Supergauleiter
Fraglos ein Meisterwerk der Gattung schauerlicher Realsatire ist es, worüber kürzlich in dieser Zeitung berichtet wurde: Ein neues Kulturfestival wurde gegründet, das den ländlichen Raum des Bundeslandes Salzburg endlich mit zeitgenössischer Kunst zu missionieren gedenkt.
In sagenhaft substanzloser Geschwätzigkeit gewährten zwei Kuratoren Einblick in ihre großartige Konzeption: Die als „100Prozent-Außenraumveranstaltung“angepriesene Festivität gründet sich auf einer phänomenalen Erkenntnis des Kuratorenduos, die mich, der ich seit genau fünfundsechzig Jahren in Salzburg auf dem Land lebe, klarerweise elektrisieren musste. Erschüttert diese Grunderkenntnis der beiden doch meine bisherige Lebenserfahrung, nein, hebt mein gesamtes Weltverständnis aus den Angeln: „In der Stadt sind Häuser, und am Land ist Landschaft.“– Nein, das Genie des Absurden, der wunderbare Karl Valentin, hätte es nicht pointierter ausdrücken können! Weiters zu lesen: „Was uns gereizt hat: unsere Diskussion Stadt – Land, die intelligente Stadt, in der die Leute alles wissen, versus das Land, wo man das Zeitgenössische erst hinbringen muss. Wir halten das für völlig falsch.“– Wow! Wer im nahezu volldigitalisierten 21. Jahrhundert, in dem die meisten Informationen von Stadt- und Landbewohnern gleich weit, nämlich einen Mausklick, entfernt sind, denkt auch nur eine Sekunde lang in so ranzig-abgestandenen Vorurteilen, die er dann mit gönnerhaftem Unterton glaubt verwerfen zu müssen?!
Geschenkt, dass die Menschen am Land um die Stadt Salzburg noch ein bisschen näher dran seien an der Intelligenz als offenbar wir Indigenen aus den Bergen. Na ja, wenn es hier nirgendwo Häuser gibt, sondern nur Landschaft. In der wir vermutlich Zeit unseres dumpfen Lebens irgendwo herumstehen, wenn wir nicht als die durchaus medial bekannten Trachtenuntertanen darin Erfüllung finden, im Takt der Blasmusik zu marschieren oder berauscht in Festzelten Bierkrüge zu stemmen.
Es war noch die Rede davon, dass die Festivalkunst „in den Wald, auf die Wiese, in die Asphaltlandschaft oder die Autobahnlandschaft“müsse – ohne Limits! –, „es können auch zehn Kilometer lange Kunstwerke entstehen“. Aber der wirklich größte anzunehmende Unfall des ganzen Unterfangens passierte schon bei seinem Titel SUPERGAU! Nicht genug damit, wurde im Ton seichten Werbegeplappers ein Slogan kreiert: „SUPERGAU ist zeitgenössische Kunst mit Strahlkraft.“Eine nach Tschernobyl und Fukushima wohl kaum zu überbietende Geschmacklosigkeit!
Das einzig Gute daran ist die Gelegenheit, an den grandiosen Philosophen Günther Anders und an Robert Jungk erinnern zu können. Letzterer war immerhin einmal Präsidentschaftskandidat jener Grünen, deren Landesrat jetzt für den dämlichen SUPERGAU ressortverantwortlich ist. Die Supergauleiter, die, wenn schon nicht in Kolonialherrenmanier, so doch als Missionare im Zweijahresrhythmus ihr gutes Werk tun wollen, werden es zwar nicht glauben – und sollen keinesfalls jetzt von mir missioniert werden! –, aber hier auf dem Land wird nicht nur Kultur veranstaltet, es wird zeitgenössische bildende Kunst, Musik und Literatur geschaffen, samt kritischer Reflexion des Lebens auf dem Land! – Und all dies wird seiner Nachhaltigkeit wegen die mit vielen Geldscheinen entfachten SUPERGAU-Strohfeuer mühelos überdauern!