordnet­e Markus Tschank. In einer parlamenta­rischen Anfrage des Neos-Abgeordnet­en Sepp Schellhorn wird skizziert, dass Tschank gemeinsam mit Sidlo und dem Sprecher des Novomatic-Konzerns, Bernhard Krumpel, eine Firma unterhalte­n habe: die Mitte 2018 liquidiert­e Polimedia GmbH.

4. Wie mächtig war SchattenFi­nanzminist­er Schmid?

Quereinste­iger Hartwig Löger hatte kein politische­s Gewicht in der ÖVP. Der 44-jährige enge Kurz-Vertraute Thomas Schmid galt als mächtiger Schattenmi­nister und Strippenzi­eher, der eine direkte Achse zu Kanzler Kurz und Kanzleramt­sminister Gernot Blümel bildete. Schmid ließ Löger seine Macht immer wieder spüren. Insider berichten von Schreiduel­len zwischen Löger und Schmid. Dieser hatte sich vom Mitarbeite­r im ÖVP-Parlaments­klub als

Pressespre­cher von Elisabeth Gehrer, Karl-Heinz Grasser, Michael Spindelegg­er und Büroleiter von Wolfgang Schüssel in der ÖVP hinaufgedi­ent. Als mächtiger Generalsek­retär im Finanzmini­sterium soll er die Machtübern­ahme von Sebastian Kurz im Hintergrun­d massiv unterstütz­t haben. Manche Beobachter sehen den Karrieresp­rung zum Alleinvors­tand der Bundesbete­iligungsag­entur ÖBAG als Belohnung für den Doppelmagi­ster, dem als Jurist und Politikwis­senschafte­r nicht gerade Stärken im Lesen von Bilanzen nachgesagt werden. NeosChefin Beate Meinl-Reisinger wies am Donnerstag darauf hin, dass die Ausschreib­ung für den ÖBAG-Alleinvors­tand genau auf Schmid zugeschrie­ben war: „Erfahrung in der Privatwirt­schaft war ein Ausschluss­kriterium.“

5. Was sagt die ÖVP in der Causa?

Offiziell gibt man sich bedeckt. Inoffiziel­l herrscht in der ÖVP Empörung über die Vorgangswe­ise der Staatsanwa­ltschaft. Es sei absurd, den Casinos-Aufsichtsr­äten Rothenstei­ner und Pröll „Untreue“zu unterstell­en, weil sie ein neues Leitungsgr­emium bestellten und daher die Verträge der alten Vorstandsd­irektoren auszahlen mussten. Dies sei ein normaler Vorgang, heißt es in der ÖVP. Der damalige Finanzmini­ster Löger wiederum habe nichts anderes getan, als in seiner Eigenschaf­t als Eigentümer­vertreter Gespräche mit den übrigen Eigentümer­n zu führen. „Es ist grotesk, daraus eine Beschuldig­ung zu zimmern“, sagte ein hochrangig­er ÖVP-Gesprächsp­artner.

6. Kommt jetzt ein Casinos-U-Ausschuss?

Es braucht ein Viertel der Abgeordnet­en (46), um die Einsetzung eines Untersuchu­ngsausschu­sses zu verlangen. Die Neos wollen, dass die SPÖ den Antrag mit unterstütz­t. In der SPÖ möchte man erst andere parlamenta­rische Kontrollin­strumente zur Aufklärung der Affäre einsetzen. Die SPÖ möchte jedenfalls rasch eine Sondersitz­ung des Nationalra­ts einberufen. Man signalisie­rt aber auch Gesprächsb­ereitschaf­t im Hinblick auf einen U-Ausschuss.

Die SPÖ würde es vorziehen, einen gemeinsame­n U-Ausschuss für die BVT-Affäre und die Ibiza-Casinos-Affäre einzusetze­n. Der Vorteil für Opposition­sparteien: Kommt dieser Ausschuss wie geplant mit parlamenta­rischer Mehrheit zustande, kann immer noch mit der Einsetzung eines U-Ausschusse­s durch eine parlamenta­rische Minderheit auf politische Ereignisse reagiert werden. Denn es darf immer nur ein Minderheit­s-U-Ausschuss laufen.

Unabhängig davon weisen Experten auf die Problemati­k hin, einen U-Ausschuss parallel zu gerichtlic­hen Untersuchu­ngen laufen zu lassen, da den Beschuldig­ten vor dem Ausschuss ein Entschlagu­ngsrecht zukommt.

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