Zeitungsvertrieb? Wir brauchen den geistigen Greißler
Deutschland will die Zustellkosten von Zeitungen mit jährlich 40 Millionen Euro unterstützen. In Österreich gibt es diese Vertriebsförderung seit 1975, sie beträgt heute 3,9 Millionen Euro. Doch das ist ein Modell von und für gestern. Norwegen hat um 40 Prozent weniger Einwohner, aber eine fünf Mal so hohe Presseförderung wie hierzulande. Dazu kommen enorme Steuererleichterungen. Skandinavier gelten bei Medien und Demokratie als Vorreiter.
Die Subvention der Zeitungen soll das Gemeinwesen stärken. Der Vertrieb hat dabei eine Schlüsselrolle. In den USA wurden in 15 Jahren 1800 Blätter eingestellt, von 3100 Countys haben 200 keine eigene Zeitung mehr. In diesen Bezirken schneidet Donald Trump besonders gut ab. Dort fehlt ein geistiger Greißler. Auch deshalb fördert Facebook mit 270 Millionen Euro lokale digitale Medienprojekte. Versandgigant Amazon testet indessen Drohnen und selbstfahrende Lieferwagen für die letzte Meile zum Kunden.
In Österreich ist hingegen die Zustellung der Zeitungen die einzige flächendeckende tägliche menschliche Verbindung zwischen Absender und Empfänger. In entlegenen Orten bleibt das für Abgehängte der Digitalisierung ihr wichtigstes Fenster zur Welt. Darin liegt nicht nur Fantasie für neue Geschäftsmodelle. Das bietet auch Möglichkeiten zur Integration der von Stadtdrang und Landflucht bedrohten Gesellschaft.
Dieser Vertrieb bis zur Wohnungstür ist ein engmaschiges Netzwerk für den Erhalt einer lokalen, regionalen und nationalen demokratischen Grundstruktur. Denn ihre Basis ist ein gemeinsamer Informationsstand. Nicht von ungefähr hat Amazon-Eigner Jeff Bezos die „Washington Post“gekauft – eine gute, alte Zeitung.