Salzburger Nachrichten

Geologe: „Hier zeigen sich die Sünden der Raumordnun­g“

- Rainer Braunsting­l ist seit mehr als 30 Jahren als Landesgeol­oge im Einsatz.

Warum ihn das Ausmaß der Schäden nach Starkregen und Muren nicht überrascht, erklärt Rainer Braunsting­l im SN-Gespräch.

SN: Wie können Niederschl­äge derartig viele Muren auslösen? Rainer Braunsting­l: Dazu braucht es einmal sehr viel Wasser, also enorme Regenoder Schneemeng­en. Der Erdboden besteht bis zu 20 Prozent aus Hohlräumen, die sich mit dem Wasser füllen. Sobald die volle Sättigung erreicht ist, können sich die Bodenteilc­hen nicht mehr aneinander abstützen. Sie rutschen aus. Das hat zur Folge, dass der Hang wegbricht. Prekär ist dabei vor allem die enorme Gewichtszu­nahme des Bodens durch das Wasser.

SN: Wie viel schwerer wird der Boden, wenn er sich so mit Wasser vollsaugt? Wenn Sie auf einer Fläche von einem Quadratmet­er eine zwei Meter tiefe Erdschicht herausschn­eiden, dann wiegt der Boden im trockenen Zustand etwa fünf Tonnen. Mit 20 Prozent mehr Wasser ist es eine halbe Tonne mehr.

SN: Kann man sich vor Muren dieses Ausmaßes schützen? Eher nein. Schnee- und Regenfälle mit derart großen Wassermeng­en, wie wir sie jetzt erlebt haben, sind sehr gefährlich. Das Wasser sammelt sich in tieferen Erdschicht­en, steigt unter der Oberfläche an und baut einen solchen Druck auf, dass es zu Hangexplos­ionen kommt.

SN: Wie hoch ist der Druck des Wassers von unten? Eine zehn Meter hohe Wassersäul­e unter der Erde übt einen Druck von zehn Tonnen pro Quadratmet­er Oberfläche aus. Dabei wird das Erdreich an der Oberfläche weggedrück­t, und hinterher schießt das Wasser.

SN: Hätte eine noch ausgedehnt­ere Wildbachve­rbauung Schäden verhindern können?

Sicher hätten einige Auswirkung­en reduziert werden können. Unsere Wildbäche sind aber schon sehr gut verbaut. Es ist eigentlich ein Verdienst der Wildbachve­rbauung, dass jetzt vergleichs­weise wenige Häuser betroffen sind. Straßen sind vulnerable­r und werden daher auch leichter weggespült.

SN: Welche Rolle spielt die Raumordnun­g? Statistisc­h betrachtet erleben wir Hochwasser­ereignisse wie jetzt alle fünf Jahre. Und ja, hier zeigen sich vergangene Sünden der Raumordnun­g. Denn gebaut wird sehr gern auf Murenkegel­n. Das sind Schwemmkeg­el, an deren Seite ein Bach in Vorlauf kommt. Viele Dörfer sind so entstanden. Solange der Murenkegel nur auf einer Seite bebaut wird, kommt es kaum zu Problemen. Wenn aber der Murenkegel komplett verbaut ist, dann sucht sich das Wasser seinen Platz zwischen den Häusern. Wenn Raumordnun­g und Wildbachve­rbauung gut gelöst sind, verringert sich die Gefahr.

Zur Person

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BILD: SN/LMZ/NEUMAYR Landesgeol­oge Rainer Braunsting­l.
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