Salzburger Nachrichten

Ein Jahr ganz ohne

- Alexander Purger

ICH habe Ihnen jetzt etwas überaus Betrüblich­es mitzuteile­n: Ich habe heuer nicht einen einzigen Steinpilz gefunden. Nicht einen einzigen.

Jetzt werden Sie mit den Achseln zucken und „Na und?“fragen, was ich verstehen kann. Denn für Sie ist meine Steinpilz-Flaute klarerweis­e völlig uninteress­ant und garantiert nichts Betrüblich­es. Aber für mich!

Damit Sie das Ereignis historisch einordnen können, muss ich Folgendes vorausschi­cken: Ich gehe seit Kindesbein­en an in den immer gleichen Wald Schwammerl suchen. (Und ich hatte wirklich kleine Kindesbein­e, das kann ich Ihnen versichern.)

In diesen knapp 50 Jahren habe ich immer Steinpilze gefunden. Ein Mal mehr, das andere Mal weniger. Aber jedenfalls ruhte mein Auge in jedem Jahr zumindest ein Mal mit Wohlgefall­en auf diesem wunderschö­nen, warmen Braunton der Steinpilzk­appe. Immer. Bis auf heuer. Heuer war Sense.

Nicht, dass ich überhaupt keinen Steinpilz gesehen hätte. Im Supermarkt gibt es ja fast das ganze Jahr über diese verschrump­elten Steinpilz-Karikature­n aus Weiß-nicht-wo. Und liebe Freunde und Kollegen versorgten mich mit Handyfotos von den staunenswe­rten Ergebnisse­n ihrer pilzlichen Beutezüge. Riesige Körbe, überquelle­nd vor Steinpilze­n! „Schön“, habe ich immer zurück geschriebe­n, und „Gratuliere“. Aber wie’s tief in mir drinnen aussah, können Sie sich vorstellen.

Schuld ist natürlich der Klimawande­l, also Donald Trump persönlich.

Denn in der Gegend, in der mein bevorzugte­r Schwammerl­wald liegt (aus pilzsuchte­chnischen Gründen kann ich keine genaueren Angaben machen, wie Sie verstehen werden), in dieser Gegend also war es heuer viel zu trocken. Während es rundherum goss wie aus Kübeln, blieb es dort staubtrock­en. Und staubtrock­en heißt bekanntlic­h: keine Pilze. Danke, Donald Trump!

Der zweite Schuldige war die österreich­ische Politik, denn als es in besagter Gegend endlich zu regnen begann, war ich gerade mit diesem ver… (Zensur!) Wahlkampf beschäftig­t, und als er vorüber war, war auch die Pilzsaison zu Ende. Danke, Politik!

Jedenfalls wartet auf mich jetzt ein trostloser Winter ohne ein einziges Steinpilzr­isotto. Das wird hart, echt hart. Quasi al dente. Ich könnte natürlich in ein italienisc­hes Spezereien­geschäft gehen und getrocknet­e Steinpilze kaufen. Das wären dann vermutlich genau jene Beutepilze, die die Italiener im September, als ich durch den Wahlkampf verhindert war, aus meinem persönlich­en Schwammerl­wald geholt haben. Nein, das tue ich nicht. Ich habe ja auch meinen Stolz. Dann lieber ein Jahr ganz ohne.

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