Nur Kontrolle schützt vor Machtmissbrauch
Die aktuellen Affären zeigen: Die politische Landschaft in Österreich braucht eine neue Kultur der Transparenz.
Das Amtsgeheimnis gehört reformiert
Die neue Regierung – wie immer sie aussehen wird – muss nicht nur die Klimakrise bekämpfen, sondern auch eine noch nie da gewesene Vertrauenskrise, mit der die Politik konfrontiert ist. Seit Ibiza ist ein Skandal nach dem anderen hochgekommen, zuletzt die Affäre um die Besetzung eines Vorstandspostens in der Casinos AG. Nicht nur blaue Funktionsträger, auch namhafte ÖVP-Leute sollen dabei geholfen haben, einen offiziell nicht ausreichend qualifizierten FPÖ-Bewerber auf den lukrativen Posten zu hieven. Die Staatsanwaltschaft wird berechtigterweise die Frage stellen, wer aller von dem fragwürdigen Personaldeal wusste und welche Gegenleistungen in Aussicht gestellt wurden.
Diese wie alle anderen Ruchlosigkeiten im Land eint, dass wir immer erst dahinterkommen, wenn es schon zu spät ist. Das wenig Tröstliche dabei ist, dass solche dubiosen politischen Geschäfte und Gegengeschäfte wenigstens ab und zu aufgedeckt werden.
Sehr oft geschieht dies unter starker Mitwirkung von freien Medien. Das zeigt uns, wie wichtig die unabhängige Berichterstattung in Österreich ist. Das war schon vor fast 75 Jahren so, als die ersten freien Zeitungen wie die „Salzburger Nachrichten“nach dem Zweiten Weltkrieg neu gegründet worden sind. Und das ist bis zum heutigen Tag so geblieben. Das schmeckt den Machthabern nicht. Neuerdings wollen einige von ihnen sogar Journalisten überwachen lassen.
Der britische Historiker und Publizist John Baron Acton sagte Mitte des 19. Jahrhunderts: „Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut.“Er meinte damals noch den Papst und kritisierte das festgeschriebene Dogma von dessen Unfehlbarkeit. Mehr als 150 Jahre später gilt seine These vor allem in der Politik nach wie vor. Sie ist Tausende und Abertausende Male auf der ganzen Welt bestätigt worden.
Sieht man sich diese politischen Skandale an, könnte man zu dem falschen Schluss kommen, dass sich in erster Linie korrupte Menschen von der Macht angezogen fühlen. Und dass die Politik ein Sammelbecken von schlechten Menschen ist. Als Gegenmittel müsste man für politische Führungspositionen Menschen aussuchen, die neben der fachlichen Qualifikationen vor allem die positiven Charaktereigenschaften
der Unbestechlichkeit und Ehrlichkeit mitbringen. Und alles würde gut werden.
Schweizer Forscher an der Uni Lausanne haben herausgefunden, dass das auf Dauer wenig nützt. Deren ernüchternder Befund lautet: Auch die Ehrlichen sind irgendwann durch Macht korrumpierbar.
Was tun? Damit abfinden? Hinnehmen, dass die da oben eh alle die Gleichen sind?
Die Erfahrung zeigt, dass totale Transparenz, scharfe Kontrollen und harte Konsequenzen Menschen in Machtpositionen dauerhaft davon abhalten, falsch abzubiegen. Die neue Regierung und das
Parlament haben alle Hände voll zu tun, um die Glaubwürdigkeit der Politik wiederherzustellen.
Erstens: Die Kontrollmöglichkeiten der Rechnungshöfe müssen radikal erweitert werden. Vor allem die Parteikassen sind offenzulegen, auch die Kassen aller Vorfeldorganisationen.
Zweitens: Es müssen strenge Benimmregeln für Politikerinnen und Politiker aufgestellt werden. Alles, was mit dem öffentlichen Auftrag nicht vereinbar ist, gehört ausdrücklich verboten. Die Einhaltung muss kontrolliert werden. Alle Regierenden in Bund, Ländern, Städten und Gemeinden müssen ihre Handlungen mit unabhängigen Compliance-Beauftragten abstimmen. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass die Anständigen – die es Gott sei Dank in der Politik gibt – ohnehin ein Gespür dafür haben, was erlaubt ist und was nicht. Kontrolle schützt so auch die Charakterfesten.
Drittens: Es muss in Zukunft absolute Transparenz darüber herrschen, wie politische Entscheidungen zustande kommen. In die Akten ist Einsicht zu gewähren. Das oft missbräuchlich eingesetzte österreichische Amtsgeheimnis gehört reformiert.
Die neue Regierung hat die Chance, eine totale Umkehr der bisherigen korruptionsanfälligen Politik einzuläuten. Die Hoffnung, dass wir es in der Politik wie im Leben nur mit unfehlbaren Menschen zu tun haben, ist nicht berechtigt. Effiziente und unnachgiebige Kontrolle ist längst überfällig.