Was ist so falsch am Metzger, an lecker und der Mehlschwitze?
Beim Essen gibt es Wörter, die vornehmlich unseren Wiener Freunden die Weißglut ins Gesicht treiben. Warum eigentlich?
In wenigen Minuten ist es wieder so weit. Mindestens drei Kollegen aus unserer Wiener Redaktion werden mich anrufen, weil ich das Wort „Metzger“geschrieben habe. Ja. Sie haben richtig gelesen. Der Metzger ist in Wien nicht salonfähig. Und nein: Wien ist nicht vegan geworden. Aber: „Den ganzen Tag rufen mich dann wieder die Leute an und machen mich darauf aufmerksam, dass in der Teufelsküche ein ganz ein arger Fehler passiert ist“, jammerte zuletzt eine liebe Kollegin. Warum bei dem Wort „Metzger“in Wien die Alarmglocken läuten? Die haben keinen Metzger. Die haben einen Fleischhauer. Und den Wienern ist es offenbar vollkommen egal, dass sich der Metzger in Salzburg, Tirol und Oberösterreich selbst auch Metzger nennt. Der Wiener beharrt darauf, dass unsere Metzger auch Fleischhauer genannt werden müssen. Weiß der Teufel warum. Das führt uns zum schlimmsten aller Wörter, mit denen gutes Essen bezeichnet werden kann: „Lecker!“Da zucken so gut wie alle österreichischen Gourmets aus. Denn „lecker“sagen unsere Lieblingsnachbarn. Kaum leckt sich ein deutscher Gast nach dem ersten Bissen Apfelstrudel die Lippen, seufzt er auch schon mit geschlossenen Augen: „Mmmh, lecker!“Das Wort „lecken“verwenden Österreicher in einem vollkommen anderen Zusammenhang. Da prallen Welten aufeinander.
Was etwa mein Kollege Severin Corti vom „Standard“durchaus schade findet. Er schätzt auch beim Schreiben die Vielfalt. Und „lecker“, so meint er, habe durchaus einen sinnlichen Wohlklang. Corti versteht es überhaupt wie kaum ein Zweiter, Essen durch fein geschliffene Sprache zu erfassen. Das Beuschel im Salzburger Weiserhof beschrieb er kürzlich so:
Beschwingt mit Gurkerl, Kapern, Zitronenschale und einem Hauch Sardelle unterfüttert badet das fein geschnittene Lüngerl im cremigen Saft. Bries wird klassisch gebacken und darf innen ein klein wenig rosa sein – so viel besser als die auch in noblen Häusern gepflegte Unart, die Subtilinnerei vorab niederzupochieren, bis nur mehr Flummi überbleibt.
An Cortis Essensbeschreibungen kann man sich kaum satt lesen. Weil er seiner Fantasie keine Grenzen setzt. Man kann schreiben wie ein Koch kocht. Man kann die Grenzen öffnen oder sich einkerkern. Der Unterschied beider Vorgangsweisen ist wie jener der französischen zur englischen Küche. Deshalb schreibe ich jetzt hier – um meine Wiener Kollegen noch einmal ein bisserl aufzuschrecken – ganz unverfroren: „Mehlschwitze!“Ja. Auch das ist ein wunderschönes Wort, das den Vorgang sehr gut beschreibt, Mehl in heiße Butter einzurühren, um die Suppe – wie Corti schon schön schreibt – „schlonzig“zu machen. Wir sagen „Einbrenn“. Eigentlich auch ganz schön fad.