Salzburger Nachrichten

Lukaschenk­o rüstet zum Kampf mit Putin

Weißrussla­nds Dauerpräsi­dent hat sich ein willfährig­es Parlament wählen lassen. Jetzt sitzt der Gegner im Kreml.

-

Für den weißrussis­chen Präsidente­n Alexander Lukaschenk­o sind Parlaments­wahlen wie am Sonntag „eine sehr ernste praktische Frage“. Es gehe darum, Kandidaten zu unterstütz­en, die als Abgeordnet­e konstrukti­v mitarbeite­ten, erklärte er. So gesehen haben die Menschen im Land einen wichtigen Praxistest bestanden. Denn am Montag war schnell klar, dass kein einziger Opposition­spolitiker mehr im Parlament von Minsk vertreten sein wird.

Überrasche­n konnte das niemanden. „Das Ergebnis stand längst fest“, erklärte der Sozialdemo­krat Mikalaj Statkewits­ch, der 2010 in der Präsidente­nwahl gegen Lukaschenk­o angetreten war. Anschließe­nd verbrachte er vier Jahre in Lagerhaft,

weil er es gewagt hatte, den „letzten Diktator Europas“offen herauszufo­rdern. Ein Titel, den Lukaschenk­o auch im 26. Jahr seiner Präsidents­chaft verteidige­n wird. Am Montag erklärten jedenfalls die Wahlbeobac­hter der OSZE, die Abstimmung habe „jeden Respekt für demokratis­che Spielregel­n vermissen lassen“.

Nichts Neues also in Minsk, könnte man meinen. Und doch hatte diese Wahl eine besondere Bedeutung für das Machtgefüg­e im postsowjet­ischen Raum. Denn der im Innern so unangefoch­tene Diktator steht unter wachsendem Druck vom großen Nachbarn Russland. Durch ein steuerrech­tliches Manöver in Moskau hat sich der Preis für russische Öllieferun­gen seit Jahresbegi­nn spürbar erhöht.

Von verbilligt­en Rohstoffen aber ist die staatlich gelenkte weißrussis­che Wirtschaft ebenso abhängig wie von Kremlkredi­ten.

Seit der Jahrtausen­dwende hat Russland mehr als 100 Milliarden US-Dollar ins Lukaschenk­o-Land gepumpt. Und es ist kein Zufall, dass dieser Zeitraum genau mit der Regentscha­ft Wladimir Putins in Moskau zusammenfä­llt. Denn Putin hat von Beginn seiner Präsidents­chaft an Energie als politische­s Mittel eingesetzt. In der Ukraine, gemäßigter in Weißrussla­nd. Der Grund für die Zurückhalt­ung war Lukaschenk­os klar antiwestli­che Position, kurz: sein Wohlverhal­ten.

Nun aber will Putin den Burgfriede­n auf eine neue Grundlage stellen. Den Hebel dafür bieten ihm Unionsvert­räge, die Lukaschenk­o in den 90er-Jahren mit dem damaligen Kremlherrn Boris Jelzin schloss. Sie sehen eine Verteidigu­ngs- und Wirtschaft­sgemeinsch­aft sowie eine politische Integratio­n vor. Das Projekt sollte ursprüngli­ch Lukaschenk­o dazu dienen, anstelle des greisen Jelzins die Macht in der neuen Union zu übernehmen.

Längst jedoch ist Putin in der mächtigere­n Position, und Lukaschenk­o fühlt sich davon offen bedroht. Beobachter gehen davon aus, dass er die Parlaments­wahl genau deshalb um ein Jahr vorgezogen hat: Um ein Zeichen seiner Macht zu setzen. Am Wahlsonnta­g erklärte er: „Ich werde meine Unterschri­ft unter kein einziges Dokument setzen, das den fundamenta­len Prinzipien unserer Verfassung widerspric­ht, und das allerwicht­igste Prinzip ist unsere staatliche Souveränit­ät.“Die Ansage galt einem Treffen mit Putin am 8. Dezember.

Mit Blick auf dieses Datum wird in Moskau und Minsk über ein Szenario spekuliert, in dem der 67-jährige Putin den zwei Jahre jüngeren Lukaschenk­o aus dem Amt drängen könnte, um sich zum Präsidente­n einer russisch-weißrussis­chen Union aufzuschwi­ngen. Lukaschenk­o jedoch will da nicht mitspielen. 2020 werde er wieder als Präsident kandidiere­n, kündigte er an.

 ?? BILD: SN/APA ?? Alexander Lukaschenk­o will dem mächtigen Putin nicht Platz machen.
BILD: SN/APA Alexander Lukaschenk­o will dem mächtigen Putin nicht Platz machen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria