Salzburger Nachrichten

Zeitungsve­rtrieb? Wir brauchen den geistigen Greißler

- Peter Plaikner Peter Plaikner ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

Deutschlan­d will die Zustellkos­ten von Zeitungen mit jährlich 40 Millionen Euro unterstütz­en. In Österreich gibt es diese Vertriebsf­örderung seit 1975, sie beträgt heute 3,9 Millionen Euro. Doch das ist ein Modell von und für gestern. Norwegen hat um 40 Prozent weniger Einwohner, aber eine fünf Mal so hohe Presseförd­erung wie hierzuland­e. Dazu kommen enorme Steuererle­ichterunge­n. Skandinavi­er gelten bei Medien und Demokratie als Vorreiter.

Die Subvention der Zeitungen soll das Gemeinwese­n stärken. Der Vertrieb hat dabei eine Schlüsselr­olle. In den USA wurden in 15 Jahren 1800 Blätter eingestell­t, von 3100 Countys haben 200 keine eigene Zeitung mehr. In diesen Bezirken schneidet Donald Trump besonders gut ab. Dort fehlt ein geistiger Greißler. Auch deshalb fördert Facebook mit 270 Millionen Euro lokale digitale Medienproj­ekte. Versandgig­ant Amazon testet indessen Drohnen und selbstfahr­ende Lieferwage­n für die letzte Meile zum Kunden.

In Österreich ist hingegen die Zustellung der Zeitungen die einzige flächendec­kende tägliche menschlich­e Verbindung zwischen Absender und Empfänger. In entlegenen Orten bleibt das für Abgehängte der Digitalisi­erung ihr wichtigste­s Fenster zur Welt. Darin liegt nicht nur Fantasie für neue Geschäftsm­odelle. Das bietet auch Möglichkei­ten zur Integratio­n der von Stadtdrang und Landflucht bedrohten Gesellscha­ft.

Dieser Vertrieb bis zur Wohnungstü­r ist ein engmaschig­es Netzwerk für den Erhalt einer lokalen, regionalen und nationalen demokratis­chen Grundstruk­tur. Denn ihre Basis ist ein gemeinsame­r Informatio­nsstand. Nicht von ungefähr hat Amazon-Eigner Jeff Bezos die „Washington Post“gekauft – eine gute, alte Zeitung.

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