Der Schlüssel sperrt mehr als das Schloss
Elektronik zieht bei der Traditionsfirma EVVA ein. Sie rüstete Luxusschiffe ebenso aus wie das AKH und machte das Handy zum globalen Schlüssel.
WIEN. Wenige Unternehmen im Land erfreuen sich ohne Werbung einer ähnlich hohen Bekanntheit wie EVVA. Auf unzähligen Schlüsselbunden findet sich der Name des Familienbetriebs aus dem Wiener Bezirk Meidling. Seit der Gründung vor 100 Jahren hat das Unternehmen rund 100 Millionen Sicherheitszylinder und noch mehr Schlüssel produziert. Jährlich kommen gut drei Millionen Schlüssel dazu. EVVA-Geschäftsführer Stefan Ehrlich-Adám sieht sein Unternehmen heute aber vor allem als Experten für hochkomplexe Schließungssysteme. Und im Kerngeschäft wird die Elektronik immer wichtiger, jedes zweite aktuelle Projekt hat elektronische Bauteile.
Absolute Sicherheit kann es dabei gar nicht geben. Aber es sei eine Frage des Aufwands und der Spuren, die ein Einbrecher dabei hinterlasse, sagt Ehrlich-Adám. „Wenn ich Lärm machen und die Tür zerstören kann, komme ich überall rein. Aber wir wissen, wenn ein potenzieller Einbrecher ein Schloss nicht innerhalb von zwei, drei Minuten knacken kann, lässt er es meist bleiben. Wenn unsere Produkte also 30 Minuten einem Angriff standhalten können, sind wir auf der sicheren Seite.“
Innovation steckt in der DNA des am 22. Juli 1919 als „Erstes Versuchslaboratorium für Erfindungen“am Handelsgericht Wien eingetragenen Unternehmens. Im Jahr darauf erfolgte die Umbenennung in „Erfindungs-, Versuchs- und Verwertungs-Anstalt Tschörner, Plischke, Lischanowsky & Co.“, kurz EVVA. Ging es zunächst um die Verwirklichung und Verwertung von Erfindungen aller Art, spezialisierte sich
EVVA nach turbulenten Jahren – inklusive eines Ausgleichs und der Vernichtung der Firmenunterlagen im Zuge des Justizpalastbrandes des Jahres 1927 – zum Experten für Sicherheitsschlösser. Im Jahr 1936 entwickelt EVVA den ersten Doppelzylinder, im Jahr darauf lässt man sich ein völlig neu konstruiertes und robusteres Vorhangschloss patentieren. Viele weitere Patente sollten folgen, aktuell sind es 382.
Während man in Österreich weltberühmt ist und auch in Europa zu den ersten Adressen zählt, sieht Firmenchef und Eigentümer Stefan Ehrlich-Adám den Familienbetrieb international eher als „hidden champion“, also ein kaum bekanntes Top-Unternehmen. Dass man sich im internationalen Vergleich nicht verstecken brauche, zeige sich aber daran, dass EVVA bei der alle zwei Jahre stattfindenden größten Branchenfachmesse Security in Essen regelmäßig zu den meistbesuchten Ständen zähle.
Kein Wunder, hat doch der Spezialist für Sicherheitstechnik immer wieder der Branche den Stempel aufgedrückt durch richtungsweisende Innovationen. In den 1970er-Jahren setzte EVVA erstmals die damals neuen Computer für die Berechnung von Schlüsselkombinationen ein, um hochkomplexe Schließberechtigungssysteme zu managen.
Im Wiener AKH etwa mussten mehr als 40.000 Türen mit unterschiedlichsten Nutzungsberechtigungen ausgestattet werden. Bis dahin musste man händisch berechnen, wie ein Zylinder zu „befüllen“ist, um nur mit berechtigten Schlüsseln geöffnet werden zu können. EVVA gelang es auch, erstmals zu einem klassischen Stiftzylinder eine ganze Profilfamilie zu entwickeln. „Das hat die Kombinationsmöglichkeiten von einem Tag auf den anderen um das Zigtausendfache multipliziert“, sagt Ehrlich-Adám. Zu weiteren Innovationen gehören die Entwicklung von Türschlössern, die per Smartphone aktiviert werden können (AirKey), oder magnetisch abgesicherte
Schlösser, die somit auch nicht mittels eines 3D-Druckers kopiert werden können.
Mit zuletzt 81 Mill. Euro Umsatz und 760 Mitarbeitern (davon 460 in der Wiener Zentrale) ist EVVA in Europa eine fixe Größe, insbesondere im deutschsprachigen Raum, wo Sicherheit besonders großgeschrieben wird. Am Status eines Familienunternehmens soll sich nichts ändern. Trotz diverser Anfragen sei ein Verkauf ebenso wenig ein Thema wie ein Börsegang.
„Innovation steckt in unserer DNA.“