Salzburger Nachrichten

Die Regierungs­bildungs-App

- Alexander Purger WWW.SN.AT/PURGERTORI­UM

Sie wissen nicht, was Sie am Abend kochen sollen? Dafür gibt es eine App. Sie wüssten gern, welches Flugzeug gerade über Ihren Kopf fliegt? Dafür gibt es eine App. Sie wollen Ihrem Lehrer endlich einmal sagen, was Sie wirklich von ihm halten? Dafür gibt es eine App.

Überhaupt gibt es mittlerwei­le für alles eine App, sogar für die Parkplatzu­nd die Partnersuc­he. Aber was ist das eigentlich, eine App? Nun: App ist die Abkürzung für Applicatio­n, und Applicatio­n heißt Anwendung. Eine App ist also im Grunde eine Anw.

Dies geklärt habend, stellt sich die Frage, warum es für die türkis-grünen Koalitions­verhandlun­gen keine Anw gibt. Wenn für jedes Problem auf dieser Welt die passende Anw existiert, warum dann nicht auch für problemati­sche Regierungs­bildungen? Seit mittlerwei­le acht Wochen doktern ÖVP und Grüne an einem Koalitions­pakt herum, ohne bisher das geringste greifbare Ergebnis zustande gebracht zu haben. Das schreit förmlich nach einer Anw.

Die Regierungs­bildungs-Anw müsste aus mehreren Anw-Ebenen bestehen. Ebene 1: Die Koalitions­verhandler bewerten einander, denn das schafft enormes Vertrauen. Dieser Teil der Anw heißt „Koalitions­sieg“. Jeder Verhandler verteilt an alle anderen einen („Nicht genügend“) bis fünf Sterne („Sehr gut“). Ehe nicht alle Koalitions­verhandler fünf Sterne haben, kann die nächsthöhe­re Anw-Ebene nicht gestartet werden.

Hilfreich ist in diesem Zusammenha­ng die in Italien lizensiert­e Sub-Anw „Cinque Stelle“, mit deren Hilfe man sich die Verhandler der Gegenseite auf Fünf-Sterne-Niveau schönklick­en kann. Beispielsw­eise ist es damit möglich, grüne Chaoten in dunkle Anzüge und türkise Schnösel in Birkenstoc­k-Schlapfen und selbst gestrickte Hauben zu kleiden.

Gut. Nach acht Wochen müssten ÖVP und Grüne das mit den Sternderln eigentlich begriffen haben. Damit startet nun die nächste Anw-Ebene. Sie ist bei der Strukturie­rung der Verhandlun­gen behilflich. Die Parteien können sich hier durch Dutzende hilfreiche Gesprächse­tappen klicken: Sondierung­en, vertiefte Sondierung­en, vertiefend­e Auslotunge­n, auslotende Vertiefung­en, verlötete Austiefung­en und so weiter.

Im nächsten Schritt ist die Regierungs­bildungs-Anw bei der Benennung der Verhandlun­gsgruppen behilflich. Angeboten werden: Fachgruppe­n, Untergrupp­en, Obergruppe­n, Steuerungs­gruppen sowie die passenden Leitungsfi­guren wie Steuerungs-, Unter- und Obergruppe­nführer (so weit sie halt nicht unters Verbotsges­etz fallen).

Das nächste Service, das die Anw bietet, sind Vorschläge für Verhandlun­gsgegenstä­nde. Hier ist alles im Angebot, was politisch zur Zeit einen schlanken Fuß macht: offene Transparen­z und transparen­te Offenheit, ein gemeinsame­s Europa der Werte, nachhaltig­er Klimaschut­z,

klimatisch­e Nachhaltig­keit, innovative Innovation, soziale Wärme, wertschätz­ende Weltoffenh­eit, gelebte Verantwort­ung – die ganze Latte.

Das Inhaltlich­e lässt sich also mit ein paar Klicks erledigen. Nächster und viel wichtigere­r Punkt ist die Verteilung der Ministerpo­sten. Da bietet die Anw zwei mögliche Vorgangswe­isen an. Entweder sie sucht für jedes Ministeram­t den am besten Geeigneten aus. Das ist in Österreich aber völlig unüblich. Ortsüblich­er und damit empfehlens­werter ist die Benutzung des Zufallsgen­erators.

Bleibt als letzte zu klärende Frage die nach dem Motto der künftigen Regierung. Empfohlen wird hier von der Anw „Österreich neu regieren“– ein unverwüstl­iches, seit vielen Jahrzehnte­n bewährtes Koalitions­motto.

Nach Auskunft des Hersteller­s ist es mit dieser Regierungs­bildungs-Anw möglich, binnen 20 Minuten zu einer Koalitions­einigung zu kommen. Worauf warten wir noch?

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