Die Steiermark wählt und Österreich wartet
Die steirische Landtagswahl ist die letzte Ausrede, warum Türkise und Grüne schweigen. Ab Montag müssen sie Klartext reden.
ÖVP und Grüne sind weiter im Aufwind
Die Steirer sind stolz auf ihren eigenen, den steirischen Weg, und das zu Recht. Bei der Landtagswahl am Sonntag dürfte es mit dem steirischen Weg allerdings nicht weit her sein. Alle Umfragen deuten darauf hin, dass die Steiermark genau so wählen wird, wie es auch das übrige Österreich zuletzt getan hat.
Der ÖVP wird ein Sieg, der SPÖ eine Niederlage, den Blauen ein flaues Ergebnis und den Grünen ein Zugewinn vorausgesagt. Lässt ein solches erwartbares Ergebnis – falls es tatsächlich so eintritt – Rückschlüsse auf die Bundespolitik zu? Oder hat es gar Auswirkungen auf die türkis-grünen Verhandlungen?
Man möchte es hoffen, denn was Türkis-Grün anbelangt, stochert man seit Wochen völlig im Dunkeln. Niemand weiß, was diese beiden Parteien hinter verschlossenen Türen tun. Keiner weiß, ob sie ernsthaft verhandeln oder nur unser aller Zeit verschwenden.
Eine kleine Adrenalinspritze aus der Steiermark könnte den Verhandlern Mut machen, endlich die Karten auf den Tisch zu legen und Ja oder Nein zu sagen. Die steirische Volkspartei (übrigens weder schwarz noch türkis, sondern in der Landesfarbe Grün gehalten) ist drauf und dran, die im Jahr 2005 an die SPÖ verloren gegangene Steiermark zurückzuerobern.
Seit 2015 ist Hermann Schützenhöfer von der ÖVP zwar Landeshauptmann. Er hat das Amt aber nicht vom Wähler übertragen bekommen, sondern aus den Händen seines SPÖ-Vorgängers und damaligen Freundes Franz Voves als Geschenk empfangen. – Ein beispielloser Vorgang, den Schützenhöfer nun wohl durch ein Wählervotum nachträglich legitimieren kann. Alles andere als ein ÖVP-Sieg am Sonntag wäre eine Überraschung. Was dabei eine Rolle spielt, ist eine von Schützenhöfer geschickt eingefädelte (und der SPÖ gegenüber undankbare) Wahlvorverlegung.
Dabei behilflich gewesen ist ihm die FPÖ, die das jetzt bedauern dürfte. Denn der Strudel aus Ibiza-, Parteispesen- und Casinos-Affäre hat die Wahlaussichten der steirischen Freiheitlichen schwer beeinträchtigt. Vor wenigen Jahren hatten sie sich noch Hoffnungen auf Platz eins machen dürfen, nun müssen sie mit Verlusten rechnen. Diese dürften allerdings nicht extrem ausfallen. FPÖ-Spitzenkandidat Mario Kunasek war 2017 extra Verteidigungsminister geworden, um seine Wahlchancen in der Steiermark zu erhöhen. Und im Vergleich zu früher, als die Abstürze der FPÖ ins Bodenlose gingen (man denke an Knittelfeld), verfügt sie heute über eine Stammwählerschicht, die mit ihr durch dick und dünn geht.
Auf diesen Effekt muss auch die steirische SPÖ bauen. Obwohl sie im Wahlkampf alles tat, um sich vom katastrophalen Zustand der Bundes-SPÖ zu distanzieren, stehen die Zeichen für sie ungünstig. Selbst ein Rückfall auf Platz drei hinter die FPÖ schien zeitweise nicht ausgeschlossen. Aber unter 20 Prozent wird es dank der treuen roten Stammwähler wohl nicht gehen. Ob SPÖ-Spitzenkandidat Michael Schickhofer den Wahlabend politisch überlebt, ist ungewiss. Noch viel ungewisser ist das Schicksal von Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner. Eine Fortsetzung der roten Niederlagenserie wird die Debatte über sie neu anheizen. Dass die ewige SPÖ-Hoffnung Gerhard Zeiler ausgerechnet am Tag nach der Steiermark-Wahl ein Buch mit Ideen für einen Neustart der SPÖ präsentiert, sollte Rendi-Wagner zu denken geben.
Mit Zugewinnen wie bei allen Wahlen der letzten Zeit dürfen in der Steiermark die Grünen rechnen. Möglicherweise trägt sie die Klimawelle sogar so weit nach oben, dass sich rechnerisch erstmals eine schwarz-grüne (oder müsste man sagen: grün-grüne?) Koalition im Grazer Landhaus ausgeht.
Den guten Aussichten im Süden haben die Koalitionsverhandler in Wien bislang alles untergeordnet. Kein Halbsatz, kein noch so kleines Detail aus den Regierungsgesprächen sollte die Chancen von ÖVP und Grünen in der Steiermark mindern. Schon gar nicht sollten Aussagen darüber, ob die Verhandlungen in Wahrheit aussichtslos seien oder kurz vor dem Abschluss stünden, die eine oder andere Wählergruppe in der Steiermark verschrecken. Zu so viel taktischer Gemeinsamkeit waren die Koalitionsverhandler in Wien also schon fähig.
Die stärkste Auswirkung der Steirer-Wahl wird sein, dass sie den türkis-grünen Trappisten in Wien ab Montag endlich die Zungen löst.