Feuer, Öl, Wind und Wein
Aserbaidschans Hauptstadt Baku. Die wechselvolle Geschichte und der Reichtum an Bodenschätzen prägen das Land am Kaspischen Meer.
Es strahlt und blinkt in allen Farben. Moderne Glastürme, Brücken, Paläste, Museen, Einkaufszentren, Riesenrad und Stadien machen in den Abendstunden mit Festbeleuchtung auf sich aufmerksam. Das wäre nicht nötig, denn in kleinen Dimensionen wird und wurde in Baku am Kaspischen Meer nie gebaut – das reiche Erdöl- und Erdgasvorkommen beeinflusst seit über hundert Jahren Aserbaidschan und seine Hauptstadt und sorgte für Reichtum, vor allem Ende des 19. Jahrhunderts und nach dem Zerfall der Sowjetunion.
„Flexibilität macht das Land aus“, sagt Fuad Akhundov. Er ist Orientalist und Amateurhistoriker, wie er bescheiden formuliert. Mit prägnanter Stimme und vielen Fotos, die er aus einer an ein Akkordeon erinnernden Tasche hervorholt, erzählt er von den deutschen Kolonien im 19. Jahrhundert, die sich in der Nähe von Gence (Gandscha) ansiedelten und bis zum Zweiten Weltkrieg mit intensivem Weinbau für Wohlstand sorgten. Er erzählt von den unvorstellbar reichen Ölbaronen des 19. Jahrhunderts, die ihre europäisch inspirierten Villen und Palais von polnischen Architekten und deutschen Ingenieuren errichten ließen; von der Beherrschung durch Perser, Araber, Türken, Russen; dem Mix aus Nationalitäten, Religionen und Sprachen, der das Land über die Jahrhunderte prägte. Und während zu UdSSR-Zeiten die Turksprache Aserbaidschanisch fast nur am Land, in den Städten jedoch hauptsächlich Russisch gesprochen wurde, nehme nun Russisch ab.
Trotz aller Entwicklungen wird das Erbe gepflegt. Die mittelalterliche Altstadt von Baku ist gut erhalten und mit Festungsanlage, Stadttoren, Schirwanschah-Palast, Karawansereien, Moscheen, Bädern, dem ehemaligen Basar, Jungfrauenturm, schmalen Gassen und unterirdischen Gängen auch UNESCO-Welterbe. „Hier zu wohnen ist teuer geworden“, erzählt Jamshed, der Besucher durch Baku führt. Etwa 2000 Menschen leben im alten Zentrum, rundherum erinnern Prunkbauten und Stadtpalais, Einkaufsstraßen und Plätze mit Brunnen und Statuen, Parks und Boulevards an europäische Großstädte wie Paris oder Rom. Die Restaurants haben abwechslungsreiche traditionelle wie auch moderne Küche auf den Karten. Für Tee in Begleitung von süßem Fruchtgelee ist immer Zeit.
Supermoderne Glasbauten, wie das von Zaha Hadid entworfene elegante, futuristische und strahlend weiße Heydar-Aliyev-Kulturzentrum oder das Teppichmuseum – in Form eines gerollten Teppichs – zeugen vom Geldfluss der Ölindustrie neuerer Zeiten. Die Flame Towers, drei Wolkenkratzer auf einem Hügel gegenüber dem Parlamentsgebäude, züngeln wie leuchtende Flammen in den Himmel. „Der Jungfrauenturm in der Altstadt war früher Bakus Wahrzeichen, heute sind es die Flame Towers“, sagt Jamshed. „Am Abend kommen alle hier herauf, um den Ausblick auf die erleuchtete Stadt und die Meeresbucht zu genießen.“Und den starken Wind.
Rund um Baku zeugen Plattenbauten von UdSSR-Zeiten, Pumpen, Plattformen und Leitungen von aktiver Öl- und Gasindustrie. Doch die Preise fallen, so wie der Kurs der Währung Manat, seit rund fünf Jahren setzt man daher auf Tourismus. Besucher erkunden etwa den Qobustan Nationalpark (Gobustan), wo ein modernes interaktives Museum die steinzeitlichen Felsgravuren erklärt, welche dann auch an Felswänden und in Höhlen auf dem Areal bewundert werden können. Über 6000 Jagd- und Tanzszenen, Schiffe, Frauengestalten, Tiere haben offenbar die Jahrtausende auf dem steinigen Gelände überdauert.
Im ersten Moment gar nicht spektakulär wirken die wenige Meter hohen Schlammvulkane von Qobustan in der Wüste, bis unvermittelt ein kräftiges Blubbern den Schlamm über Kleidung, Tasche und Kamera des neugierigen Besuchers verteilt. Mehrere Gebiete sind mit diesen
Minivulkanen übersät, die in Blasen und Strömen den kühlen Schlamm, der durch die Verbindung von Methangas und Wasser entsteht, verbreiten. Der Schlamm ist nicht gefährlich – er soll sogar heilende Wirkung haben und wird in der Kosmetik eingesetzt. Die Fahrt zu den Schlammvulkanen von Qobustan erfolgt übrigens auf staubigen und holprigen Pisten mit Ladas, die eine unwahrscheinliche Robustheit an den Tag legen. Je weiter man sich von Baku entfernt, umso mehr Ladas sind auf den Straßen, in allen Farben, gut in Schuss oder manchmal von imaginären Stricken zusammengehalten. Unweit von Baku ist es der Feuertempel Ateşgah (Ateschgah) in Suraxanı (Suracahny), der die Besucher in die Vergangenheit führt. Angeblich war der Ort einst Kultstätte der Zoroastrer (Anhänger Zarathustras), im 18. Jahrhundert wurde der Tempel neu erbaut und von Hindus genutzt. Das lodernde Feuer in der Mitte der Klosteranlage – heute ein Museum – wird jedoch mechanisch gesteuert. Echt sind hingegen die Flammen des „brennenden Bergs“von Yanar Dağ: Seit mehreren Jahrzehnten brennt ein natürliches Erdgasfeuer am Fuße des Hügels, ein beliebtes (Selfie-)Motiv bei Touristen. Der Weinanbau in Aserbaidschan mit seiner jahrtausendealten Tradition blüht wieder auf. Eines der bekanntesten Weingüter ist die Savalan Aspi Winery in Qabala (Gabala), im Norden des Landes, mit Blick auf die Gipfel des Kaukasus. Internationale Rebsorten werden mit italienischem Know-how kultiviert, gelesen und gekeltert. Dass es an regionalen Sorten mangelt, geht auf die sowjetische „Antialkoholismuskampagne“zurück, bei der sämtliche Weinstöcke zerstört wurden. Interessanterweise hatte die Kampagne wenig Auswirkung auf Wodkaproduktion und -konsum. Der ist heute noch das Nationalgetränk. Aber das Blatt wendet sich auch hier.