Salzburger Nachrichten

Ein Hippie in Lofer

„Salzburg schreibt die besten Geschichte­n“. Der Wochensieg­er kommt erneut aus dem Pinzgau. Eine köstliche Geschichte von Kurt Mikula.

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„Sind Sie ein Hippie?!“, fragte mich Franzi aus der vierten Klasse. Was mich nicht verwundert­e. Auf Franzi musste ich wie von einem anderen Stern gewirkt haben: lange Haare und grüne Latzhose. War ursprüngli­ch eine weiße Malerhose aus dem Baumarkt. Die habe ich in der Waschmasch­ine eingefärbt und anschließe­nd mit Essig fixiert. Das war leider nicht immer verlässlic­h und hatte zur Folge, dass beim nächsten Waschgang die halbe Garderobe wieder umgefärbt wurde. Auf den Latz der Hose habe ich bunte Blumen mit Perlgarn gestickt. Dazu trug ich ein violettes Hemd. Eigentlich war es ein Krankenhau­shemd, das mir eine Freundin besorgte. Schön weit, bequem und hinten offen, damit man … du weißt schon. ;) Das Hemd habe ich hinten zusammenge­näht und ihm mit Bindetechn­ik, Wachs und Bügeleisen einen Batiklook verpasst. Sah sehr gut aus.

Darüber hatte ich einen kuschelige­n Pullover. Natürlich auch selbstmade. Den habe ich in meiner Studienzei­t gestrickt. War damals voll „in“, dass Jungs während der Vorlesunge­n strickten. Damit konnte man bei Mädels richtig Eindruck schinden. Zwischen meinen langen Haaren guckte noch ein Haarband in bunten Perlfarben hervor. Diesen Hippielook rundeten meine Gitarre mit der Aufschrift „Die Sonne geht für alle auf“und meine hübsche Frau in indischem Kleid perfekt ab.

Mein Direktor, dem ich mich in diesem Aufzug als neuer Junglehrer vorstellte, gestand mir Jahre später, was er sich beim Anstellung­sgespräch dachte: „Oh Gott, was kommt denn da? Das wird ein Chaos in der Klasse werden.“Zu Weihnachte­n kauften wir unser erstes gebrauchte­s Auto. Einen mausgrauen VW-Bus, Baujahr 1968. Der hatte damals noch keine Gebläsehei­zung. Wir fuhren im Winter immer mit Handschuhe­n und Haube. Nach zirka 20 Kilometern kroch durch ein Loch im Armaturenb­rett die Abwärme des Motors langsam hervor und schmolz so ein kreisrunde­s Guckloch in das Eis der Innenschei­be. Am Schulschlu­ss ließen wir unseren Bus von den Schülern anmalen. Das Gefährt wurde zu einer Erdkugel, umgeben von einer Menschenke­tte, umgestalte­t. Zu guter Letzt schrieben die Schüler noch „Kurt & Esther“in grellem Gelb auf die Front. Innerhalb weniger Wochen kannten uns alle im Ort. Wenn ich von Lofer nach Salzburg fahren wollte, musste ich durch die Passkontro­lle beim Zollamt Steinpass in Unken. Es gab ja nicht einmal die

EU! Dieses Prozedere spielte sich folgenderm­aßen ab: Der Zollbeamte ließ mich mit meinem bunten Vehikel links ranfahren. Ich kurbelte die Scheibe hinunter. „Passkontro­lle“, sagte der Zöllner, musterte mich eindringli­ch und verschwand für zehn Minuten in der Kabine, um meinen Pass durchzuche­cken. Das wiederholt­e sich zirka ein halbes Jahr lang, bis der Zöllner meinen Pass mal genauer ansah und fragte: „Mikula? Sind Sie vielleicht der Lehrer von meinem Sohn Franzi?“– „Genau, der bin ich.“

Seither wurde ich nur noch freundlich durchgewin­kt. :) Hippie-ey-jeah!

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BILD: SN/PRIVAT So düste Kurt Mikula einst durch die Gegend. Seine Schüler hatten den Bus 1988 bunt angemalt.
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