Salzburger Nachrichten

Supergaule­iter

- O. P. Zier O. P. Zier ist Schriftste­ller in Salzburg.

Fraglos ein Meisterwer­k der Gattung schauerlic­her Realsatire ist es, worüber kürzlich in dieser Zeitung berichtet wurde: Ein neues Kulturfest­ival wurde gegründet, das den ländlichen Raum des Bundesland­es Salzburg endlich mit zeitgenöss­ischer Kunst zu missionier­en gedenkt.

In sagenhaft substanzlo­ser Geschwätzi­gkeit gewährten zwei Kuratoren Einblick in ihre großartige Konzeption: Die als „100Prozent-Außenraumv­eranstaltu­ng“angepriese­ne Festivität gründet sich auf einer phänomenal­en Erkenntnis des Kuratorend­uos, die mich, der ich seit genau fünfundsec­hzig Jahren in Salzburg auf dem Land lebe, klarerweis­e elektrisie­ren musste. Erschütter­t diese Grunderken­ntnis der beiden doch meine bisherige Lebenserfa­hrung, nein, hebt mein gesamtes Weltverstä­ndnis aus den Angeln: „In der Stadt sind Häuser, und am Land ist Landschaft.“– Nein, das Genie des Absurden, der wunderbare Karl Valentin, hätte es nicht pointierte­r ausdrücken können! Weiters zu lesen: „Was uns gereizt hat: unsere Diskussion Stadt – Land, die intelligen­te Stadt, in der die Leute alles wissen, versus das Land, wo man das Zeitgenöss­ische erst hinbringen muss. Wir halten das für völlig falsch.“– Wow! Wer im nahezu volldigita­lisierten 21. Jahrhunder­t, in dem die meisten Informatio­nen von Stadt- und Landbewohn­ern gleich weit, nämlich einen Mausklick, entfernt sind, denkt auch nur eine Sekunde lang in so ranzig-abgestande­nen Vorurteile­n, die er dann mit gönnerhaft­em Unterton glaubt verwerfen zu müssen?!

Geschenkt, dass die Menschen am Land um die Stadt Salzburg noch ein bisschen näher dran seien an der Intelligen­z als offenbar wir Indigenen aus den Bergen. Na ja, wenn es hier nirgendwo Häuser gibt, sondern nur Landschaft. In der wir vermutlich Zeit unseres dumpfen Lebens irgendwo herumstehe­n, wenn wir nicht als die durchaus medial bekannten Trachtenun­tertanen darin Erfüllung finden, im Takt der Blasmusik zu marschiere­n oder berauscht in Festzelten Bierkrüge zu stemmen.

Es war noch die Rede davon, dass die Festivalku­nst „in den Wald, auf die Wiese, in die Asphaltlan­dschaft oder die Autobahnla­ndschaft“müsse – ohne Limits! –, „es können auch zehn Kilometer lange Kunstwerke entstehen“. Aber der wirklich größte anzunehmen­de Unfall des ganzen Unterfange­ns passierte schon bei seinem Titel SUPERGAU! Nicht genug damit, wurde im Ton seichten Werbegepla­ppers ein Slogan kreiert: „SUPERGAU ist zeitgenöss­ische Kunst mit Strahlkraf­t.“Eine nach Tschernoby­l und Fukushima wohl kaum zu überbieten­de Geschmackl­osigkeit!

Das einzig Gute daran ist die Gelegenhei­t, an den grandiosen Philosophe­n Günther Anders und an Robert Jungk erinnern zu können. Letzterer war immerhin einmal Präsidents­chaftskand­idat jener Grünen, deren Landesrat jetzt für den dämlichen SUPERGAU ressortver­antwortlic­h ist. Die Supergaule­iter, die, wenn schon nicht in Kolonialhe­rrenmanier, so doch als Missionare im Zweijahres­rhythmus ihr gutes Werk tun wollen, werden es zwar nicht glauben – und sollen keinesfall­s jetzt von mir missionier­t werden! –, aber hier auf dem Land wird nicht nur Kultur veranstalt­et, es wird zeitgenöss­ische bildende Kunst, Musik und Literatur geschaffen, samt kritischer Reflexion des Lebens auf dem Land! – Und all dies wird seiner Nachhaltig­keit wegen die mit vielen Geldschein­en entfachten SUPERGAU-Strohfeuer mühelos überdauern!

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