Tausendsassa Otto Lang
Das schillernde Leben des nach dem Ersten Weltkrieg in Salzburg aufgewachsenen Otto Lang.
Es war Ende Juli 1984 in Los Angeles. Ein paar Tage vor Beginn der Olympischen Spiele. Ein älterer, sportlich auftretender Herr in blauem Jackett empfängt uns zum Gespräch: Otto Lang. Vorgestellt wird er als „Verbindungsmann“des Organisationskomitees zur österreichischen Delegation, hingewiesen wird auf seine Weltkarriere in Hollywood als Drehbuchautor, Regisseur und Filmproduzent.
Und davon wollen wir mehr wissen – doch Herr Lang will eher von seiner Jugend in Salzburg erzählen. Und von seiner sportlichen Laufbahn vor dem Aufstieg zur Filmgröße.
Geboren wurde Otto Lang 1908 in Tesanj in Bosnien-Herzegowina. Nach dem Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie übersiedelte die Familie nach Salzburg und fand in der Steingasse 18 Unterschlupf. Warum Salzburg? Darauf wusste Lang keine Antwort.
Dennoch, so sagte er, wurde Salzburg zum Glücksfall. Als die Salzach 1919 ein Lager von Militärski überflutete, durften Interessierte zugreifen. Es waren Ski, die in der Lehener Kaserne für die k. u. k. Armee hergestellt worden waren. Der kleine Otto erwischte ein Paar dieser Bretter, „für mich um Hausnummern zu groß“. Er konnte damit vorerst nur springen.
Im Lehrbuch „Lilienfelder Skilauftechnik“von Mathias Zdarsky fand der kleine Lang jene Tipps, die ihn zu einem sehr guten Skiläufer machten. Er trainierte auf der Paschkoffwiese am Mönchsberg, bestritt seine ersten Rennen, lernte die später berühmten Hauser-Brüder Hans und Max von der Zistelalm auf dem Gaisberg sowie Hannes Schroll kennen, denen er viele Jahre später in den USA wieder begegnen sollte.
Abseits des Winters frönte Lang seiner zweiten Leidenschaft – dem Fußball. Er spielte beim SAK 1914 schon mit 16 Jahren als Torhüter und war Vorgänger des späteren Olympia-Keepers Edi Kainberger.
Dass er 1924 in einem Freundschaftsspiel gegen Rapid Wien neun „Bummerl“einstecken musste, darunter fünf des Nationalspielers Ferdinand Wessely, hat ihn lang gewurmt.
Er stand auch in der Salzburger Jugendauswahl und in der Landesauswahl, so im November 1926 beim 2:4 in Bad Reichenhall gegen das Team Inn-Chiemgau, Mitspieler waren u. a. der spätere Austria-Salzburg-Chef Karl Sachs sowie Walter und Sepp Summersberger.
Im Jahr 1928 absolvierte Otto Lang die Skilehrerprüfung bei Peter Radacher am Arthurhaus in Mühlbach am Hochkönig und begann danach als Skilehrer am Semmering zu arbeiten.
Von dort holte ihn der damals schon berühmte Hannes Schneider auf den Arlberg. Daneben hatte Lang noch Zeit, sich als Gymnastik- und Schwimmlehrer ein Taschengeld zu verdienen. Unter anderem beim Schriftsteller Stefan Zweig in dessen Villa am Kapuzinerberg und im Ferienhaus in Thumersbach.
1935 wurden die USA die neue Heimat Langs. Die Olympischen Spiele 1932 in Lake Placid hatten das Interesse der Amerikaner am Skisport entfacht. Lang, von seinem Arlberger Mentor Hannes Schneider ermuntert, begann als Skilehrer „Nummer eins“in einem Resort in New Hampshire („Flach wie ein Golfplatz“), er schrieb das erste Skilehrbuch in englischer Sprache „Downhill Skiing“, arbeitete in Paradise/ Mt. Rainier, in Mt. Hood und in Sun Valley in Idaho, wo ab 1937 nicht weniger als zwölf Salzburger Skilehrer zu seinem Team gehörten und der Arlberger Friedl Pfeifer Mitarbeiter und enger Freund wurde.
Gemeinsam traten sie im New Yorker Madison Square Garden bei Skidemonstrationen auf.
In Sun Valley wurden auch die Weichen für die nächste Karriere gestellt. Lang unterrichtete den Hollywoodregisseur und Drehbuchautor Darryl F. Zanuck und wirkte auf dessen Wunsch in der Komödie „Thin Ice“mit; er drehte Skiaufnahmen für die norwegische Eisprinzessin Sonja Henie mit einem Double namens Gretchen Kunigk (später als Frau Fraser Slalom-Olympiasiegerin 1948), zählte den späteren Gouverneur des Bundesstaats New York, Nelson Rockefeller, ebenso zu seinen Kunden wie den Schah von Persien, den späteren US-Präsidenten Gerald Ford oder die Filmstars Gary Cooper und Clark Gable.
Das Tor nach Hollywood war geöffnet. 1939 heiratete er die Tochter eines Marine-Generals, 1941 erhielt er die amerikanische Staatsbürgerschaft, womit ihm die Internierung erspart blieb. Weil er sich als Gegner Hitlers engagierte, hatte er die Idee, einen Lehrfilm für US-Gebirgsjäger zu drehen, um ihnen die österreichische Skitechnik näherzubringen.
In Sun Valley ging der Skischulbetrieb geregelt weiter, für Aufsehen sorgte Lang 1948, als er den französischen Weltmeister Emile Allais in die rot-weißrote Skischule holte. Sein Argument: „Wir profitieren beide davon.“
1950 war das Kapitel Ski endgültig abgehakt, bei 20th Century Fox begann der steile Aufstieg in die Film- und Fernsehwelt von Hollywood.
Und dort produzierte er am Fließband. „Der Fall Cicero“(„Five Fingers“) mit James Mason wurde zum ersten großen Erfolg. („Ich glaube, dass mir dieser Spionagefilm am besten gelungen ist.“)
Lob heimste er auch für „Tora, Tora, Tora!“ein, den ersten amerikanischen Film über Pearl Harbour. Seine besondere Liebe galt Kurzfilmen, vier Mal wurde er für den Oscar nominiert, bekommen hat er ihn aber nie.
Sehr stolz war er auf einen TV-Film über Beethoven, für den wochenlang in Wien gedreht worden war. Und leuchtende Augen gab es im Gespräch bei Lang zu sehen, als er auf die von ihm erfundene, später auch in ganz Europa ausgestrahlte TV-Serie „Daktari“mit ihren 89 Episoden zu sprechen kam.
Nach dem relativ abrupten Ende in Hollywood („Man muss einsehen, dass man Jüngeren Platz machen muss, die Filmindustrie hat sich eben geändert“) zog sich Lang in sein Haus in Beverly Hills zurück, blieb aber „im Geschäft“. Lang organisierte Ausstellungen mit seinem Riesenfundus an Fotos. Er schrieb auch seine Autobiografie und hatte 1978 noch einen ganz besonderen „Feiertag“: Er wurde von der in Ishpeming/Michigan beheimateten US National Ski Hall of Fame aufgenommen.
Wie er ausdrücklich betont: „Als dritter Salzburger nach Siegfried Buchmayer und Hannes Schroll.“Der Hofgasteiner Buchmayer war der erste Direktor der Skischule Sugar Hill, der Radstädter Schroll gründete etwa das Skizentrum Sugar Bowl. Später züchtete er auch noch sehr erfolgreich Rennpferde.
Das Telefon klingelt – Otto Lang hätte noch viel zu erzählen, doch er muss zum Flughafen, Österreichs Fechter und Leichtathleten sind abzuholen.
Den einstigen Fußballer, Skilehrer und Filmemacher kennengelernt zu haben gehört zu den nachhaltigsten Erlebnissen dieser Olympischen Spiele 1984. Otto Lang starb 2006 in Seattle mit 98 Jahren.