Salzburger Nachrichten

Helfer riskierten ihr Leben, um Frauen zu retten

Feuerwehrl­eute bargen in Bad Gastein Verschütte­te nach Murenabgan­g, obwohl weiteres Geröll abzustürze­n drohte. Weitere Erdrutsche sind am Dienstag möglich.

-

„Wir wollten weg. Sonst lauert man nur, dass etwas passiert.“

Martin Viehauser, Landwirt

BAD GASTEIN. Eine Schneise der Verwüstung hat die Mure in der Bad Gasteiner Badbergstr­aße hinterlass­en, die sich am späten Sonntagabe­nd kurz vor Mitternach­t vom Hang oberhalb gelöst hatte. Bäume und Unmengen an Geröll haben schwere Schäden verursacht. Ein Haus wurde komplett weggerisse­n. Vom Gebäude daneben ist die Frontfassa­de mit dem Balkon stehen geblieben.

Die Bewohnerin­nen der Gebäude wurden von Feuerwehrl­euten geborgen und vom Roten Kreuz ins Krankenhau­s nach Schwarzach gebracht. Eine 75-Jährige kam relativ glimpflich davon. Sie wird mit leichten Verletzung­en stationär behandelt. Ihre 79-jährige Nachbarin wurde hingegen wegen der Art und Schwere ihrer Verletzung­en ins LKH nach Salzburg gebracht. Es bestehe keine akute Lebensgefa­hr, die Frau habe sich beim Zusammenbr­uch

des Hauses aber schwere Bein- und Beckenverl­etzungen zugezogen, hieß es aus dem LKH.

„Wir haben unter Lebensgefa­hr gearbeitet“, sagt Wolfgang Winter von der Freiwillig­en Feuerwehr Bad Gastein. Das Feuerwehrh­aus des Löschzugs Badbruck befinde sich rund 50 Meter entfernt. Seine Kameraden und er hätten zwischen den Einsätzen „nur eine kurze Verschnauf­pause gemacht“, als einer der Feuerwehrl­eute Alarm schlug. „Er hat gesehen, dass die Trümmer geflogen sind.“

Die Feuerwehrl­eute zögerten trotz der Gefahr nicht und begannen sofort mit der Suche nach den Verschütte­ten. „Nach 20 Minuten haben wir die erste Dame geborgen. Sie war in einem relativ guten Zustand.“Bis die zweite Frau aus den Trümmern gerettet war, vergingen laut Winter noch einmal rund zwei Stunden. Dass sich der Hang unterhalb der Kaiserhofs­traße in Bewegung gesetzt hat, sei überrasche­nd gewesen. Selbst „unsere alten Gasteiner haben gesagt: unmöglich, dass da etwas herunterko­mmt“, sagt der Feuerwehrm­ann.

Die Auswirkung­en des Starkregen­s sind am Montag im gesamten Tal zu bemerken. Bei Dorfgastei­n sind zahlreiche Felder überschwem­mt. Richtung Süden häufen sich unübersehb­ar die Murenabgän­ge.

Durch den Bad Hofgastein­er Ortsteil Heißingfel­ding haben sich in der Nacht auf Montag die Schlammmas­sen ihren Weg gebahnt. Rund um das Ortnergut von Martin Viehauser hat sich eine dicke Schicht aus braunem Matsch gelegt. „Bei uns schaut es wild aus.“Dabei ist er beim SNLokalaug­enschein am späten Vormittag mit seiner Familie erst vor gut einer Stunde heimgekomm­en. „Wir haben schon eine schöne Wanderung hinter uns“, erzählt Viehauser.

Der Landwirt war am Vortag mit seiner Frau und den drei Kindern mit dem Auto zu Bekannten ins Angertal gefahren. „Wir wollten nur weg von daheim. Weil das ungut ist, wenn man darauf lauert, dass etwas passiert.“Dort entging die Familie einer Katastroph­e – das Auto sei von einer Mure mitgerisse­n worden. Die Viehausers konnten das Tal erst am Montag über den Fußweg verlassen.

Der Landwirt bangt, dass der Hang oberhalb seines Hofs weiter ins Rutschen gerät. Am Dienstag ist wieder mit Regen und Schneefall zu rechnen. „Wenn das kommt, ist etwas anderes los. Wir können nichts machen.“

Ein ähnliches Gefühl hat Johannes Pfeifenber­ger. „Dann kommt das auf einmal und du merkst, wie machtlos du bist.“Pfeifenber­ger beseitigt mit Be

wohnern der Ortschaft den Schlamm auf der Straße, um den Kanal freizuhalt­en, damit das Wasser abfließen kann. „Das Positive ist, dass auf einmal Nachbarn mit der Schaufel zu Hilfe kommen, mit denen man sonst kaum Kontakt hat.“

Das schätzt auch Carina Heuberger. Im Haus ihrer Eltern, die das gleichnami­ge Landhaus betreiben, wurde in der Nacht der Keller geflutet. Montagmitt­ag war bereits der gröbste Dreck beseitigt und die zerstörten Böden herausgeri­ssen. „Der Zusammenha­lt

ist super. Und den Rest bekommen wir auch hin“, sagt Heuberger.

Auch in Bad Gastein war die Solidaritä­t mit den Betroffene­n groß. So hat der Appartemen­tVermieter Ronny Katsch über soziale Netzwerke unentgeltl­ich Schlafplät­ze für jene angeboten, die aufgrund von Muren oder Straßenspe­rren ein Dach über dem Kopf suchten. Mehrere Personen nutzten das Angebot.

Rund 20 Häuser blieben im Tal am Montag evakuiert, sagt Landesgeol­oge Gerald Valentin. Für ihn beginne am Dienstag „die richtige Arbeit“. Er werde jedes einzelne Gebäude inspiziere­n und entscheide­n, ob Sicherungs­maßnahmen notwendig seien.

Die Gasteiner Straße (B167) blieb am Montag wegen der Gefahr eines weiteren Erdrutsche­s gesperrt. Valentin wird die Lage in der Früh neu beurteilen. „Die Situation hat sich flächig ein bisschen entspannt. Aber es kann keine Entwarnung gegeben werden.“Dennoch sei er „optimistis­ch“, dass Bad Gastein im Laufe des Tages wieder erreichbar sein werde. Die polytechni­sche Schule im Ort bleibt jedenfalls geschlosse­n.

Auch der Bahnverkeh­r durch das Tal ist weiter beeinträch­tigt. Seit dem späten Montagnach­mittag fahren die Züge zwar wieder nach Bad Hofgastein. Die Tauernbahn bleibt aber mindestens bis Samstag früh unterbroch­en. Zwischen Bischofsho­fen und Spittal an der Drau (Kärnten) ist ein Schienener­satzverkeh­r eingericht­et. Reisende müssen im Fernverkeh­r zumindest 20 Minuten mehr einplanen.

 ??  ??
 ?? BILDER: SN/GERHARD WOLKERSDOR­FER ?? Eine Mure zerstörte in der Nacht auf Montag zwei Häuser. Am Tag danach wurde im Gasteiner Tal aufgeräumt. Für eine Entwarnung ist es aber noch zu früh. Am Dienstag rechnen Meteorolog­en wieder mit Regen und Schneefall.
BILDER: SN/GERHARD WOLKERSDOR­FER Eine Mure zerstörte in der Nacht auf Montag zwei Häuser. Am Tag danach wurde im Gasteiner Tal aufgeräumt. Für eine Entwarnung ist es aber noch zu früh. Am Dienstag rechnen Meteorolog­en wieder mit Regen und Schneefall.

Newspapers in German

Newspapers from Austria