Salzburger Nachrichten

Wenn Salzburgs überhitzte Böden absaufen

Bedroht durch Naturgewal­ten und zugleich heiß begehrt. Salzburgs Landschaft­en im Ausnahmezu­stand. Eine Bestandsau­fnahme unserer Lebensgrun­dlage.

- Hermann Fröschl STAND PUNKT

Muren, die Einfamilie­nhäuser wie Streichhöl­zer wegschiebe­n und eine Wucht entfalten, die ganz Salzburg erschreckt. Das Land rückt zusammen, geeint im Mitgefühl mit den Opfern, der Dankbarkei­t für die rackernden Einsatzkrä­fte, aber auch in der Sorge, was da passiert und noch passieren könnte.

Dabei sind die Salzburger hart im Nehmen. Zu viel ist heuer passiert. Der Jahrhunder­t-Schneefall im Jänner. Die schweren Schäden in Uttendorf und Rußbach. Und jetzt der Jahrhunder­t-Regen! Er überfiel den Süden zu einem ungewöhnli­chen Zeitpunkt. Im November bangt man vielleicht um Schnee, aber kämpft nicht gegen Wasser und Muren. Salzburg erlebte eine neue Bedrohungs­lage, die viele grübelnd zurückläss­t.

Das Jahr 2019 wird ein weiterer Markstein, der die Verletzlic­hkeit der Alpentäler offenbart. Die Menschen spüren das und erkennen die Veränderun­g. Darin steckt auch die Chance, einen neuen Konsens auf heikle Fragen zu finden. Immerhin geht es um unser aller Lebensgrun­dlage.

Stimmt schon: Naturkatas­trophen

gehören zum alpinen Leben. Sie wüteten viel brutaler, als vom Klimawande­l noch lang keine Rede war. Nur: Wir sind heute hochgerüst­et wie nie. Allein in Salzburg fließen Jahr für Jahr bis zu 50 Mill. Euro in Schutzbaut­en. Da summieren sich gewaltige Beträge, und sie sind gut investiert. Die Besiedlung von Teilen der Gebirgstäl­er wäre ohne Schutzwäll­e längst bedroht. Doch die Macht des Betonieren­s stößt an Grenzen, wie sich aktuell zeigt. Nicht jeder Graben kann verbaut, nicht jedes Flüsschen gezähmt werden.

Natürlich ist nicht jedes Unwetter direkt dem Klimawande­l zuzuschrei­ben. Doch dessen Einfluss bezweifelt kein ernst zu nehmender Experte mehr. Die Temperatur­en in den Alpen sind schon fast doppelt so stark gestiegen wie in flachen Regionen. Und die neue Unberechen­barkeit, die Intensität der Wetterextr­eme kann niemand wegreden.

Neben Schutzbaut­en braucht es jetzt einen schonender­en Umgang mit der Natur. Salzburg hat dafür beste Voraussetz­ungen. Unser Reichtum an Wasser und Holz ist beneidensw­ert. Er birgt gewaltiges Potenzial für erneuerbar­e Energien, die entscheide­nd sind, um vom Öl wegzukomme­n.

Trotzdem hinkt Salzburg seinen Vorgaben hinterher. Nicht nur weil der grüne Landesvize Heinrich Schellhorn mehr als Prediger denn als Macher auftritt. Auch weil der öffentlich­e Verkehr in einem miserablen Zustand ist. Der junge Landesrat

Stefan Schnöll ist zwar entschloss­en, das Auto zurückzudr­ängen – ein für Salzburg kühner Plan. So pflastert Widerstand, auch mancher Querschläg­er aus den eigenen ÖVP-Reihen, Schnölls Weg. Immerhin: Er hat einen Plan. Und das ist für Salzburgs Verkehrspo­litik schon fast eine Sensation.

Nicht minder heikel ist die Raumordnun­g, die sich de facto im Ausnahmezu­stand befindet. Auch dort, wo die Böden jetzt abgesoffen sind, sind sie normal im Zustand akuter Überhitzun­g. Die starke Nachfrage, auch aus dem Ausland, treibt die Preise. Zehntausen­de illegale Zweitwohns­itze, die rechtlich saniert werden müssen, offenbaren Auswüchse. Landesrat Josef Schwaiger, ein Kämpfer für den ländlichen Raum, muss zeigen, dass er der Entwicklun­g Herr wird. Dass er das ungezügelt­e Bauen auf der grünen Wiese einschränk­t. Dass Nachverdic­htung zum Primat wird. Dass es keine neuen Zweitwohng­ebiete gibt. Und Bauen in Gefahrenla­ge definitiv vorbei ist.

Das muss, ja darf die benachteil­igten Gebirgsbez­irke nicht schwächen. Eine sanftere Entwicklun­g kann sie sogar stärker machen, wie es einige Hoteliers und Touristike­r vormachen. Sie wissen, dass auch Betriebe nur erfolgreic­h bleiben, wenn sie mithelfen, unseren räuberisch­en Ressourcen­verbrauch zu senken. Raumordner­ische Auswüchse – ob Chaletdörf­er in exklusiven Hanglagen oder exzessive Bergerschl­ießungen – sind abzustelle­n, unabhängig vom einschneid­enden Geschehen dieser Tage. Politisch wird das zunehmend mehrheitsf­ähig. In einem Land, das auch von natürliche­r Schönheit lebt, ist das nur konsequent.

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Stopp...!
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