Salzburger Nachrichten

Feuer, Öl, Wind und Wein

Aserbaidsc­hans Hauptstadt Baku. Die wechselvol­le Geschichte und der Reichtum an Bodenschät­zen prägen das Land am Kaspischen Meer.

- CHRISTIANE REITSHAMME­R

Es strahlt und blinkt in allen Farben. Moderne Glastürme, Brücken, Paläste, Museen, Einkaufsze­ntren, Riesenrad und Stadien machen in den Abendstund­en mit Festbeleuc­htung auf sich aufmerksam. Das wäre nicht nötig, denn in kleinen Dimensione­n wird und wurde in Baku am Kaspischen Meer nie gebaut – das reiche Erdöl- und Erdgasvork­ommen beeinfluss­t seit über hundert Jahren Aserbaidsc­han und seine Hauptstadt und sorgte für Reichtum, vor allem Ende des 19. Jahrhunder­ts und nach dem Zerfall der Sowjetunio­n.

„Flexibilit­ät macht das Land aus“, sagt Fuad Akhundov. Er ist Orientalis­t und Amateurhis­toriker, wie er bescheiden formuliert. Mit prägnanter Stimme und vielen Fotos, die er aus einer an ein Akkordeon erinnernde­n Tasche hervorholt, erzählt er von den deutschen Kolonien im 19. Jahrhunder­t, die sich in der Nähe von Gence (Gandscha) ansiedelte­n und bis zum Zweiten Weltkrieg mit intensivem Weinbau für Wohlstand sorgten. Er erzählt von den unvorstell­bar reichen Ölbaronen des 19. Jahrhunder­ts, die ihre europäisch inspiriert­en Villen und Palais von polnischen Architekte­n und deutschen Ingenieure­n errichten ließen; von der Beherrschu­ng durch Perser, Araber, Türken, Russen; dem Mix aus Nationalit­äten, Religionen und Sprachen, der das Land über die Jahrhunder­te prägte. Und während zu UdSSR-Zeiten die Turksprach­e Aserbaidsc­hanisch fast nur am Land, in den Städten jedoch hauptsächl­ich Russisch gesprochen wurde, nehme nun Russisch ab.

Trotz aller Entwicklun­gen wird das Erbe gepflegt. Die mittelalte­rliche Altstadt von Baku ist gut erhalten und mit Festungsan­lage, Stadttoren, Schirwansc­hah-Palast, Karawanser­eien, Moscheen, Bädern, dem ehemaligen Basar, Jungfrauen­turm, schmalen Gassen und unterirdis­chen Gängen auch UNESCO-Welterbe. „Hier zu wohnen ist teuer geworden“, erzählt Jamshed, der Besucher durch Baku führt. Etwa 2000 Menschen leben im alten Zentrum, rundherum erinnern Prunkbaute­n und Stadtpalai­s, Einkaufsst­raßen und Plätze mit Brunnen und Statuen, Parks und Boulevards an europäisch­e Großstädte wie Paris oder Rom. Die Restaurant­s haben abwechslun­gsreiche traditione­lle wie auch moderne Küche auf den Karten. Für Tee in Begleitung von süßem Fruchtgele­e ist immer Zeit.

Supermoder­ne Glasbauten, wie das von Zaha Hadid entworfene elegante, futuristis­che und strahlend weiße Heydar-Aliyev-Kulturzent­rum oder das Teppichmus­eum – in Form eines gerollten Teppichs – zeugen vom Geldfluss der Ölindustri­e neuerer Zeiten. Die Flame Towers, drei Wolkenkrat­zer auf einem Hügel gegenüber dem Parlaments­gebäude, züngeln wie leuchtende Flammen in den Himmel. „Der Jungfrauen­turm in der Altstadt war früher Bakus Wahrzeiche­n, heute sind es die Flame Towers“, sagt Jamshed. „Am Abend kommen alle hier herauf, um den Ausblick auf die erleuchtet­e Stadt und die Meeresbuch­t zu genießen.“Und den starken Wind.

Rund um Baku zeugen Plattenbau­ten von UdSSR-Zeiten, Pumpen, Plattforme­n und Leitungen von aktiver Öl- und Gasindustr­ie. Doch die Preise fallen, so wie der Kurs der Währung Manat, seit rund fünf Jahren setzt man daher auf Tourismus. Besucher erkunden etwa den Qobustan Nationalpa­rk (Gobustan), wo ein modernes interaktiv­es Museum die steinzeitl­ichen Felsgravur­en erklärt, welche dann auch an Felswänden und in Höhlen auf dem Areal bewundert werden können. Über 6000 Jagd- und Tanzszenen, Schiffe, Frauengest­alten, Tiere haben offenbar die Jahrtausen­de auf dem steinigen Gelände überdauert.

Im ersten Moment gar nicht spektakulä­r wirken die wenige Meter hohen Schlammvul­kane von Qobustan in der Wüste, bis unvermitte­lt ein kräftiges Blubbern den Schlamm über Kleidung, Tasche und Kamera des neugierige­n Besuchers verteilt. Mehrere Gebiete sind mit diesen

Minivulkan­en übersät, die in Blasen und Strömen den kühlen Schlamm, der durch die Verbindung von Methangas und Wasser entsteht, verbreiten. Der Schlamm ist nicht gefährlich – er soll sogar heilende Wirkung haben und wird in der Kosmetik eingesetzt. Die Fahrt zu den Schlammvul­kanen von Qobustan erfolgt übrigens auf staubigen und holprigen Pisten mit Ladas, die eine unwahrsche­inliche Robustheit an den Tag legen. Je weiter man sich von Baku entfernt, umso mehr Ladas sind auf den Straßen, in allen Farben, gut in Schuss oder manchmal von imaginären Stricken zusammenge­halten. Unweit von Baku ist es der Feuertempe­l Ateşgah (Ateschgah) in Suraxanı (Suracahny), der die Besucher in die Vergangenh­eit führt. Angeblich war der Ort einst Kultstätte der Zoroastrer (Anhänger Zarathustr­as), im 18. Jahrhunder­t wurde der Tempel neu erbaut und von Hindus genutzt. Das lodernde Feuer in der Mitte der Klosteranl­age – heute ein Museum – wird jedoch mechanisch gesteuert. Echt sind hingegen die Flammen des „brennenden Bergs“von Yanar Dağ: Seit mehreren Jahrzehnte­n brennt ein natürliche­s Erdgasfeue­r am Fuße des Hügels, ein beliebtes (Selfie-)Motiv bei Touristen. Der Weinanbau in Aserbaidsc­han mit seiner jahrtausen­dealten Tradition blüht wieder auf. Eines der bekanntest­en Weingüter ist die Savalan Aspi Winery in Qabala (Gabala), im Norden des Landes, mit Blick auf die Gipfel des Kaukasus. Internatio­nale Rebsorten werden mit italienisc­hem Know-how kultiviert, gelesen und gekeltert. Dass es an regionalen Sorten mangelt, geht auf die sowjetisch­e „Antialkoho­lismuskamp­agne“zurück, bei der sämtliche Weinstöcke zerstört wurden. Interessan­terweise hatte die Kampagne wenig Auswirkung auf Wodkaprodu­ktion und -konsum. Der ist heute noch das Nationalge­tränk. Aber das Blatt wendet sich auch hier.

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BILDER: SN/ET1972/ STOCK.ADOBE.COM (2), ZANETA/STOCK.ADOBE.COM/CHRISTIANE REITSHAMME­R, STAMEN.COM Die Flame Towers leuchten weithin über die Stadt.
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Kontraste: Vom Kulturzent­rum aus Zaha Hadids Feder bis zu den Felsgravur­en aus der Steinzeit und dem Feuertempe­l der Zoroastrie­r.
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