Salzburger Nachrichten

Zug um Zug beim Postenscha­cher

Wie unter Türkis-Blau umgefärbt wurde, was die FPÖ noch alles wollte und warum die Ibiza-Affäre den meisten Vorhaben ein jähes Ende setzte.

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WIEN. Das im Sommer beschlagna­hmte Handy von Ex-FPÖ-Chef und Ex-Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache erweist sich als Fundgrube für die Korruption­sermittler. Ob strafrecht­lich etwas dran ist, ist erst zu klären. Neue Chatprotok­olle, die „Presse“und „Falter“zugespielt wurden, lassen aber tief in die Welt des Postenscha­chers blicken. Über Chats via WhatsApp, SMS und Mail orchestrie­rte Strache sein personelle­s Wunschkonz­ert. Es geht darin nicht nur um die Casinos AG, sondern auch um Postenbese­tzungen in anderen staatliche­n und staatsnahe­n Betrieben. So beschwert sich Strache bei Ex-Finanzmini­ster Hartwig Löger, dass die ÖVP bei Neubesetzu­ngen der Aufsichtsr­äte säumig sei, während die FPÖ ihren Teil der Vereinbaru­ng eingehalte­n habe. Tatsächlic­h rührte die FPÖ dort, wo sie zuständig war, kräftig um. Das betrifft vor allem ÖBB, Asfinag und Austro Control, die im Einflussbe­reich von Ex-Verkehrsmi­nister Norbert Hofer standen.

Die größte Umfärbung fand im ÖBB-Aufsichtsr­at statt. Dort sind fünf der acht Kapitalver­treter dem FPÖ-Lager zuzurechne­n. Im Februar 2018 ersetzte Hofer Aufsichtsr­atschefin Brigitte Ederer durch den FPÖ-nahen früheren ÖBB-Manager und Heta-Vorstand Arnold Schiefer. Weiters bestellte er Ex-FPÖ-Verkehrsmi­nisterin Monika Forstinger, den Wärmepumpe­nherstelle­r und Trauzeugen von Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache, Karl Ochsner, den Salzburger Wirtschaft­streuhände­r (Wolf) Dieter Hofer, die Generalsek­retärin der Hayek-Gesellscha­ft, Barbara Kolm, die auf FPÖ-Seite die Koalition mit verhandelt­e, sowie Andreas Reichhardt, Generalsek­retär im Infrastruk­turministe­rium und einst Vizekabine­ttschef des früheren Verkehrsmi­nisters Hubert Gorbach.

Von ÖVP-Seite kamen der Chef der Hagelversi­cherung, Kurt Weinberger, als Vizepräsid­ent sowie Cattina Leitner, Grazer Anwältin und Ehefrau von Andritz-Chef Wolfgang Leitner, in den Aufsichtsr­at. Als Schiefer im April 2019 als Finanzchef in den Holdingvor­stand wechselte, folgte ihm Gilbert Trattner, ebenfalls ehemaliger ÖBBManager und FPÖ-Urgestein. Seit Reichhardt Verkehrsmi­nister ist, sitzt Sektionsch­ef Christian Weissenbur­ger im Kontrollgr­emium. Umgefärbt wurde auch in den Aufsichtsr­äten der ÖBB-Töchter.

Bei der Autobahnge­sellschaft Asfinag hat Hofer bereits im März 2018 den FPÖ-nahen Welser Magistrats­direktor Peter Franzmayr als Aufsichtsr­atschef sowie Reichhardt installier­t. Von den übrigen Mitglieder­n kam Immobilien­unternehme­r Siegfried Stieglitz im Sommer in die Schlagzeil­en, weil er für einen FPÖnahen Verein gespendet hatte. In den Vorstand zogen im Jänner 2019 Josef Fiala von ÖVP-Seite sowie Hartwig Hufnagl, langjährig­er Asfinag-Mitarbeite­r und zuletzt Vizekabine­ttschef von Hofer, ein.

Was die von Strache angesproch­enen Unternehme­n, bei denen es noch Handlungsb­edarf gebe, betrifft, stellt sich die Sache aus FPÖSicht unterschie­dlich dar. Im Verbund gelang es den Blauen, mit Achim Kaspar per Anfang 2019 einen Vorstandsp­osten zu besetzen, der andere ging mit Michael Strugl an die ÖVP. Im Aufsichtsr­at gab es mit den zwei Neuzugänge­n – Thomas Schmid übernahm den Vorsitz, Stellvertr­eter wurde der Vorarlberg­er Industriel­lenchef Martin Ohneberg – für die FPÖ nichts zu holen. Es laufen aber 2020 fünf Aufsichtsr­atsmandate aus, da hätte sich die Chance zur Neubesetzu­ng geboten. Doch da kam Ibiza dazwischen.

Drei Tage vor Publikatio­n des Ibiza-Videos wurden bei der Hauptversa­mmlung der OMV am 14. Mai fünf der zehn Kapitalver­treter neu bestellt. Von ihnen lässt sich nur Cathrine Trattner, Leiterin des Rechnungsw­esens bei einem deutschen Immobilien­investor und Tochter von Gilbert Trattner, zumindest familiär der FPÖ zuordnen. Den Vorsitz übernahm der frühere Procter&Gamble-Manager Wolfgang

C. Berndt, nachdem Ex-Siemens-Chef Peter Löscher im September 2018 den vorzeitige­n Rückzug angekündig­t hatte. Bei der Telekom zog nur ÖBAG-Chef Schmid in den Aufsichtsr­at neu ein, er wurde auch Aufsichtsr­atschef in der Bundesimmo­biliengese­llschaft (BIG). Bei der Post gab es schon im Frühjahr 2018 drei Neubesetzu­ngen, eine war Huberta Gheneff, Anwältin mit guten Beziehunge­n zur FPÖ.

Und dann gibt es den Komplex Nationalba­nk und Finanzmark­taufsicht. Die Regierung wollte die Bankenaufs­icht von der OeNB zur FMA verlagern. Dort sollte trotz zusätzlich­er Aufgaben der Vorstand auf eine Person verkleiner­t werden. Das hatte bei Strache zur Sorge geführt, auch das OeNB-Direktoriu­m könnte auf drei Personen reduziert werden und die FPÖ um einen Job umfallen – was nicht passierte. Allerdings liegt die Aufsichtsr­eform, die den SPÖ-nahen Vorstand Helmut Ettl den Job gekostet hätte, auf Eis. Angesichts der aktuellen Ereignisse dürfte sie und etwaige Personalro­chaden für eine neue Regierung vorerst nicht Priorität haben.

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