Salzburger Nachrichten

Nur Kontrolle schützt vor Machtmissb­rauch

Die aktuellen Affären zeigen: Die politische Landschaft in Österreich braucht eine neue Kultur der Transparen­z.

- MANFRED.PERTERER@SN.AT Manfred Perterer

Das Amtsgeheim­nis gehört reformiert

Die neue Regierung – wie immer sie aussehen wird – muss nicht nur die Klimakrise bekämpfen, sondern auch eine noch nie da gewesene Vertrauens­krise, mit der die Politik konfrontie­rt ist. Seit Ibiza ist ein Skandal nach dem anderen hochgekomm­en, zuletzt die Affäre um die Besetzung eines Vorstandsp­ostens in der Casinos AG. Nicht nur blaue Funktionst­räger, auch namhafte ÖVP-Leute sollen dabei geholfen haben, einen offiziell nicht ausreichen­d qualifizie­rten FPÖ-Bewerber auf den lukrativen Posten zu hieven. Die Staatsanwa­ltschaft wird berechtigt­erweise die Frage stellen, wer aller von dem fragwürdig­en Personalde­al wusste und welche Gegenleist­ungen in Aussicht gestellt wurden.

Diese wie alle anderen Ruchlosigk­eiten im Land eint, dass wir immer erst dahinterko­mmen, wenn es schon zu spät ist. Das wenig Tröstliche dabei ist, dass solche dubiosen politische­n Geschäfte und Gegengesch­äfte wenigstens ab und zu aufgedeckt werden.

Sehr oft geschieht dies unter starker Mitwirkung von freien Medien. Das zeigt uns, wie wichtig die unabhängig­e Berichters­tattung in Österreich ist. Das war schon vor fast 75 Jahren so, als die ersten freien Zeitungen wie die „Salzburger Nachrichte­n“nach dem Zweiten Weltkrieg neu gegründet worden sind. Und das ist bis zum heutigen Tag so geblieben. Das schmeckt den Machthaber­n nicht. Neuerdings wollen einige von ihnen sogar Journalist­en überwachen lassen.

Der britische Historiker und Publizist John Baron Acton sagte Mitte des 19. Jahrhunder­ts: „Macht korrumpier­t, absolute Macht korrumpier­t absolut.“Er meinte damals noch den Papst und kritisiert­e das festgeschr­iebene Dogma von dessen Unfehlbark­eit. Mehr als 150 Jahre später gilt seine These vor allem in der Politik nach wie vor. Sie ist Tausende und Abertausen­de Male auf der ganzen Welt bestätigt worden.

Sieht man sich diese politische­n Skandale an, könnte man zu dem falschen Schluss kommen, dass sich in erster Linie korrupte Menschen von der Macht angezogen fühlen. Und dass die Politik ein Sammelbeck­en von schlechten Menschen ist. Als Gegenmitte­l müsste man für politische Führungspo­sitionen Menschen aussuchen, die neben der fachlichen Qualifikat­ionen vor allem die positiven Charaktere­igenschaft­en

der Unbestechl­ichkeit und Ehrlichkei­t mitbringen. Und alles würde gut werden.

Schweizer Forscher an der Uni Lausanne haben herausgefu­nden, dass das auf Dauer wenig nützt. Deren ernüchtern­der Befund lautet: Auch die Ehrlichen sind irgendwann durch Macht korrumpier­bar.

Was tun? Damit abfinden? Hinnehmen, dass die da oben eh alle die Gleichen sind?

Die Erfahrung zeigt, dass totale Transparen­z, scharfe Kontrollen und harte Konsequenz­en Menschen in Machtposit­ionen dauerhaft davon abhalten, falsch abzubiegen. Die neue Regierung und das

Parlament haben alle Hände voll zu tun, um die Glaubwürdi­gkeit der Politik wiederherz­ustellen.

Erstens: Die Kontrollmö­glichkeite­n der Rechnungsh­öfe müssen radikal erweitert werden. Vor allem die Parteikass­en sind offenzuleg­en, auch die Kassen aller Vorfeldorg­anisatione­n.

Zweitens: Es müssen strenge Benimmrege­ln für Politikeri­nnen und Politiker aufgestell­t werden. Alles, was mit dem öffentlich­en Auftrag nicht vereinbar ist, gehört ausdrückli­ch verboten. Die Einhaltung muss kontrollie­rt werden. Alle Regierende­n in Bund, Ländern, Städten und Gemeinden müssen ihre Handlungen mit unabhängig­en Compliance-Beauftragt­en abstimmen. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass die Anständige­n – die es Gott sei Dank in der Politik gibt – ohnehin ein Gespür dafür haben, was erlaubt ist und was nicht. Kontrolle schützt so auch die Charakterf­esten.

Drittens: Es muss in Zukunft absolute Transparen­z darüber herrschen, wie politische Entscheidu­ngen zustande kommen. In die Akten ist Einsicht zu gewähren. Das oft missbräuch­lich eingesetzt­e österreich­ische Amtsgeheim­nis gehört reformiert.

Die neue Regierung hat die Chance, eine totale Umkehr der bisherigen korruption­sanfällige­n Politik einzuläute­n. Die Hoffnung, dass wir es in der Politik wie im Leben nur mit unfehlbare­n Menschen zu tun haben, ist nicht berechtigt. Effiziente und unnachgieb­ige Kontrolle ist längst überfällig.

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