Lehrer-App stürmt die Charts
Über 70.000 Menschen haben die App „Lernsieg“bereits heruntergeladen. Kritik zu Datenschutz und Lehrerbashing bleibt.
Über 70.000 Menschen haben sich die App „Lernsieg“heruntergeladen. Die Kritik zu Datenschutz und Lehrerbashing bleibt bestehen. Die SN fragten Schüler, was sie vom Bewertungssystem halten.
WIEN. Nach nur drei Tagen verzeichnete die App „Lernsieg“, mit der Schüler seit Freitag ihre Lehrer mit Sternen von eins bis fünf beurteilen können, mehr als 70.000 Downloads. Die Plattform war damit auf Platz eins der App-Charts. Bis Montagnachmittag gingen 16.500 Bewertungen von Schulen und etwa 127.000 Bewertungen von Lehrern ein. Die App selbst wird von den Benutzern nicht so gut beurteilt. Im App Store von Apple erreicht die vom 17-jährigen Schüler Benjamin Hadrigan entwickelte Plattform nur 2,2 von fünf Sternen bei 806 Bewertungen. AndroidNutzer gaben im Google Play Store im Durchschnitt immerhin 2,6 Sterne bei 561 Bewertungen.
Die Nutzer kritisierten vor allem die fehlende Überprüfbarkeit der Bewerter. „Dass man sich per SMS verifizieren muss, ist ja schön und gut, aber niemand kann auch nur ansatzweise prüfen, ob die bewertende Person ein Schüler an der entsprechenden Schule ist“, schrieb ein User und vergab einen Stern. Ein anderer bewertete die App mit fünf Sternen: „Sehr gut! Das entspricht einem leistungsorientierten System, wie man es aus der Privatwirtschaft kennt.“
Eine Nutzerin machte auf eine angebliche Fehlfunktion aufmerksam. In der Beschreibung der App hieße es, dass eine Gesamtbewertung erst ab fünf abgegebenen Bewertungen angezeigt werde, sie sehe ihre Beurteilung „aber bereits mit einer abgegebenen Stimme“. Viele User stellen zudem die Frage:
„Wie kann das datenschutzrechtlich überhaupt möglich sein?“Lehrer würden ohne ihre Erlaubnis mit vollem Namen und für alle User ersichtlich beurteilt. Aber auch der Schutz der Nutzerdaten wird heiß diskutiert: Wer sich registriert, muss seine Mobilnummer angeben.
Die SN machten die Probe aufs Exempel: Nach dem kostenlosen Download der App findet man eine lange Liste von Schulen und ihrem Lehrpersonal in Österreich und Deutschland, die bereits bewertet wurden. Mittels Suchfunktion kann man die gewünschte Schule auswählen und bewerten. Genauso verhält es sich mit den Lehrpersonen. Zuvor muss man sich mit seiner Telefonnummer verifizieren.
Eine Nummer ergibt eine Stimme in einer Schule. Beim Besitz mehrerer Nummern können theoretisch mehrere Bewertungen von einer Person abgegeben werden. Eine Prüfung, ob man tatsächlich Schüler in der betreffenden Schule ist, findet nicht statt.
Auf Nachfrage beim App-Gründer sei man bislang zufrieden. „Wir liegen im Durchschnitt. Die Menschen sind entweder kritisch oder vollauf begeistert. Wir wussten, dass wir uns auf umstrittenem Terrain bewegen“, sagt die Sprecherin Claudia Paccosi. Auf die Kritik der Nutzer, dass schulfremde Personen
Bewertungen abgeben könnten, entgegnet Paccosi: „Das ist möglich, wie bei allen Bewertungsplattformen. Wir gehen aber davon aus, dass der Großteil die App nicht ausnutzen wird.“
So unterschiedlich die Nutzerbewertungen in den App Stores ausfallen, so divers zeigen sich auch die Stimmen der Schüler. Als „moralisch verwerflich“bezeichnete der 17-jährige Gymnasiast Jan Schüssler aus Wien die App: „Ich bewerte Produkte mit Sternchen, aber nicht Personen.“
Anders sieht es die 18-jährige Nila Hohlbrugger aus dem Gymnasium Stubenbastei in Wien: „Ich finde die Idee von anonymem Feedback gut, aber die Gefahr besteht, dass die Bewertungen nach einem persönlichen Konflikt mit dem Lehrer unfair werden.“Die eigene Schule zu bewerten halte sie aber für sinnvoll, vor allem, wenn sich die Direktoren die Bewertungen zu Herzen nähmen. An manchen ist die App bislang spurlos vorbeigegangen, wie an ihrer Mitschülerin
Lili Schandl: „Ich sage lieber offen, was mich stört. Die Frage ist, wie viel die App bringt.“
Christine Haslauer vom Salzburger Lehrer/-innenverein SALVE fordert den sofortigen Stopp der Bewertungsapp: „Anonym über die Arbeit von Lehrer/-innen eine Meinung per Sterne abgeben, genauso wie über ein schnell bestelltes Essen, muss sofort abgestellt werden.“Es sei unmöglich, die komplexe Arbeit der Lehrer, die viel mit Beziehungsarbeit zu tun habe, in acht Kategorien abzubilden. Feedback solle weiterhin in der Form erfolgen, wie dies „vor Ort für sinnvoll“erachtet werde, sagt Haslauer. Doch genau das sei manchen Schülern zufolge das Problem. Eine Schülerin der Bildungsanstalt für Elementarpädagogik (BAfEP) in Salzburg sagt: „Die wenigsten Lehrer geben uns überhaupt die Möglichkeit für Feedback. Die App ist also nicht schlechter als die Bewertungsmethoden, die wir jetzt haben.“
„Ich bewerte Produkte mit Sternchen, aber nicht Personen.“Jan Schüssler, Gymnasiast