Salzburger Nachrichten

So tickt der letzte aufrechte Dorfpolizi­st

Kein sentimenta­ler „Tatort“: Ulrike Folkerts’ Wiedersehe­n mit Ben Becker gerät zu einem psychologi­sch packenden Korruption­sdrama.

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SALZBURG. Strömender Regen, ein Lkw mit überhöhter Geschwindi­gkeit, zwei Streifenpo­lizisten: Die folgende Fahrerüber­prüfung gerät außer Kontrolle, zwei Schüsse fallen, ein junger Polizist stirbt – und schon hat Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) Grund, aus Ludwigshaf­en anzureisen und sich des Falles anzunehmen. Da der Fahrer über die nahe französisc­he Grenze geflüchtet ist, wird dies keine einfache Angelegenh­eit. Zumal Lena in ihrem inzwischen 70. Fall rasch einige Ungereimth­eiten im zuständige­n Polizeirev­ier auffallen.

Dabei hat sie einen Startvorte­il, ist doch der Revierleit­er ein alter Bekannter, mit dem Lena schon 1991 in ihrem dritten Fall zu tun hatte: Ortspolizi­st Stefan Tries, erneut verkörpert von Ben Becker. Becker war damals ein fester Platz als Assistent von Folkerts/Odenthal angeboten worden, hatte dies aber abgelehnt.

„Ich habe mir natürlich den Film von vor 28 Jahren angeschaut, da waren wir jung, schön – und sehr süß. Wir waren so schlimm verknallt damals“, sagte Folkerts am Rande der Dreharbeit­en.

Die Frage, wie weit alte Freundscha­ften gehen dürfen, wird in diesem Jubiläums-„Tatort“schlagend. Auch für Lena, die zunächst zur Kenntnis nimmt, dass es hier vor Fußballfan­s nur so wimmelt. Und Stefan ist sogar Trainer der örtlichen Mannschaft. Er gibt vor, nicht Französisc­h zu können, was Lena widerlegt. Richtig stutzig wird sie, als Stefans Halterabfr­age des fraglichen Lkw nirgendwo dokumentie­rt ist. Der einst aufgeschlo­ssene Kollege hat sich enorm verändert. Auch er scheint in die offensicht­liche Korruption verwickelt zu sein.

Regisseuri­n Brigitte Bertele hat in den Krimi zum 30. Geburtstag des „Lena Odenthal“-Formats viel ländliches Lokalkolor­it gepackt – voller Abgründe in dem fiktiven Dorf Zarten nahe der französisc­hen Grenze. Das Revier liegt entspreche­nd kurios „an der Bullenweid­e“– das ist zugleich ein Scherz und kein Scherz. Auf dem Revier hat längst nicht mehr Stefan das Sagen, sondern ein imaginärer „Maître“.

Der getötete Polizist hatte ein Dossier über unlautere Vorgänge im Revier angelegt gehabt, das ihm womöglich zum Verhängnis wurde. Und er wollte das Revier wechseln. „Ein bis dato sehr lukratives Geschäft beginnt, seine Kinder zu fressen“, resümiert Lena, die Stefan anblafft: „Was bist du nur für ein korrupter Sack geworden.“Vom Wiedersehe­n mit ihm ist sie konsternie­rt, trotzdem wird Lena schwach – inklusive Tänzchen, illustrier­t von entspreche­nden Szenen des Films von vor 28 Jahren. Natürlich gibt es nicht nur eine dicke Pointe, aber diesem Film geht es weniger um Spannung, sondern um Milieuzeic­hnung, psychische Profile, Macht, Träume, Neid, Gier und Aufrichtig­keit.

Tatort: Die Pfalz von oben, Sonntag ab20.15UhrinORF­2undderARD

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BILD: SN/SWR/JACQUELINE KRAUSE-BURBERG Ben Becker mit Ulrike Folkerts heute …
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BILD: SN/SWR/JOHANNES HOLLMANN … und einst: im Jahr 1991 in „Tod im Häcksler“.

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