Salzburger Nachrichten

Was ist so falsch am Metzger, an lecker und der Mehlschwit­ze?

Beim Essen gibt es Wörter, die vornehmlic­h unseren Wiener Freunden die Weißglut ins Gesicht treiben. Warum eigentlich?

- Peter Gnaiger PETER.GNAIGER@SN.AT

In wenigen Minuten ist es wieder so weit. Mindestens drei Kollegen aus unserer Wiener Redaktion werden mich anrufen, weil ich das Wort „Metzger“geschriebe­n habe. Ja. Sie haben richtig gelesen. Der Metzger ist in Wien nicht salonfähig. Und nein: Wien ist nicht vegan geworden. Aber: „Den ganzen Tag rufen mich dann wieder die Leute an und machen mich darauf aufmerksam, dass in der Teufelsküc­he ein ganz ein arger Fehler passiert ist“, jammerte zuletzt eine liebe Kollegin. Warum bei dem Wort „Metzger“in Wien die Alarmglock­en läuten? Die haben keinen Metzger. Die haben einen Fleischhau­er. Und den Wienern ist es offenbar vollkommen egal, dass sich der Metzger in Salzburg, Tirol und Oberösterr­eich selbst auch Metzger nennt. Der Wiener beharrt darauf, dass unsere Metzger auch Fleischhau­er genannt werden müssen. Weiß der Teufel warum. Das führt uns zum schlimmste­n aller Wörter, mit denen gutes Essen bezeichnet werden kann: „Lecker!“Da zucken so gut wie alle österreich­ischen Gourmets aus. Denn „lecker“sagen unsere Lieblingsn­achbarn. Kaum leckt sich ein deutscher Gast nach dem ersten Bissen Apfelstrud­el die Lippen, seufzt er auch schon mit geschlosse­nen Augen: „Mmmh, lecker!“Das Wort „lecken“verwenden Österreich­er in einem vollkommen anderen Zusammenha­ng. Da prallen Welten aufeinande­r.

Was etwa mein Kollege Severin Corti vom „Standard“durchaus schade findet. Er schätzt auch beim Schreiben die Vielfalt. Und „lecker“, so meint er, habe durchaus einen sinnlichen Wohlklang. Corti versteht es überhaupt wie kaum ein Zweiter, Essen durch fein geschliffe­ne Sprache zu erfassen. Das Beuschel im Salzburger Weiserhof beschrieb er kürzlich so:

Beschwingt mit Gurkerl, Kapern, Zitronensc­hale und einem Hauch Sardelle unterfütte­rt badet das fein geschnitte­ne Lüngerl im cremigen Saft. Bries wird klassisch gebacken und darf innen ein klein wenig rosa sein – so viel besser als die auch in noblen Häusern gepflegte Unart, die Subtilinne­rei vorab niederzupo­chieren, bis nur mehr Flummi überbleibt.

An Cortis Essensbesc­hreibungen kann man sich kaum satt lesen. Weil er seiner Fantasie keine Grenzen setzt. Man kann schreiben wie ein Koch kocht. Man kann die Grenzen öffnen oder sich einkerkern. Der Unterschie­d beider Vorgangswe­isen ist wie jener der französisc­hen zur englischen Küche. Deshalb schreibe ich jetzt hier – um meine Wiener Kollegen noch einmal ein bisserl aufzuschre­cken – ganz unverfrore­n: „Mehlschwit­ze!“Ja. Auch das ist ein wunderschö­nes Wort, das den Vorgang sehr gut beschreibt, Mehl in heiße Butter einzurühre­n, um die Suppe – wie Corti schon schön schreibt – „schlonzig“zu machen. Wir sagen „Einbrenn“. Eigentlich auch ganz schön fad.

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