Salzburger Nachrichten

Die Steiermark wählt und Österreich wartet

Die steirische Landtagswa­hl ist die letzte Ausrede, warum Türkise und Grüne schweigen. Ab Montag müssen sie Klartext reden.

- ALEXANDER.PURGER@SN.AT Alexander Purger

ÖVP und Grüne sind weiter im Aufwind

Die Steirer sind stolz auf ihren eigenen, den steirische­n Weg, und das zu Recht. Bei der Landtagswa­hl am Sonntag dürfte es mit dem steirische­n Weg allerdings nicht weit her sein. Alle Umfragen deuten darauf hin, dass die Steiermark genau so wählen wird, wie es auch das übrige Österreich zuletzt getan hat.

Der ÖVP wird ein Sieg, der SPÖ eine Niederlage, den Blauen ein flaues Ergebnis und den Grünen ein Zugewinn vorausgesa­gt. Lässt ein solches erwartbare­s Ergebnis – falls es tatsächlic­h so eintritt – Rückschlüs­se auf die Bundespoli­tik zu? Oder hat es gar Auswirkung­en auf die türkis-grünen Verhandlun­gen?

Man möchte es hoffen, denn was Türkis-Grün anbelangt, stochert man seit Wochen völlig im Dunkeln. Niemand weiß, was diese beiden Parteien hinter verschloss­enen Türen tun. Keiner weiß, ob sie ernsthaft verhandeln oder nur unser aller Zeit verschwend­en.

Eine kleine Adrenalins­pritze aus der Steiermark könnte den Verhandler­n Mut machen, endlich die Karten auf den Tisch zu legen und Ja oder Nein zu sagen. Die steirische Volksparte­i (übrigens weder schwarz noch türkis, sondern in der Landesfarb­e Grün gehalten) ist drauf und dran, die im Jahr 2005 an die SPÖ verloren gegangene Steiermark zurückzuer­obern.

Seit 2015 ist Hermann Schützenhö­fer von der ÖVP zwar Landeshaup­tmann. Er hat das Amt aber nicht vom Wähler übertragen bekommen, sondern aus den Händen seines SPÖ-Vorgängers und damaligen Freundes Franz Voves als Geschenk empfangen. – Ein beispiello­ser Vorgang, den Schützenhö­fer nun wohl durch ein Wählervotu­m nachträgli­ch legitimier­en kann. Alles andere als ein ÖVP-Sieg am Sonntag wäre eine Überraschu­ng. Was dabei eine Rolle spielt, ist eine von Schützenhö­fer geschickt eingefädel­te (und der SPÖ gegenüber undankbare) Wahlvorver­legung.

Dabei behilflich gewesen ist ihm die FPÖ, die das jetzt bedauern dürfte. Denn der Strudel aus Ibiza-, Parteispes­en- und Casinos-Affäre hat die Wahlaussic­hten der steirische­n Freiheitli­chen schwer beeinträch­tigt. Vor wenigen Jahren hatten sie sich noch Hoffnungen auf Platz eins machen dürfen, nun müssen sie mit Verlusten rechnen. Diese dürften allerdings nicht extrem ausfallen. FPÖ-Spitzenkan­didat Mario Kunasek war 2017 extra Verteidigu­ngsministe­r geworden, um seine Wahlchance­n in der Steiermark zu erhöhen. Und im Vergleich zu früher, als die Abstürze der FPÖ ins Bodenlose gingen (man denke an Knittelfel­d), verfügt sie heute über eine Stammwähle­rschicht, die mit ihr durch dick und dünn geht.

Auf diesen Effekt muss auch die steirische SPÖ bauen. Obwohl sie im Wahlkampf alles tat, um sich vom katastroph­alen Zustand der Bundes-SPÖ zu distanzier­en, stehen die Zeichen für sie ungünstig. Selbst ein Rückfall auf Platz drei hinter die FPÖ schien zeitweise nicht ausgeschlo­ssen. Aber unter 20 Prozent wird es dank der treuen roten Stammwähle­r wohl nicht gehen. Ob SPÖ-Spitzenkan­didat Michael Schickhofe­r den Wahlabend politisch überlebt, ist ungewiss. Noch viel ungewisser ist das Schicksal von Bundespart­eichefin Pamela Rendi-Wagner. Eine Fortsetzun­g der roten Niederlage­nserie wird die Debatte über sie neu anheizen. Dass die ewige SPÖ-Hoffnung Gerhard Zeiler ausgerechn­et am Tag nach der Steiermark-Wahl ein Buch mit Ideen für einen Neustart der SPÖ präsentier­t, sollte Rendi-Wagner zu denken geben.

Mit Zugewinnen wie bei allen Wahlen der letzten Zeit dürfen in der Steiermark die Grünen rechnen. Möglicherw­eise trägt sie die Klimawelle sogar so weit nach oben, dass sich rechnerisc­h erstmals eine schwarz-grüne (oder müsste man sagen: grün-grüne?) Koalition im Grazer Landhaus ausgeht.

Den guten Aussichten im Süden haben die Koalitions­verhandler in Wien bislang alles untergeord­net. Kein Halbsatz, kein noch so kleines Detail aus den Regierungs­gesprächen sollte die Chancen von ÖVP und Grünen in der Steiermark mindern. Schon gar nicht sollten Aussagen darüber, ob die Verhandlun­gen in Wahrheit aussichtsl­os seien oder kurz vor dem Abschluss stünden, die eine oder andere Wählergrup­pe in der Steiermark verschreck­en. Zu so viel taktischer Gemeinsamk­eit waren die Koalitions­verhandler in Wien also schon fähig.

Die stärkste Auswirkung der Steirer-Wahl wird sein, dass sie den türkis-grünen Trappisten in Wien ab Montag endlich die Zungen löst.

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