Windkraft geht die Luft aus
In Deutschland verlieren gerade Tausende Mitarbeiter in der Windindustrie ihren Job. Auch Österreich spürt die Probleme. Es könnten noch mehr werden.
Die Windbranche warnt vor Ausschreibungen
WIEN. Deutschlands größter Windradbauer Enercon hat vorige Woche angekündigt, 3000 Jobs in der Produktion abzubauen. Befürchtet wird, dass die Verlagerung der Turbinenproduktion auch den Lieferanten schaden wird. Enercon Chef Hans-Dieter Kettwig macht nicht zuletzt die Energiepolitik dafür verantwortlich. „Es bricht etwas weg, das wir nicht auffangen können“, sagte er diese Woche nach einem Krisentreffen in Hannover.
Die deutsche Windenergiebranche legt derzeit eine Vollbremsung hin. Im ersten Halbjahr 2019 wurden nur 150 Windräder errichtet, ein Fünftel der Zahl von 2018 und ein Zehntel von 2017. Als Grund für den Rückgang gilt die Umstellung des Fördersystems. Seit 2017 wird ausgeschrieben und nicht mehr alles mit fixen Einspeistarifen gestützt. Auch Österreichs abgesetzte Regierung hatte das geplant.
Stefan Gsänger, Generalsekretär des Welt-Windenergieverbands, warnt vor der Vergabemethode. Alle
Ziele seien verfehlt und die Energiegenossenschaften abgewürgt worden, die den deutschen Ausbau getragen und für mehr Akzeptanz der riesigen Windräder gesorgt hätten. Laut Gsänger gab es nur bei 75 Prozent der ausgeschriebenen Projekte einen Zuschlag, nicht einmal zehn Prozent wurden umgesetzt. Das Interesse an Projekten sinkt, viele blieben liegen. In der Folge musste im April Enercon-Konkurrent Senvion Insolvenz anmelden, andere kämpfen mit roten Zahlen.
Österreichische Windkraft-Zulieferfirmen spüren indirekt, dass der Ausbau in Deutschland zurückgeht. „Wir versuchen, den Lieferanteil anderswo zu erhöhen, aber der Preisdruck steigt“, sagt Stefan Schafferhofer, zuständig für Windenergie bei Elin Motoren. Das Unternehmen liefert Generatoren an die großen Turbinenbauer und wenn in Deutschland der Heimmarkt schwächelt, „trifft uns das“. Mit Siemens Gamesa, Enercon und Nordex haben drei der sechs größten Hersteller ihre Wurzeln in Deutschland. Auf Platz eins ist die dänische Vestas, auf Platz drei die chinesische Goldwind und auf Platz vier der US-Riese General Electric.
Andere große Windkraftmärkte wie die Türkei seien ebenfalls im Zuge von Ausschreibungen eingebrochen, sagt Schafferhofer. Wegen des Rückgangs in Indien habe vor zwei Jahren das Elin-Tochterwerk in Bosnien 30 Mitarbeiter abbauen müssen. Mittlerweile wurden neue, aber schlechtere Aufträge an Land gezogen und wieder aufgestockt.
Auch die Vorarlberger Firma
Bachmann, deren Getriebe in jeder dritten Windturbine der Welt arbeiten, setzt jetzt mehr auf Regionen, in denen Windkraft noch boomt, etwa Asien. Firmenchef Bernhard Zangerl hält die deutsche Entwicklung für völlig verfehlt: „Das ist eine politische Bankrotterklärung in Hinblick auf die CO2-Ziele“, sagt er. Deutschland will den Ökostromanteil bis 2030 von 43 auf 65 Prozent steigern, wegen des Atomkraftund Kohleausstiegs drängt die Zeit.
Dass die deutschen Konzerne sich zu sehr auf hohe Förderungen im Heimmarkt verlassen hätten und nicht wettbewerbsfähig seien, sieht Zangerl nicht. „Die Politik glaubt, die Industrie lässt sich ausund einschalten.“So gingen wertvolles Know-how und zukunftsträchtige Arbeitsplätze verloren. Onshore-Windkraft sei bereits konkurrenzfähig, daher würden Ausschreibungen in Zukunft – wie ab 2021 in China – keine Förderung mehr vorsehen. Zurzeit fehlten aber klare politische Rahmenbedingungen und Aufklärung der Bevölkerung. Die Flaute der deutschen Windindustrie erinnert manchen bereits an den Niedergang der zunächst boomenden Solarbranche. Heute kommt das Gros der Sonnenpaneele aus China. „Ich fände es schade, wenn ein ähnlicher Kahlschlag stattfände“, sagt Zangerl.
Den erwartet die deutsche Ökoenergiebranche ohnehin, wenn der Gesetzesentwurf zum Kohleausstieg von Wirtschaftsminister Peter Altmaier durchgeht. Der sieht bundesweit 1000 Meter Abstand zwischen Windrädern und Wohnsiedlungen vor. Die Bundesländer können das ändern, und Niedersachsen, wo Enercon seinen Hauptsitz hat, hat das schon angekündigt. Generell wird aber erwartet, dass die verfügbare Fläche für Windräder um 50 Prozent sinken wird.
In Österreich sind Abstände Landessache. Der Windkraftausbau hat sich ebenfalls verlangsamt. Nach der Ökostrom-Novelle erwartet die IG Windkraft wieder Zuwächse.