Salzburger Nachrichten

Trump greift Zeugin per Twitter an

Während die frühere US-Botschafte­rin in Kiew vor dem Kongress aussagte, machte der Präsident deren bisherige Arbeit schlecht. Die Diplomatin fühlt sich eingeschüc­htert.

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WASHINGTON. Es war ein dramatisch­er Moment, als der Vorsitzend­e des Geheimdien­stausschus­ses im Kongress die Befragung der Botschafte­rin unterbrach. Dann verlas Adam Schiff einen Tweet, den Trump gerade aus dem Weißen Haus abgefeuert hatte. „Überall, wo Marie Yovanovitc­h hinging, veränderte­n sich die Dinge zum Schlechter­en“, schrieb der Präsident und griff so die Zeugin direkt an. „Es ist das absolute Recht eines Präsidente­n, Botschafte­r zu benennen.“

Schiff gab der Botschafte­rin Gelegenhei­t, sich dazu zu äußern. „Das ist sehr einschücht­ernd“, erklärte die Diplomatin, die auf eine glänzende Karriere mit fünfzehn

Auslandspo­sten zurückscha­ut, darunter fünf, die offiziell als „besondere Härte“definiert sind. Yovanovitc­h rang um Worte. „Ich kann nicht sagen, was der Präsident zu tun versucht. Aber der Effekt ist sehr einschücht­ernd.“

So begriff auch Schiff die Interventi­on Trumps. „Das ist Zeugeneins­chüchterun­g in Echtzeit“, erklärte der Vorsitzend­e. „Wir nehmen das sehr ernst.“

John Dean, der ehemalige Justiziar Richard Nixons während der Watergate-Affäre, glaubt, Trump habe einen schweren Fehler begangen, der ihm zum Verhängnis werden könne. Offenbar ging dem Präsidente­n unter die Haut, was Yovanovitc­h vor dem Kongress aussagte. Die Botschafte­rin schilderte, wie

Trumps Hausanwalt Rudy Giuliani mit Mittelsleu­ten in der Ukraine ihre Arbeit unterminie­rte und eine Schmutzkam­pagne inszeniert­e.

Sichtbar berührt erinnerte sich Yovanovitc­h an ihre Reaktion auf das Gedächtnis­protokoll des Telefonats zwischen US-Präsident Trump und dem neuen ukrainisch­en Staatschef Wolodymyr Selenskyji. Der Präsident hatte seine Botschafte­rin dort als „schlechte Nachricht“bezeichnet. Dann versichert­e er Selenskyji, sie werde ein paar Sachen durchmache­n. Sie habe sich gefragt, was das bedeute. „Ich fühlte mich bedroht“, sagte sie am Freitag.

Analysten verglichen das Verhalten Trumps mit dem eines Mafiabosse­s, der Personen droht, die nicht mit ihm kooperiere­n oder belastende Informatio­nen preisgeben. Mit seinem Tweet habe er den Eindruck verstärkt. Selbst ein Moderator auf Trumps Lieblingss­ender FOX sieht Probleme auf den Präsidente­n zukommen und spricht von einem „Wendepunkt“im Impeachmen­t-Verfahren.

Bisher sah wenig danach aus, dass sich die Stimmung der stark polarisier­ten Amerikaner durch die Anhörungen wesentlich verändern wird. Während eine knappe Mehrheit

für die Amtsentheb­ung ist, kann sich der Präsident weiterhin auf Anhänger und Partei verlassen.

Die demokratis­che Sprecherin des Repräsenta­ntenhauses, Nancy Pelosi, sprach jetzt nach den schwer belastende­n Aussagen der beiden Karrieredi­plomaten George Kent und Bill Taylor erstmals von Bestechung. In der US-Verfassung wird Bestechung ausdrückli­ch als ein Tatbestand für eine Amtsentheb­ung angeführt. „Der Präsident missbrauch­te seine Macht und verletzte seinen Eid mit der Drohung, Militärhil­fe und ein Treffen im Weißen Haus zurückzuha­lten, bis er als Gegenleist­ung dafür Ermittlung­en gegen seine politische­n Gegner bekommen hat“, brachte Pelosi den Vorwurf auf den Punkt.

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BILD: SN/APA/AFP/SAUL LOEB Fühlt sich von Trump bedroht: Zeugin Marie Yovanovitc­h.
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