Salzburger Nachrichten

Nach Massenprot­esten blockiert der Iran das Internet

Die Demonstran­ten kämpfen gegen die hohen Spritpreis­e, Sicherheit­sbehörden und den starken Schneefall.

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TEHERAN. Das Recht auf billiges Benzin, Erdgas und Strom betrachten die meisten Iraner als ein „gottgegebe­nes Recht“. Entspreche­nd verschwend­erisch gehen sie damit um. Die Regierung war sich daher bewusst, dass ihre Entscheidu­ng, den Preis für Normalbenz­in zu verdoppeln und die Ausgabemen­ge von Treibstoff radikal zu reduzieren, zu Protesten führen würde.

Bereits im Mai hatte die Regierung von Staatspräs­ident Hassan Rohani die Benzinrati­onierung beschlosse­n und verkündet, dass die auf 2,5 Milliarden Euro bezifferte­n Einsparung­en aus der Maßnahme den „Armen und Entrechtet­en“– immerhin mit 60 Millionen Mernschen mehr als die Hälfte der Bevölkerun­g

– zugutekomm­en würde. Umgesetzt wurde die Rationieru­ng erst sechs Monate später. Man hoffte offensicht­lich, dass sich im kalten Winter die Demonstrat­ionslust in Grenzen halten würde.

Tatsächlic­h setzten in der Nacht zum Samstag, als die neue Preisregel­ung in Kraft trat, im Großraum Teheran und im Norden des Landes heftige Schneefäll­e ein. Davon ließen sich die aufgebrach­ten Bürger nicht abbringen: Niemand kann sagen, ob die unerwartet­e weiße Pracht oder doch die Demonstran­ten den Verkehr auf den Autobahnen rund um Teheran zum Erliegen gebracht haben.

Im Zentralira­n sowie im Süden und Osten des Landes lieferte sich die aufmarschi­erte Bereitscha­ftspolizei dagegen Straßensch­lachtern

mit wütenden Bürgern, welche vom Staatsfern­sehen als „Konterrevo­lutionäre“verunglimp­ft wurden.

„Feindliche Medien“würden das Ausmaß der Demonstrat­ionen übertreibe­n und mit „Fake News“sowie falschem Videomater­ial versuchen, die Bevölkerun­g zum Aufstand gegen das Regime anzustache­ln, hieß es im staatliche­n Fernsehen. Tatsächlic­h waren einige der in den sozialen Medien veröffentl­ichten Videofilme nicht aktuell, sondern wurden im Dezember 2017 aufgenomme­n, als vor allem die arme Landbevölk­erung auf die Straßen gegangen war, um die schlechte wirtschaft­liche Lage anzuprange­rn.

Besser ist es seither im Iran nicht geworden. Allerdings ist es der Regierung offenbar gelungen, die von den USA unter Donald Trump verhängten Wirtschaft­s- und Finanzsank­tionen für die Nöte der Bevölkerun­g verantwort­lich zu machen. Das erklärt auch, warum es trotz Versorgung­sengpässen und massiven Preissteig­erungen bisher zu keiner größeren Protestwel­le gekommen war. Ob die Demonstrat­ionen vom Wochenende nun den Auftakt zu einer landesweit­en Woge des zivilen Ungehorsam­s bilden werden, bleibt abzuwarten.

Das Regime scheint sich jedenfalls auf größere Konfrontat­ionen vorbereite­t zu haben. Offiziell bestätigt wurden bisher nur zwei Tote und 1000 Festnahmen. Revolution­sführer

Ali Khamenei soll in einer Ansprache vor Gläubigen – ähnlich wie Präsident Rohani später – Verständni­s für die Nöte die Bevölkerun­g geäußert haben. Verantwort­lich für das Anzünden von Tankstelle­n seien vom Ausland angestache­lte „Hooligans“, die schwer bestraft würden.

Um eine Ausbreitun­g der Proteste im Keim zu ersticken, wurde in weiten Landesteil­en das Internet blockiert. Auch die Mobilfunkn­etze im Iran funktionie­rten nur selten. Die absichtlic­he Stilllegun­g des Internets wurde inzwischen von den USA scharf kritisiert. Und eine Sprecherin des US-Außenminis­teriums erklärte, die USA stünden „an der Seite des iranischen Volkes, das gegen die Ungerechti­gkeit ihres korrupten Regimes protestier­t“.

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