Ein Jahr ganz ohne
ICH habe Ihnen jetzt etwas überaus Betrübliches mitzuteilen: Ich habe heuer nicht einen einzigen Steinpilz gefunden. Nicht einen einzigen.
Jetzt werden Sie mit den Achseln zucken und „Na und?“fragen, was ich verstehen kann. Denn für Sie ist meine Steinpilz-Flaute klarerweise völlig uninteressant und garantiert nichts Betrübliches. Aber für mich!
Damit Sie das Ereignis historisch einordnen können, muss ich Folgendes vorausschicken: Ich gehe seit Kindesbeinen an in den immer gleichen Wald Schwammerl suchen. (Und ich hatte wirklich kleine Kindesbeine, das kann ich Ihnen versichern.)
In diesen knapp 50 Jahren habe ich immer Steinpilze gefunden. Ein Mal mehr, das andere Mal weniger. Aber jedenfalls ruhte mein Auge in jedem Jahr zumindest ein Mal mit Wohlgefallen auf diesem wunderschönen, warmen Braunton der Steinpilzkappe. Immer. Bis auf heuer. Heuer war Sense.
Nicht, dass ich überhaupt keinen Steinpilz gesehen hätte. Im Supermarkt gibt es ja fast das ganze Jahr über diese verschrumpelten Steinpilz-Karikaturen aus Weiß-nicht-wo. Und liebe Freunde und Kollegen versorgten mich mit Handyfotos von den staunenswerten Ergebnissen ihrer pilzlichen Beutezüge. Riesige Körbe, überquellend vor Steinpilzen! „Schön“, habe ich immer zurück geschrieben, und „Gratuliere“. Aber wie’s tief in mir drinnen aussah, können Sie sich vorstellen.
Schuld ist natürlich der Klimawandel, also Donald Trump persönlich.
Denn in der Gegend, in der mein bevorzugter Schwammerlwald liegt (aus pilzsuchtechnischen Gründen kann ich keine genaueren Angaben machen, wie Sie verstehen werden), in dieser Gegend also war es heuer viel zu trocken. Während es rundherum goss wie aus Kübeln, blieb es dort staubtrocken. Und staubtrocken heißt bekanntlich: keine Pilze. Danke, Donald Trump!
Der zweite Schuldige war die österreichische Politik, denn als es in besagter Gegend endlich zu regnen begann, war ich gerade mit diesem ver… (Zensur!) Wahlkampf beschäftigt, und als er vorüber war, war auch die Pilzsaison zu Ende. Danke, Politik!
Jedenfalls wartet auf mich jetzt ein trostloser Winter ohne ein einziges Steinpilzrisotto. Das wird hart, echt hart. Quasi al dente. Ich könnte natürlich in ein italienisches Spezereiengeschäft gehen und getrocknete Steinpilze kaufen. Das wären dann vermutlich genau jene Beutepilze, die die Italiener im September, als ich durch den Wahlkampf verhindert war, aus meinem persönlichen Schwammerlwald geholt haben. Nein, das tue ich nicht. Ich habe ja auch meinen Stolz. Dann lieber ein Jahr ganz ohne.