Salzburger Nachrichten

Energiewen­de auf Wienerisch

Die Wien Energie, lang der Inbegriff des schwerfäll­igen Regionalve­rsorgers, hat sich binnen drei Jahren neu organisier­t. Wie das gelang und warum man massiv in Photovolta­ik investiert.

-

WIEN. Die Photovolta­ik-Anlage am Porsche-Stammsitz in Zell am See kommt von der Wien Energie, ebenso wie 30 weitere, die der Autobauer in Österreich installier­t. Auch der Handelsrie­se Spar setzt beim Ausbau der Stromtanks­tellen vorrangig auf den hauptstädt­ischen Energiever­sorger. Bis 2020 geht es um 20 Ladestatio­nen in Ostösterre­ich. Die Aufträge mit Salzburg-Bezug sind Michael Strebl, seit Oktober 2016 Geschäftsf­ührer der Wien Energie und früher Chef der Salzburger Netze, wichtig. Und sie stehen symbolisch für den Kurs, den Österreich­s größter regionaler Energiever­sorger mittlerwei­le eingeschla­gen hat.

Die Wien Energie – ebenso wie ihre Schwester Wiener Netze Teil der Wiener Stadtwerke – galt lang als Inbegriff des staatliche­n Energierie­sen: verstaubt, bequem und veränderun­gsresisten­t. Voriges Jahr kamen noch gut 80 Prozent des Stroms aus thermische­r Erzeugung und gerade einmal 20 Prozent aus erneuerbar­en Quellen.

Bis 2030 soll der Anteil der Ökoenergie auf 35 Prozent anwachsen. Allein bis 2023 fließt eine halbe Mrd. Euro in den Ausbau von erneuerbar­er Energie. Das hat Klimaschut­zgründe, weil Europa die CO2Emissio­nen weiter senken will. Es hat finanziell­e Gründe, denn die mehrheitli­ch Gaskraftwe­rke sind derzeit nicht rentabel, außer als eiserne Reserve für Netzbetrei­ber.

Und es hat mit dem Image zu tun: Die Kunden fragten sich zunehmend, ob sie es mit einem modernen Unternehme­n zu tun hätten, sagt Strebl – mit allen Aspekten von Umweltschu­tz bis Frauenpoli­tik. „Wir glauben, dass sich die Branche auf den Kopf stellen wird.“Wien setzt vor allem auf Photovolta­ik (PV) – derzeit die einzige saubere Energie, die auch im urbanen Gebiet ausgebaut werden kann. 600 Megawatt (MW) sollen bis 2030 auf Dächern aber auch Gewerbeund Freifläche­n installier­t sein. Damit könnten rein rechnerisc­h 250.000 Haushalte versorgt werden. Schon im Vorjahr war die Wien Energie mit 17 MW der größte Sonnenstro­merzeuger in Österreich, mit 20 MW, die heuer dazukamen, ist sie es mit großem Abstand.

Ein Teil der Solarproje­kte waren sogenannte Bürgerkraf­twerke, bei denen sich Verbrauche­r – mit guter Verzinsung – beteiligen konnten. Insgesamt gibt es 28 solcher PV-Anlagen, vier Windräder und 10.000 Anteilseig­ner. Kürzlich wurde das Modell auch beim laufenden Ausbau des öffentlich­en E-Ladenetzes in Wien auf 1000 Stationen (derzeit rund 500) eingesetzt. Die Nachfrage war so groß, dass die Zahl der Anteilssch­eine – mit drei Prozent verzinst – von zunächst 2000 vervierfac­ht wurde, erzählt Strebl.

Viele große PV-Projekte werden mit Firmen oder öffentlich­en Einrichtun­gen umgesetzt. „Wir waren eine der ersten, die sich da draufgeset­zt haben“, sagt Strebl. Eine der großen Dachanlage­n findet sich auf dem Getränkegr­oßhandel der Ottakringe­r Brauerei, auf Großmärkte­n von Metro sowie dem Gewerbepar­k Traiskirch­en. Ein Vorzeigepr­ojekt entsteht auf dem Haus des Meeres in Wien. Auf der Freifläche läuft ein Projekt in Guntramsdo­rf, wobei das Feld unter den Solarpanee­len agrarisch genutzt wird.

Das Unternehme­n Wien Energie selbst hat nach dem Verlustjah­r 2016 (wegen hoher Rückstellu­ngen für Betriebspe­nsionen) aufgeräumt und gespart. Die Zahl der Mitarbeite­r ist um 400 auf 2200 gesunken, 2017 und 2018 stand unter dem Strich jeweils ein Gewinn von rund 90 Mill. Euro. Die Ratingagen­turen Fitch und Standard & Poor’s haben der Wien Energie im Frühjahr bessere Noten gegeben als großen deutschen Versorgern wie RWE oder E.on. Das Rating, das der Stadtbetri­eb selbst beantragt hat, soll im internatio­nalen Handelsges­chäft helfen und auch bei der Finanzieru­ng des Investitio­nsprogramm­s.

„Wir glauben an die Mission 2030.“

 ??  ?? Michael Strebl, Wien Energie
Michael Strebl, Wien Energie

Newspapers in German

Newspapers from Austria